3.3 Wichtige Gitter und Kristalle

3.3.1 Die wichtigsten Gitter der Elementkristalle

Die Elemente des Periodensystems kondensieren alle bei genügend tiefer Temperatur (und beim He noch bei genügend hohem Druck) in feste Körper, und diese sind fast durchweg Kristalle. Ungefähr 95% aller Elementkristalle haben dabei einen der drei folgenden Gittertypen:
 
Kubisch-flächenzentriertes Bravaisgitter ,
abgekürzt fcc für "face centered cubic" oder, gelegentlich auf deutsch, kfz. Dieses Gitter besitzt eine dichteste Kugelpackung.
Mit einem Atom in der Basis, das dann auf den Ecken und Seitenmitten des Würfels sitzt, kristallieren z.B. Al, Ni, Cu, Pd, Ag, Pt, Au sowie alle Edelgase.
Mit zwei Atomen in der Basis, eines bei der Position (0,0,0) der Würfelecke, das andere dann bei (1/4, 1/4, 1/4), kristallisieren Si, Ge, C (als Diamant) und Sn unterhalb von 13 oC. Diese Kristallsorte hat einen eigenen Namen: Man spricht vom "Diamantgitter" – obwohl man eigentlich "Diamantstruktur" meint.
Etwa 30 % aller Elemente kristallisieren in einem fcc-Gitter.
Da wir das "Diamantgitter" bisher nicht behandelt haben, wollen wir uns diesen Kristall kurz anschauen. Zeichnet man Verbindungen zwischen den Atomen (hier rot), erkennt man sofort die typische Symmetrie der sp3-Hybridorbitalbindungen.
Bei den Elementkristallen sind natürlich alle unten gezeigten Kugeln Atome derselben Sorte. Wir bekommen denselben Kristalltyp aber auch bei vielen technisch wichtigen Halbleitern, wenn wir zum Beispiel die grünen oder blauen Kugeln als Ga oder In, und die jeweils anderen als As, P oder Sb betrachten.
Richtige Rohdiamanten sind im Link gezeigt.
fcc lattice fcc lattice Diamantgitter
fcc-Bravaisgitter
(blaue "Punkte")
fcc-Elementkristall
(blaue "Atome")
Kristall mit Diamantstruktur
(dunkelblaue und grüne "Atome")
Ein letztes Mal sei auf den Unterschied zwischen Gitter und Kristall hingewisen, der in symbolischen Zeichnungen oft verschwindet.
   
Wie immer symbolisieren die Kugeln Atome, aber mit viel zu kleinen Durchmessern. Würde man die Durchmesser maßstabsgetreu zeichnen, ist nicht mehr viel zu erkennen.
Die Zahlenwerte der Gitterkonstanten einiger Kristalle sind im Link gezeigt.
 
