| Die amorphe Struktur zeigt deutlich
weniger Raumerfüllung - die Zahl der Atome pro cm2 ist
geringer als in der kristallinen Struktur, im Kristall. Dies gilt auch im
Dreidimensionalen. Die größte Dichte von Kugeln pro cm3; die sogenannte dichteste Kugelpackung, ist nur im kristallinen Zustand erreichbar. |
|  | Dieses Theorem ist gar nicht so einfach streng mathematisch zu beweisen; es leuchtet jedoch sofort ein, wenn man selbst Bilder wie
das oben gezeigte malt. |
|  | Nur im kristallinem Aufbau sind maximale
Bindungsstärken und damit maximale Absenkungen der Gesamtenergie möglich, denn nur dann berühren sich
möglichst viele Kugeln im Bindungsabstand r0. Das Bild des amorphen Zustands ist nur
zeichenbar, wenn man immer wieder den Abstand zwischen zwei Kugeln größer als r0
zeichnet, d.h. die Kugeln sich nicht berühren läßt. |
 | Das Prinzip der Minimierung der Gesamtenergie sagt uns damit unzweideutig,
daß zumindest alle Elemente mit überwiegend ungerichteter Metallbindung
als Kristalle vorliegen sollten. |
|  | Für die Ionenbindung muß dies ebenso gelten, wir erhalten Ionenkristalle zumindest für nur zwei Atomsorten. |
|  | Bei kovalenten Bindungen ist Vorsicht geboten; da hier auch ein- und zweidimensionale Bindungstypen vorliegen können und damit
Aussagen über dreidimensionale Anordnungen nicht ohne weiteres möglich sind. |
 | Diese grundsätzlichen Überlegungen gelten auch dann noch, wenn wir statt Kugeln (= Atome) etwas
komplexere Baublöcke nehmen, z.B. einfache Moleküle. |
|  | Bergkristall,
also kristallines SiO2, kommt beispielsweise kristallin oder amorph vor. In der vereinfachten
zweidimensionalen Darstellung sieht das etwa so aus: |
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| Die kristalline Struktur hat deutlich
erkennbar die höhere Packungsdichte. Das ist damit auch die beste Struktur für die perfekte Substanz, den
vollständig perfekten und reinen Bergkristall. |
|  | Der amorphe Quarz bietet aber weiteren Fremdatomen, z.B.
Na, K, Ca, B, ..., viel Platz in den großen Zwischenräumen der amorphen
Struktur. Für reale und i.d.R. "dreckige" Materialien mag dies ein Vorteil sein. |
|  | Baut man Na oder andere Verunreinigungsatome in nennenswerten Mengen in SiO2 ein,
erhält man amorphes Fensterglas, ein sehr nützliches Material. |
 | Wenn wir und jetzt mal vom Hyperscript lösen und die real existierende Welt anschauen,
dann müssen wir aus den bisher gesagten zwingend folgende Schlüsse ziehen: |
|  | Alle halbwegs homogene Materialien sollten einen kristallinen Aufbau haben. Insbesondere alle Metalle,
alle einfachen Keramiken, aber auch etwas komplizierteren Mineralien ("Steine"). |
|  | Sehr "dreckiges" Zeug, wie das oben besprochene Fensterglas, oder sehr unordentliche-inhomogene
Materialien wir z.B. Sie oder schlicht ein Großteil der "Biologie", wird eher nichtkristallin
vorkommen. |
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 | Das mag für Diese oder Jenen verblüffend
sein - mit Kristallen assoziiert man ja häufig doch eher das nebenstehende Gebilde, das mit seinen
unzähligen Artgenossen in jedem Flughafenladen dieser Welt (und auch sonst überall wo der Mensch seinen
Kitsch erwirbt) unter dem Schlagwort "Kristall" zu finden ist. | |
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|  | Ironischerweise ist das nun gerade kein Kristall, sondern schlichtes amorphes Glas. | |
|  | Das ist aber kein Vorwurf an die
Fa. Swarovski, denn sie übernahm ja nur die British Upper Class Tradition, die unter "Crystal" oder "Crystalware" ihre edlen Wein- und sonstige
Gläser aus Blei"kristall" bezeichnet. | |
|  | Und wie man sieht, heißt auch auf Deutsch amorphes Glas
gelegentlich Kristall. | |
