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Ein
Phasendiagramm eines
binären Systems (aus zwei
Teilchensorten bestehend) ist ein Temperatur -
Zusammensetzungs Diagramm, bei dem die Konzentration beider Atomsorten
(cA und cB, dargestellt in
Atom % oder Gewichts % (aufpassen!)) von 0 % bis 100 %
läuft. |
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Für jeden Punkt mit den Koordinaten
(cA,T) oder (100
cB,T) ist die Zusammensetzung, d.h. die
Phase
(oder die Phasen) angegeben. |
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Ein Phasendiagramm ist also eine
Art Landkarte im Kompositions -Temperatur
Raum. |
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Dabei muß man sich aber stets
vergegenwärtigen, daß Phasendiagramme ausschließlich Gleichgewichtszustände für das System
AB darstellen! Wir fragen also nicht mehr "Für wieviel
B in A ist A im GG mit etwas B, sondern nach
der kleinstmöglichen freien Enthalpie eines System (=GG) für
das die Zusammensetzung fest vorgeben ist. |
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Die schlechte Nachricht ist: Es gibt
keine einfachen Phasendiagramme! Selbst der
einfachste Fall zweier chemisch ähnlicher Substanzen, die gut mischbar
sind (d.h. HL(FA)
ist klein) - z.B. im Cu und
Ni oder Si und Ge System - führt zu einer Reihe von
neuen Eigenschaften, die wir in diesem Kapitel kennenlernen werden. |
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Es gibt aber auch keine einfachen Landkarten interessanter Landschaften. Man muß
außerhalb einer brettflachen Wüste schon etwas Mühe investieren
um die zugehörige Landkarte zu machen, obwohl im Prinzip klar ist was man
tut. |
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Die gute Nachricht ist nun: Eine Landkarte zu
lesen, zu verstehen was sie beschreibt, ist
viel einfacher als sie zu machen - man muß allerdings die Regeln kennen.
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Genauso ist es mit Phasendiagrammen.
Um einen Satz aus dem vorhergehenden
Kapitel sinngemäß zu wiederholen: |
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Es ist aber klar, wie
ein Phasendiagramm zustande kommt: Für jeden denkbaren Fall wird die freie
Enthalpie G berechnet; die Konfiguration mit dem kleinsten G bei
der betrachteten Temperatur gewinnt. |
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Werfen wir zunächst einen Blick
auf ein vergleichsweise sehr einfaches Phasendiagramm, das Cu - Ni Phasendiagramm, um einige
Eigenschaften und Konventionen kennen zu lernen: |
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Schauen wir zuerst auf die reine
Ni oder Cu Seite. |
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Das "Phasendiagramm" (im Grunde nur ein
senkrechter Strich) zeigt zwei Phasen: das
flüssige und das feste Metall (in einem fcc Gitter). Die
Phasenumwandlung findet am Schmelzpunkt statt (Ni: 1453 oC,
Cu: 1083 oC). |
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Hätten wir die Temperaturachse in Richtung
höhere Temperaturen weitergeführt, käme als dritte Phase der jeweilige Dampf dazu. |
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Das muß aber nicht immer so einfach sein.