Kubisch-raumzentriertes Bravaisgitter,
abgekürzt bcc für "body centered cubic" oder, gelegentlich auf deutsch, krz.    
Mit einem Atom in der Basis, das dann auf den Ecken und im Zentrum des Würfels sitzt, kristallieren z.B. K, Rb, Cs, V, Nb, Ta, Cr, Mo und W.
Etwa 30 % aller Elemente kristallisieren in einem bcc-Gitter
bcc-Bravaisgitter
oder bcc-Elementkristall
Hexagonales Bravaisgitter und Hexagonal dichteste Kugelpackung,
abgekürzt hex bzw. hcp für "hexagonal close packed".
Die hexagonal dichteste Kugelpackung entsteht, wenn man ein hexagonales Bravais-Gitter mit einer Basis aus (mindestens) zwei gleichartigen Atomen kombiniert. Das erste Atom sitzt bei (0,0,0), das zweite bei (1/2, 1/4, 1/2); also auf halber c-Achsenhöhe im Zentrum eines Basisdreiecks. Es gibt also kein hexagonal dichtest gepacktes Gitter, sondern immer nur einen hexagonal dichtest gepackten Kristall.
Daß mit dieser Anordnung eine dichteste Kugelpackung entsteht, d.h. dass es keine Möglichkeit gibt, mehr (gleichgroße) Kugeln in ein gleichgroßes Volumen zu packen, werden wir weiter unten sehen.
Etwa 35 % aller Elemente kristallisieren in einem hcp-Kristall, darunter beispielsweise Mg, Re, Co, Zn, Cd, C (als Graphit), aber auch z.B. N bei tiefer Temperatur.
Da wir die hexagonal dichteste Kugelpackung bisher nicht behandelt haben, wollen wir uns jetzt einen auf derartigen Kristall kurz anschauen
Hexagonales Gitter (blaue "Punkte") und
hexagonal dichtest gepacktes Gitter (blaue und rote Atome)
Die beiden mit A gekennzeichneten Ebenen konstituieren das bekannte hexagonale Bravais-Gitter mit der hexagonalen Basisebene und der hexagonalen Achse in c-Richtung.
Die zusätzlichen Atome der 2er-Basis des hcp-Kristalls bilden die mit B gekennzeichnete Ebene. Ihre Anordnung ist identisch zu der einer A-Basisebene, sie sind nur lateral verschoben.
Man erkennt: Der hcp-Kristall kann auch gebildet werden, wenn man identische Atomebenen oder auch Kristallebenen – aber nicht Gitterebenen! – in einer bestimmten Stapelfolge aufeinanderpackt.
Dazu machen wir noch eine kleine Übung:
Übung 3.3-5
Hat Graphit eine hcp Struktur?
In diesen drei Gittertypen (oder Kristalltypen) kristallisieren ca. 95% der Elemente. Wir sehen auch, daß es zunehmend (sprachlich) schwer fällt, die saubere Unterscheidung zwischen Gitter und Kristall aufrechtzuerhalten, und wundern uns nicht mehr über gelegentliche Unsauberkeiten.
Je nach Element wird immer diejenige Kristallstruktur gewählt, die am besten zu den Bindungsverhältnissen paßt, d.h. die größte Energieabsenkung zur Folge hat.
Viele Elemente kommen aber in mehreren Kristallstrukturen vor - z.B. der Kohlenstoff, der, wie wir wissen, in der Regel als Graphit (hex-Gitter) und nur selten als Diamant (fcc-Gitter) vorliegt. Bei gegebenem Druck und Temperatur kann allerdings immer nur ein Gitter stabil, d.h. energetisch am günstigsten sein. Diamant ist bei Raumtemperatur und Normaldruck eigentlich nicht stabil sondern nur metastabil; glücklicherweise dauert aber die Umwandlung zum stabilen Graphit bei Raumtemperatur nahezu unendlich lange.
Bei anderen Elementen, oder ganz allgemein, bei beliebigen Kristallen, ist das aber nicht immer so.
Bei bestimmten Temperaturen und Drücken erfolgt eine spontane Umwandlung in ein anderes, bei diesen Zustandgrößen stabiles und nicht nur metastabiles Gitter.
Eisen (Fe), unser wichtigstes Metall, erstarrt unterhalb des Schmelzpunktes von 1536 oC in ein bcc-Gitter, das sich aber unterhalb von 1402 oC in ein fcc-Gitter umwandelt. Unterhalb von 723 oC nimmt es wieder die bcc-Gitterstruktur an. In unserem Periodensystem sind diese möglichen Modifikationen eingetragen.
Das ist hier noch ein bißchen rätselhaft: Eigentlich kann nur ein Gittertyp bei gegebenen Bindungspotentialen die kleinstmögliche Energie haben. Wie schon zuvor bemerkt, laufen wir mit dem Prinzip der Minimierung der Energie in Probleme, die sich erst im Kapitel 5 lösen werden.
Wir können am Beispiel dieser einfachen Gitter noch einige allgemeine Größen und Zusammenhänge definieren bzw. aufzeigen, die wichtig sind und oft vorkommen.
Die Koordinationszahl KZ gibt die Zahl der nächsten Nachbarn an.
Die Beziehung zwischen den Gitterkonstanten und den Atom- (oder Ionen-)Durchmessern. Dazu müssen wir wissen, in welcher Gitterrichtung sich die Atome berühren, was wiederum aus der Geometrie folgt.
Die Zahl der Gitterpunkte in einer (Bravais)- Elementarzelle.
Die Packungsdichte PD ist dann das Verhältnis zwischen dem in einer Elementarzelle enthaltenen Volumen der Atome (immer als Kugeln gedacht; nur Teile der Kugel mögen zählen) und dem Volumen der Elementarzelle. Damit ist dann auch die Dichte berechenbar.
Schauen wir uns das erstmal für die obigen Kristalle an. Einige der verwendeten Zahlen und Beziehungen ergeben sich aus der nachfolgenden Übung.
Gittertyp kub.-flächenzentriertfcc kub.-raumzentriertbcc hcp
Basis-
vektoren
a = b = c = Gitterkonstante
4r
21/2
mit r = Atomradius
a = b = c = Gitterkonstante
4r
31/2
mit r = Atomradius
a = b
c/a = 1,633
KZ 12 8 12
Atome
pro EZ
4
(8 Eckpunkte zu 1/8;
6 Flächenpunkte zu 1/2, d.h.
8 · 1/8 + 6 · 1/2 = 4
2
(8 · 1/8 + 1 · 1 = 2)
2
(8 · 1/8 + 1 · 1 = 2)
Für 1-atomige Basis
PD
4 · 4/3pr3
3a3
 =  0,74
(für 1-atomige Basis)
0,68

(für 1-atomige Basis)
0,74
Aus Packungsdichte, Gitterkonstante und Atomgewicht folgt natürlich sofort das spezifische Gewicht des Kristalls.
Wir müssen üben!
Übung 3.3-1
Ein bißchen Geometrie zu den wichtigen Gittern
Fragebogen
Multiple Choice Fragen zu 3.3.1

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)