 | Die simple Exponentialfunktion, wie sie
bei der Berechnung der Leerstellenkonzentration auftrat, wird uns in ähnlicher Form noch oft begegnen. Es lohnt
sich, einige Eigenschaften und Darstellungsarten kurz zu betrachten. |
|  | Zunächst soll die Formel genauer betrachtet
werden: |
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|  | Die wesentliche Variable ist die Temperatur T; die Bildungsenergie HF
ist dagegen ein Materialparameter; für einen gegebenen Kristall und
Leerstellensorte steht sie fest. |
|  | Mathematisch gesehen müssen wir also folgende Funktionen betrachten |
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y | = exp – | 1 T |
= | 1 exp (1/T) |
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|  | Wer
vergessen hat, wie Exponentialfunktionen aussehen und wie man damit
rechnet, tut gut daran, den entprechenden Basismodul zu konsultieren |
|  | Es ist unmittelbar klar, daß für gegebenes
H, y mit T exponentiell ansteigt und für
gegebenes T mit ansteigendem H exponentiell fällt.
Für T=¥ oder H=0 erhält man y=1,
oder, falls wir den etwas allgemeineren Fall y=A · exp – (H/T)
betrachten, den Vorfaktor A. |
|  | Im Link kann man mit diesen Funktionen etwas
"spielen", wobei realistische Werte für Bildungsenthalpien und Temperaturen verwendet werden. |
 | Jedenfalls wird die
Leerstellenkonzentration mit zunehmender Temperatur dramatisch ansteigen und mit abnehmender Temperatur stark
zurückgehen. Wir fragen uns natürlich, wo all die Leerstellen herkommen,
die bei höherer Temperatur für das Gleichgewicht benötigt werden, bzw. wohin sie verschwinden. |
|  | Das ist die Frage nach dem Weg ins Gleichgewicht, der Kinetik - sie wird uns in Kapitel 6 ausführlich beschäftigen. Hier akzeptieren wir erstmal,
dass der Kristall Mittel und Wege dazu kennt. |
|  | Was wir hier schon sehen können, ist daß die Leerstellen auf jeden Fall beweglich sein müssen - wenn sie nicht diffundieren
können, können sie auch nicht ihre Konzentration verändern. |
 | Die direkte graphische Darstellung der
Leerstellenkonzentration ist aber nicht sehr aufschlußreich - sie ist nur in einem kleinen Temperaturbereich
wesentlich von Null verschieden. |
|  | Falls man Leerstellenkonzentrationen experimentell mißt, und die (mit experimentellen Fehlern
behafteten) Meßpunkte direkt über die Temperatur aufträgt, wird man nicht leicht erkennen können,
ob die Meßpunkte einer exp - Funktion folgen. |
 | Es ist eine gute Praxis, die Darstellung von Meßpunkten so vorzunehmen, daß sie bezüglich
der relevanten Theorie auf einer Geraden liegen sollten. Wir können nicht nur
sehr leicht ohne Rechnung erkennen, ob eine Menge von Punkten eine Gerade definiert, wir können auch sehr leicht
die Ausgleichsgerade errechnen und damit die Meßpunkte quantitativ auswerten. |
|  | Man sollte aber bei der Wahl der Skalen nicht
übertreiben. Experimentatoren wissen, daß man jede Kurve zu einer Geraden verbiegen kann, wenn man die
Meßpunkte lange genug doppelt logarithmisch aufträgt. Was man alles durch Skalenänderungen machen kann ist im Link gezeigt. |
 | Für die Leerstellenkonzentration
cV=A · exp – (HF/kT) (mit A=
Vorfaktor » 1 um den allgemeinsten Fall zu haben) erhalten wir eine Gerade, wenn
wir folgende Substitutionen vornehmen. |
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y = | ln c |
(oder log c) | | | | x = | 1/kT | |
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|  | Damit erhalten wir die sog.