Hätten wir Fe oder Co genommen, hätten wir innerhalb
der festen Phase weitere Phasenübergänge gefunden und eingetragen:
Die Temperaturen, bei denen eine
Umwandlung in einen
anderen Gittertyp stattfindet. |
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Schauen wir nun auf das komplette
Phasendiagramm: |
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Zunächst finden wir keine Linien, die in Anlehnung an das vorhergehende
Kapitel die Löslichkeit des atomaren Defekts Cu in Ni, oder
umgekehrt, angibt. Dies bedeutet, daß beide Atome unbegrenzt im jeweils
anderen Kristall lösbar sind, sie formen einen Mischkristall, (um genau zu sein, einen substitutionellen Austauschmischkristall). Das
muß so sein, wenn wir ein einfaches
Phasendiagramm haben möchten! |
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Wir finden nur zwei Linien, die verschiedene Phasen voneinander trennen:
Die "Liquiduslinie", kurz
Liquidus, oberhalb der nur eine flüssige
Phase existiert, und die "Soliduslinie", kurz Solidus, unterhalb der nur eine feste Phase
existiert. |
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Eine der oben angesprochenen Regeln ist nun: Die
flüssige Phase wird dabei immer mit einem "L", die
feste(n) Phase(n) immer mit einem griechischen Buchstaben (a, b, g,...) gekennzeichnet. |
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Was für eine Phase befindet sich
zwischen Liquidus und Solidus? Sie ist mit a +
L gekennzeichnet, muß also eine Mischung aus zwei Phasen, aus fest und flüssig
sein. |
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Das ist in der Tat so: Für Wertepaare von
Konzentrationen c und Temperatur T, die innerhalb
der vom Solidus und Liquidus geformten "Linse" liegen, wird ein
flüssig - fest Gemisch vorliegen -
allerdings nicht mit der beim Mischen von
Cu und Ni eingestellten Konzentration c!!! . |
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Wir können das dem Phasendiagramm aber nicht
ganz direkt ansehen, sondern brauchen dazu eine der Regeln, die man zur
Interpretation; zum "Lesen" von Phasendiagrammen benötigt. |
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Die Regel ist: Gebiete, in denen eine Mischphase ausgewiesen ist, setzen sich aus den
beiden Phasen zusammen, die man bei der betrachteten Temperatur auf der linken
und rechten Grenze zu einem Einphasengebiet findet. |
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Wir werden sofort sehen, daß
alle Zustandspunkte innerhalb der a + L "Linse" instabil sind, das System wird sich in zwei Teilsysteme zerlegen wie oben beschrieben. In
unserem Beispiel haben wir: |
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Eine flüssige Phase mit einer Konzentration die sich
aus dem Schnittpunkt der Liquiduslinie mit
der gewählten Isotherme
(=Linie konstanter Temperatur, auch Verbindungslinie genannt (engl. "tie
line")) ergibt. |
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Eine feste Phase mit einer Konzentration, die sich aus
dem Schnittpunkt der Isotherme mit der
Soliduslinie ergibt. |
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Um das besser zu verstehen
bemühen wir eine Graphik: |
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Der gelbe Kreis zeigt einen
Ausschnitt aus einem Phasendiagramm mit einer Liquidus- und Soliduslinie. Die
Zusammensetzung unseres Substanzgemisches sei durch c0
gegeben, die Temperatur durch die gezeigte Isotherme. Wir sind mit diesen
Parametern im a + L Bereich des
Phasendiagramms. |
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Vorliegen wird eine Mischung aus
einer festen Phase mit der Zusammensetzung
cS und einer
flüssigen Phase mit der Zusammensetzung
cL. |
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Wie sieht das nun aus? Darüber
sagt das Phasendiagramm direkt gar nichts -
aber wir können ja mal nachdenken. |
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Wir nehmen einen Behälter, einen
"Tiegel", in dem wir eine Mischung aus Cu und Ni
aufschmelzen. Für hohe Temperaturen ist alles flüssig; für tiefe
Temperaturen ist alles fest - wie das "aussieht" ist hinreichend
klar. Spannend ist nur der L + a Bereich. Was
können wir erwarten? |
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? Eher nicht |
? Eher nicht |
Das wird's sein!
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Werden kleine a-Bröckchen in der Flüssigkeit
herumschwimmen wie links gezeigt? Wohl kaum, denn das spezifische Gewicht der
festen Phase ist in der Regel höher als das der flüssigen Phase
(außer bei Wasser, Si und einigen wenigen anderen Exoten). |
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Wir erwarten dann zumindest, daß die
a-Bröckchen am Boden liegen, wie in der
Mitte gezeigt (oder wie die Eiswürfel im Wasser oben schwimmen). |
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Aber auch das ist nicht sehr realistisch, denn
die feste Phase wird sich zuerst dort bilden, wo es beim Abkühlen am
kältesten ist. Und das ist immer an der Wand des Tiegel - wo sonst?
Schließlich kann die Abkühlung nur "von außen"
kommen. Wir erwarten also, daß das ganze so aussieht wie rechts
außen gezeigt. |
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Wie groß der jeweilige Anteil der festen
und flüssigen Phase ist, und wie das Ganze weitergeht wenn man nun ein
bißchen weiter abkühlt, wird im nächsten Unterkapitel weiter
ausgeführt. Hier wollen wir uns erstmal um den Grund für dieses
Verhalten kümmern. |
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Damit haben wir das Phasendiagramm
und erste Auswirkungen beschrieben - mit
einer Menge von unbewiesenen Behauptungen.