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 | Mein lieber Schwan! Aber was
assoziiert man (und frau) denn sonst noch mit
"Kristallen"? |
|  | Was jedermann (und speziell jederfrau) mit Sicherheit
sonst noch einfällt sind die Edelsteine und die
"Kristalle" der Mineraliensammlungen. |
|  | Das ist auch weitgehend in
Ordnung. Die meisten Edelsteine und Mineralien sind Kristalle, für die Ausnahmen siehe den Link. |
 | Was aber fast niemand einfällt, ist ein Stück Eisen, die Fliese an der Wand, oder Kupferleitung
in der Wand. |
 | So langsam kommt die Erleuchtung: Man assoziiert
hier jedesmal sichtbar große ("geschliffene") geometrische Formen, und das sind im Zweifel Einkristalle. |
|  | Oder aber künstliche
geschliffene amorphe Gläser. Für sich allein genommen ist eine geometrische äußere Form eines
Materials kein verläßliches Indiz für einen (Ein)kristall; genausowenig wie eine beliebige Form
amorphe Struktur signalisiert. |
 | Das ist natürlich die ideale Welt (wir sind hier im Kapitel "Perfekte" Kristalle). In der realen Welt wird die
radiale Verteilungsfunktion gemessen, und was sich ergibt kann irgendetwas zwischen
ideal kristallin und ideal amorph sein. |
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 | Der Link zeigt ein Beispiel
dazu aus ganz aktueller (Nov. 2001) Forschung. |
 | Das Schlüsselwort ist Symmetrie. Es bedeutet, daß sich
Eigenschaften eines Systems unter bestimmten Operationen nicht ändern. Für den kristallinen Aufbau, soweit
wir ihn bereits kennen, herrscht offensichtlich Translationssymmetrie. |
|  | Translationsymmetrie heißt: Ein Kristall
"ändert" sich nicht, wenn alle Atome um bestimmte Werte
x0, y0, z0 verschoben wird. In anderen Worten, es ist egal
wo wir den Ursprung eines Koordinatensystems hinlegen, solange er an einem "Symmetriepunkt" sitzt.
"Egal" heißt dabei, daß man in keiner Eigenschaft einen Unterschied "sieht",
unabhängig davon in welchem der mögliche Ursprünge man sitzt. (Wir behandeln hier natürlich den
mathematischen Idealfall des unendlich ausgedehnten Kristalls ohne Oberflächen). |
|  | Ein Kristall ändert sich möglicherweise
auch nicht - für unsere zweidimensionale Kristalle ist das sofort nachvollziehbar - wenn man ihn um bestimmte
Winkel dreht, an bestimmten Ebenen spiegelt
oder relativ zu einem gegebenen Punkt invertiert (d.h. alle Vektoren
r vom Aufpunkt aus zu einem Atom durch – r ersetzt). |
|  | Wir erwarten damit noch weitere Symmetrien: Rotationssymmetrie, Spiegelsymmetrie, Inversionssymmetrie. |
 | Damit sind
Kristallstrukturen mathematisch erfaßbar. Das Vorgehen dabei ist wie folgt: |
|  | Zuerst betrachten wir eine rein mathematische Konstruktion: Das Punktgitter oder kurz
Gitter. In ihm sind mathematische Punkte so angeordnet,
daß sie zumindest eine Translationssymmetrie besitzen. Das Punktgitter ist ein mathematisches Objekt und damit
kein Kristall; denn ein Kristall ist ein physikalisches Objekt, er bedarf der
Atome! |
|  | Vom Punktgitter zum Kristall kommt man,
indem jedem Punkt des Punktgitters ein Baustein des Kristall zugeordnet wird, die
sogenannte Basis. Das kann ein einziges Atom sein, aber auch Verbände oder
Moleküle von hunderten von Atomen. |
 | Damit folgt eine sehr
wichtige Definition: |
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Kristall = Gitter + Basis |
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 | Diese Definition ist einerseits eine
Trivialität, anderseits wird sie immer wieder gerne vergessen. Wenn man z.B. danach fragt, wieviel Atome pro cm2 auf einer Kristallebene sitzen (was eine Kristallebene ist
werden wir gleich sehen), und dabei Atome mit den Punkten des Punktgitters verwechselt, kann das Ergebnis sehr falsch sein! |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)