Arrhenius Darstellung der Leerstellenkonzentration als Geradengleichung. |
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|  | Die Steigung der Arrheniusgeraden enthält direkt die Bildungsenthalpie, der y - Achsenabschnitt für 1/kT=0, d.h.
für T=¥, den Vorfaktor A). Üblich ist die Auftragung als
log c, und nicht als ln c - die Konzentrationen sind dann direkt in den uns vertrauten
Zehnerpotenzen ablesbar. |
 | Wie das schematisch aussieht
ist in der Figur gezeigt |
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| Phasendiagrammdarstellung |
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 | Die abgeleiteten Formeln
gelten, wie schon angemerkt, im Prinzip
für jede Art von atomarer Fehlstelle, insbesondere auch für extrinsische Fehlstellen, also für Fremdatome. Man sollte sich aber sehr klar darüber sein, dass der Ausdruck
"im Prinzip" jetzt auch Fälle einschließt, die bei
intrinsishcen Fehlstellen zwar nicht verboten sind, aber in der Praxis nicht vorkommen. Insbesondere kann
passieren: |
|  | Die "Bildungenergie", oder besser Löslichkeitsenergie, kann auch sehr klein sein. Dann
bekommen wir schlicht sehr hohe Gleichgewichtskonzentrationen. |
|  | Die Löslichkeitsenergie kann sogar negativ sein. Das heißt schlicht, dass die Atome in einem gegebenen Elementkristall,
lieber ein fremdes Atom als Nachbarn haben, als ein Atom der eigenen Sorte. Unsere Gleichgewichtskonzentrationen
ergeben dann keinen Sinn mehr (wir haben die Näherung benutzt, dass die Konzentration der Defekte viel kleienr
ist als die der Kristallatome)- wir haben die schlichte Tatsache, dass jede Konzentration an Fremdatomen gelöst
werden kann. |
 | Darüberhinaus gibt es
einen weiteren großen Unterschied der extrinsischen zu den intrinsischen Fehlstellen: |
|  | Es gibt war für jede Temperatur eine definierte
Gleichgewichtskonzentration, die tatsächliche Konzentration ist aber ziemlich unveränderlich, da Fremdatome ja
nicht einfach entstehen oder verschwinden können - im Gegensatz zu
intrinsischen Fehlstellen. Trotzdem können wir auch extrinische Fremdatome in die entstehende Systematik
einbeziehen. |
 | Für die Darstellung der
Gleichgewichtskonzentration von substitutionellen oder interstitiellen Fremdatomen ist es jedoch vorteilhaft, die Konzentration direkt über die Temperatur aufzutragen; also nicht die Arrheniusdarstellung zu
wählen. |
|  | Außerdem wird
das Diagramm auch noch um 90o gedreht; wir erhalten dann die sogenannte Phasendiagramm Darstellung . |
|  | Das sieht dann zunächst so aus. |
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 | Betrachtet wird auch nur der
interessante Temperaturbereich; in dem Beispiel das Intervall zwischen Raumtemperatur
(Troom=TR) und dem Schmelzpunkt (Tm). |
|  | Die durchgezogenen blaue Kurve
gibt die Gleichgewichtskonzentration cFA(GG) irgendeines Fremdatoms in einer Matrix an, z.B.
Sn in Pb. Der exponentielle Verlauf der Gleichgewichtskonzentration
ist angedeutet. |
 | Im Gegensatz zu Leerstellen
und Zwischengitteratomen, können Fremdatome aber ihre Konzentration so gut wie nicht ändern - was drin ist
ist drin! Unser Stück Blei hat eine bestimmte "Dreck"konzentration von seiner Vorgeschichte her fest vorgegeben; sie kann sich beim Erhitzen oder Abkühlen eines Stück Bleis nicht
(wesentlich) ändern. |
|  | Die blau gestrichelte Linie zeigt deshalb die feste Konzentration
cFA(fix) des Fremdatoms. |
 | Wir können
sofort eine ganze Reihe von Schlüssen ziehen: |
 | 1.
Gleichgewicht kann für die gegebene
Konzentration nur bei einer einzigen Temperatur TS
vorliegen (oder auch gar nicht), bei dieser Temperatur, sagt man in diesem Fall, ist der Kristall bezüglich des
betrachteten Fremdatoms gesättigt. |
|  | Bei jeder anderen Temperatur ist der Kristall
bezüglich des betrachteten Fremdatoms entsprechend über- oder untersättigt
- die freie Enthalpie ist nicht im Minimum. |
 | 2. Die Gleichgewichtskonzentration oder, wie wir das jetzt nennen, die Löslichkeit nimmt generell für hohe Temperaturen stark zu. Dies bedeutet,
daß heiße Kristalle eine starke Tendenz zur Verschmutzung haben. |
|  | Wird z.B. ein extrem sauberer Si - Wafer kräftig
erwärmt (bei der Herstellung integrierter Schaltungen wird das oft vorkommen), werden viele Atome, die z.B.