Aber jetzt wollen wir zumindest qualitativ verstehen wie ein solches "einfaches"
Phasendiagramm zustandekommt. Die herausragende Eigenschaft ist offensichtlich,
daß in bestimmten Temperatur - Zusammensetzungsbereichen (innerhalb der
"Linse"), zwei Phasen im Gleichgewicht koexistieren. |
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Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß
eine einfache Phase, egal ob fest oder
flüssig, in diesem Bereich nicht
stabil ist. Die Behauptung ist dann, daß das Minimum der freien Enthalpie
mit nur einer Phase nicht erreichbar ist.
Falls wir das beweisen können, haben wir dieses einfache Phasendiagramm
"verstanden". |
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Wir schauen uns dazu die freien
Enthalpien der jeweiligen Phasen als Funktion der Zusammensetzung und
Temperatur an. Dies ist im nächsten Diagramm schematisch dargestellt |
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Betrachen wir die drei rein
schematischen Kurven. Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie sie wirklich
aussehen, die generellen Trends und die Schlußfolgerungen, die wir daraus
ziehen, sind immer richtig. |
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Die Enthalpie (oder, wer das lieber hat, die innere Energie U) wird von irgendeinem
Wert beim Ni zu irgendeinem Wert beim Cu verlaufen. Da die Atome
in dem Cu - Ni Mischkristall austauschbar sind, wird das ein relativ
monotoner Verlauf sein. |
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Die Entropie wird auf jeden Fall mit zunehmender
Konzentration von Ni in Cu und umgekehrt kräftig zunehmen,
denn wir bewegen uns von relativ perfekter Ordnung in Richtung große
Unordnung. Bei ca. 50 % wird die Entropie ein Maximum haben. Im Diagramm ist
TS dargestellt; diese Funktion hat dann ein Minimum. Man nennt diesen Beitrag zur Entropie einer
Phase die Mischungsentropie. |
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Die freie
Enthalpie ergibt sich aus der Addition beider Kurven; sie hat ein
Minimum, aber nicht mehr notwendigerweise in der Gegend von 50 %. |
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Diese Betrachtung gilt immer, sowohl
für die flüssige Phase als auch für die feste Phase. Das Minimum
in der freien Enthalpie wird aber bei kleineren Temperaturen nicht so
ausgeprägt sein und vor allem kann der genaue Verlauf der freien Enthalpie
in der flüssigen Phase anders sein als in der festen. |
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Im nächsten Schritt vergleichen
wir nun die freien Enthalpien der festen und flüssigen Phase, wobei wir
Verläufe unterstellen, die obiger Kurve ähneln. Wiederum ist der
genaue Verlauf aller Kurven nicht wichtig für die qualitativen Aussagen.
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Mehr ist nicht zu tun, dann wir
"wissen" bereits, daß die einzigen Phasen, die vorkommen, die
flüssige und die Mischkristallphase sind. Wenn wir von "first
principles" starten würden, müßten wir auch andere
prinzipiell mögliche Phasen betrachten. |
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Wir erhalten
folgendes Bild, mit aus Gründen der Klarheit stark verschiedenen
G(c) - Kurven |
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Bei hohen Temperaturen ist die freie Enthalpie des
Festkörpers für jede Zusammensetzung höher als die der
Flüßigkeit. Damit wird nur die flüssige Phase vorliegen. |
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Bei etwas tieferen Temperaturen ist für einige Konzentrationen die Flüßigkeit,
für alle anderen der Festkörper
die Phase mit der kleinsten freien Enthalpie. |
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Ein absolutes Minimum des gesamten Systems wird erhalten, wenn
sich das System in zwei Phasen aufspaltet,
mit Konzentrationen die aus der Tangentenregel
(siehe Graphik) resultieren |
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Bei weiter fallenden Temperaturen verschieben sich die
Konzentrationen in den beiden Gleichgewichtsphasen wie gezeigt. |
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Bei tieferen Temperaturen ist jetzt bei jeder Temperatur die
feste Phase begünstigt; es wird nur eine feste Phase vorliegen. |
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Im Zwei-Phasengebiet definieren die jeweiligen
