| Falls wir unseren Einkristall
willkürlich zur Zugrichtung orientiert haben, kann es natürlich sein, daß mehrere Gleitebenen sehr
ähnliche Winkel zur Zugrichtung haben, und der Prozeß der Versetzungsgleitung dann auf mehreren Ebenen
simultan einsetzt. |
|  | Falls
wir hochsymmetrische Kristallrichtungen, z.B. <100> in Zugrichtung orientieren, wird das mit Sicherheit
passieren (Warum wohl?) |
|  | Die gemessene Fließgrenze RP wird natürlich etwas von der Orientierung
abhängen; den kleinstmöglichen Wert bekommen wir, falls zufällig eine der Gleitebenen unter
45o zur Zugrichtung stand. |
 | Um eindeutige
Verhältnisse zu bekommen, suchen wir uns deshalb eine Richtung bei der nur eine Gleitebene möglichst unter 45o zur Zugrichtung steht, und alle
anderen unter Winkeln, die möglichst verschieden sind von 45o. |
|  | Dann wird tkrit auf einer Gleitebenen viel früher erreicht als auf den anderen. |
|  | Diese optimale Richtung zu finden ist gar
nicht ganz einfach; für fcc Kristalle mit ihren 12
Gleitsystemen ist es die <123> Richtung. |
 | Was wir jetzt erhalten,
sieht schematisch etwa so aus (wobei wir statt s
gleich t auf der bevorzugten Gleitebene auftragen). |
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"Normaler" Einkristall | Versetzungsfreier Einkristall |
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|  | Wie ein (leicht) verformter <123> Cu
Einkristall wirklich aussieht, ist im Link gezeigt. |
 | Sobald tkrit auf der bevorzugten Gleitebene erreicht ist - das in dieser Auftragung
natürlich identisch ist zu RP - beginnt Versetzungsbewegung
und insbesondere auch Versetzungsmultiplikation, und damit plastische Verformung. Nur kleine Zuwächse an Spannung werden benötigt, um
große Verformungen zu erzielen. |
|  | Falls ursprünglich keine oder nur
wenige Versetzungen vorhanden sind, nützt das nix - wir müssen erst Versetzungen erzeugen. Der vordere Teil
der Kurve sieht dann so aus wie rechts gezeigt; wir beobachten einen mehr oder
weniger großen "Peak" um RP. |
 | In anderen Worten: Wir
brauchen erst etwas überhöhte Spannungen um einige Versetzungen (an der Oberfläche) zu erzeugen. Sobald
eine genügende Anzahl vorhanden ist, beginnt die lawinenartige Vermehrung im Volumen, und wir können die
Spannung jetzt wieder senken um eine vorgegebene Verformungsgeschwindigkeit einzuhalten. |
|  | Beenden wir die Verformung nach Durchlaufen des "Peaks" der Verformungskurve und machen mit
dieser Probe jetzt einen 2. Zugversuch, ist der Peak deutlich kleiner. Das ist klar: Wir müssen jetzt ja
nicht mehr erst Versetzungen machen; es sind ja vom erstenmal her noch genügend viel vorhanden. Damit ist aber
auch klar: Die Spannungs-Dehnungskurve unseres Kristalls hängt von seiner Vorgeschichte ab, die wir ja nicht immer kennen. |
|  | Damit wird
plastische Verfomung in der Praxis nicht gerade einfacher. Letztlich ist aber das was geschene wird, immer eine
Funktion des Grundmaterials und seines Gefüges. Ein und derselbe Stahl - das
Grundmaterials - kann je nach Gefüge einen weiten plastischen Eigenschaftsbereich haben. |
 | Die Probe verformt sich, indem sich ganze Blöcke immer auf denselben Ebenen (nicht vergessen, daß "die"
Ebene (hkl) den kompletten Satz an entsprechenden Ebenen des Kristalls
meint!) gegeneinander verschieben (weil sehr viele Versetzungen auf derselben Ebene durchgelaufen sind). |
|  | Wir verstehen jetzt die früher schon postulierte "Stufenstruktur" der
Probenoberfläche. |
|  | Der Bereich der Spannungs- Dehnungskurve, in dem
plastische Verformung, sobald begonnen, sehr einfach verläuft, wird "Bereich I" genannt. Es ist der Bereich der Einfachgleitung. |
 | Es folgen die Bereiche II und
III, in denen die Probe abwechselnd "hart" und wieder "weich" wird, anschließend
bricht sie. |
|  | Was geschieht? Im Prinzip einfach zu verstehen. Mit zunehmender
Spannung wird gelegentlich die kritische Scherspannung in einem anderen, nicht so günstig orientierten
Gleitsystem erreicht. Versetzungen in diesem System laufen los und vermehren sich. |
|  | Wir haben jetzt Mehrfachgleitung. Mindesten zwei
Sorten von Versetzungen auf verschiedenen Ebenen müssen sich schneiden, gegenseitig durchdringen wie unten
gezeigt - und das ist schwer. |
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|  | Die Versetzungen behindern sich gegenseitig, sie sind nicht mehr
leicht beweglich. Die Abgleitung erfolgt jetzt auf mehreren Ebenen, dementsprechend kompliziert wird die
Oberflächenstruktur - das rechte Bild vermittelt einen Eindruck von Doppelgleitung im linken Teil. |
|  | Man muß die Spannung jetzt kräftig erhöhen, bevor die Versetzungen sich losreißen
können und die Verformung wieder mit wenig Spannungszuwachs weiter geht, d.h. der "weiche" Bereich
III erreicht wird. |
 | Die Probe wird lang und länger, und
selbstverständlich gleichzeitig dünner. |
|  | Das hat nichts mit der Querkontraktion im elastischen Bereich zu tun, sondern ist eine
schlichte Konsequenz aus der Tatsache, daß plastische Verformung das Volumen der Probe nicht ändern
kann. |
|  | Irgendwann wird die Probe brechen - der erste Hauptsatz der Materialwissenschaft ist unerbittlich. Dieser duktile Bruch verläuft aber nach anderen Kriterien als der bereits behandelte Sprödbruch. |
|  | Wir wollen ihn
aber hier nicht behandeln. Mehr dazu in diesem
Modul. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)