über den Waferhalter in Kontakt zum Si kommen, in das Kristallgitter eingebaut weil das die freie Enthalpie erniedrigt! |
|  | Beim Abkühlen werden sie allerdings nicht wieder
verschwinden und dann eben übersättigt sein, Denn wohin sollen sie gehen: die Oberfläche ist weit, dort
werden allenfalls einige wenige verschwinden können. Und unser Si Wafer ist jetzt "dreckig". |
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3. Die freie Enthalpie ist also so gut wie
nie im möglichen absoluten Minimum bzgl. des betrachteten Fremdatoms. Es ist auch nicht realistisch
erreichbar, der Kristall kann jetzt nur noch die zweitbeste Lösung
anstreben: |
|  | Bei Untersättigung ist der Entropieanteil zu klein,
jede Änderung einer statistischen Verteilung würde ihn noch kleiner machen. Deshalb bleiben im
Untersättigungsbereich die Fremdatome i.d.R. atomar gelöst. |
|  | Im Übersättigungsbereich ist jedoch der Energieanteil zu
groß. Hier ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß eine andere Konfiguration, z.B.
die Bildung von Ausscheidungen der Fremdatome, eine insgesamt günstigere freie Enthalpie liefert als die
statistische Verteilung |
 | Wir erhalten beipielsweise folgenden
Konfigurationen |
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 | Gleichgewicht bezüglich des
Fremdatoms B in der Matrix mit Atomen der Sorte A liegt rechts oben vor (Hier wäre ¶G/¶n=0, d.h. jede Änderung der Zahl
der Fremdatome der Sorte B vergrößert die freie Enthalpie G des Systems). |
|  | Links oben ist das System untersättigt. Das System muß damit leben; es gibt keine
Möglichkeit ohne Hilfe von außen (d.h ein Fremdatomangebot) einen günstigeren Zustand zu
erreichen. |
|  | Links unten
ist das System übersättigt. Damit muß es aber nicht
leben, denn jetzt kann es was tun: Es bildet eine Ausscheidung; rechts unten gezeigt |
 | Rechts unten ist das
System bezüglich der atomar gelösten Fremdatome wieder im Gleichgewicht,
da es alle überschüssigen Fremdatome in einer Ausscheidung untergebracht
hat. Da das absolute Minimum der freien Enthalpie unter der Randbedingungen cFremdatome
=konstant nicht errreichbar ist, bleibt dem System nur dise zweitbeste
Lösung, ein metastabiles Gleichgewicht mit Ausscheidungen. |
|  | Allerdings haben wir im rechten Bild jetzt
eine Mischung von zwei Phasen: - Die Phase a,
bestehend aus einer GG-Lösung der Atome B in dem Wirtskristall
A.
- Die Phase b bestehend aus einer Ausscheidung gebildet aus B Atomen (und meist auch A-Atomen).
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 | Ob eine solche Mischphasen-Konfiguration, d.h. gleichzeitiges Vorliegen der a und b Phasen zur kleinstmöglichen freien Enthalpie
führt, ist nicht von vorne herein klar. Vielleicht wäre es insgesamt
günstiger, eine Übersättigung beizubehalten, oder Ausscheidungen in einer Mischform (einem Mischkristall), z.B. A2B3 oder
A3B4, zu formen. |
|  | Es ist klar was zu tun
ist, um entscheiden zu können was geschieht: Für jeden denkbaren Fall
wird die freie Enthalpie G berechnet; die Konfiguration mit dem kleinsten
G gewinnt. |
|  | Leider ist das leicht gesagt, aber schwer getan. Die Berechnung von freien Enthalpien ist nicht immer so
einfach wie bei Leerstellen, außerdem sind sich verschiedene Konfigurationen im Zahlenwert sehr ähnlich, so
daß man schon sehr genau rechnen muß, um entscheiden zu können, welche die kleinere freie Enthalpie
besitzt. Heutzutage gibt es aber Software, die das ganz gut beherrscht. |
 | Hier kommt aber immer noch das Experiment zum Tragen:
Welche von vielen möglichen Konfigurationen bei einer gegebenen Zusammensetzung und Temperatur vorliegt wird
experimentell bestimmt und in ein Phasendiagramm eingetragen, das nichts anderes
ist als die Erweiterung des obigen Bildes auf Konzentrationen des "Fremdatoms" von 0% bis
100%. |
 | Damit wollen wir uns im
nächsten Kapitel etwas genauer befassen. |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)