Gleichgewichtskonzentrationen die Liquidus- und Soliduskurve; wir erhalten das
"einfache" Phasendiagramm von Cu und Ni. |
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Die Tangentenregel, oben graphisch dargestellt,
können wir mir Hilfe der
chemischen
Potentiale sofort verstehen. Da wir nur Änderungen der Teilchenzahl
betrachten gilt bei festen weiteren Parametern (z.B. die Temperatur) für
das Gleichgewicht |
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dGSystem = |
¶G
¶nflüssig |
· dnflüssig
+ |
¶G
¶nfest |
· dnfest |
= 0 |
und
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Die letzte Gleichung hält nur fest, dass die
Teilchen (hier immer die Summe von Ni und Cu oder, allgemeiner,
A und B) entweder in der flüssigen oder festen Phase - die
Gesamtzahl ist schlicht konstant. |
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In unserem einfachen Fall müssen
also die chemischen Potentiale gleichgroß sein, d.h. |
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Beide Steigungen bei der jeweiligen
Gleichgewichtskonzentration müssen gleich sein - das ist aber nichts als
die Tangentenregel. |
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Gibbsche
Phasenregel |
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Wir haben im Prinzip verstanden,
daß das Ni - Cu Phasendiagramm einphasige und zweiphasige Gebiete
enthalten muß, die durch Linien
getrennt werden. Da wir unter der Bedingung konstanten Drucks arbeiten (wir
haben Enthalpien benutzt!),
können wir im Prinzip die Temperatur
und die Zusammensetzung noch frei
wählen (z.B. als Konzentration von Ni in Cu). |
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Das funktioniert aber nur innerhalb eines einphasigen Gebiets in einem Phasendiagramm - in
unserem Beispiel unterhalb der Soliduslinie. Dort ist für jede Temperatur
und Konzentration eine Phase definiert, man sagt, das System hat
zwei
Freiheitsgrade. |
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In der Mischphase dagegen, zwischen der Solidus-
und Liquiduskurve, kann zwar die Temperatur
noch verschiedene Werte annehmen, aber nach erfolgter Wahl einer geeigneten
Temperatur sind die Konzentrationen der flüssigen und festen Phase
festgelegt und damit ist alles festgelegt. Das System (beschrieben durch die
Komposition c0) hat nur noch einen Freiheitsgrad. |
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Verallgemeinert ist unser System gekennzeichnet
durch 2 Komponenten C (hier Cu und Ni), die
Zahl der Phasen P die vorliegen und die Zahl F der
Freiheitsgrade, die noch möglich sind. |
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Der große amerikanische Physiker
Gibbs hat eine
außerordentlich wichtige Beziehung zwischen diesen Größen
abgeleitet, die Gibbsche Phasenregel. Sie
lautet (für konstanten Druck) |
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Damit verstehen wir, warum im System
Ni - Cu eine flüssige und eine feste Phase bei verschiedenen
Temperaturen koexistieren kann, während in dem uns wohlvertrauten System
Wasser - Eis nur bei einer bestimmten Temperatur - 0 oC - die
Flüßigkeit und der Festkörper im Gleichgewicht koexistieren
können. Vergleichen wir mal: |
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Wasser |
Cu - Ni |
C=1
es gibt nur die Komponente H2O |
C=2
wir haben Cuund Ni |
P=2
Flüssig und fest |
P=2
Flüssig und fest |
F=1 2 + 1=0 |
F=2 2 + 1=1 |
Es gibt keinen Freiheitsgrad mehr;
alle Werte sind festgelegt;
Koexistenz nur bei Tm=0oC |
Es gibt einen Freiheitgrad.
bei fester Konzentration ist T variabel;
und umgekehrt. |
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Damit gilt für jedes zweiphasige Gebiet in einem Phasendiagramm,
daß immer eine Aufspaltung in die zwei Phasen
stattfindet, die durch die Schnittpunkte einer Isotherme mit den
Trennungslinien links und rechts von dem Zweiphasengebiet definiert sind. |
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Die Phasenregel und ihre Anwendung auf
Phasendiagramme wird im Rückgrat 2
weiter verfolgt, wir wollen uns jetzt damit beschäftigen was passiert,
wenn wir eine Schmelze mit einem Phasendiagramm wie das Cu - Ni - System
bei gegebener Zusammensetzung abkühlen. |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)