Wahrscheinlichkeitsdichte und Verteilungsfunktion

Die absolute Wahrscheinlichkeit w, ein Elektron in einem differentiell kleinen Volumen dV zu finden ist .
w  =  y · y* · dV
Dabei ist w immer eine reelle Zahl zwischen 0 und 1.
Die Zahl die man erhält wenn man y·y* mit dem differentiellen Volumen dV = dxdydz multipliziert, geht natürlich gegen 0 für dV gegen Null.
Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron an einem konkreten Punkt (mit Ausdehnung 0) zu finden ist deshalb immer 0 - und das ist nicht sehr hilfreich.
Dividiert man w durch dV erhält man y·y*; dies ist dann eine Dichte, nämlich die Wahrscheinlichkeitsdichte am Punkt (x, y, z).
Diese Zahl kann beliebige Werte annehmen, sie kann insbesondere auch > 1 sein (was eine absolute Wahrscheinlichkeit nicht darf).
Die Wahrscheinlichkeitsdichte y·y* für s - Elektronen ist nun offenbar im Atomkern, d.h. bei r = 0 am höchsten.
Aber so paradox das auch klingen mag: Das sagt aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wo man ein Elektron bei einem gegebenen Experiment am ehesten finden wird.
Sucht man in einem dV um einen gegebenen Punkt (x,y,z), ist es tatsächlich umso wahrscheinlicher ein Elektron zu finden, je näher man dem Kern kommt. Denn in diesem Fall ist y·y* mit dV = dxdydz = const zu multiplizieren.
Das ist jedoch kein sinnvolles Suchkriterium beim Vorliegen einer Radialsymmetrie, d.h. wenn y nur eine Funktion des Abstands r ist.
Sinnvoller ist dann die Frage: Wie groß die Wahrscheinlichkeit W(r), das Elektron irgendwo im Abstand r, oder genauer gesagt, in der Kugelschale zwischen r und r + dr zu finden.
Dazu ist y(r) ·y(r)* mit dem (differentiellen) Volumen dieser Kugelschale zu multiplizieren.
Dieses Volumen dV(r) ist gegeben durch die Oberfläche der Kugel bei r , multipliziert mit der (differentiell kleinen) Höhe dr; wir haben
dV(r)  =  4p · r2 · dr
Um W(r) zu erhalten müssen wir also die Wahrscheinlichkeitsdichte y · y* mit 4p · r2 · dr multiplizieren. Wir erhalten zunächst W(r = 0) = 0, und bei genauerem Überlegen eine Funktion, die bei einem bestimmten r ein Maximum hat und im Atomkern Null ist - also ein komplett verschiedenes Ergebnis.
Die Funktion W(r) heißt radiale Verteilungsfunktion. Der Ort des Maximums entspricht dann genau dem Bohrschen Radius r0
Ähnliche Betrachtungen gelten für alle Fälle, in denen radialsymmetrische Strukturen vorliegen.
Bei amorphen Körpern ist z.B. die Wahrscheinlichkeit, ein Atom im Abstand r von einem gewählten Ursprung zu finden, in alle Raumrichtungen gleich (dies ist die Definition von "Amorph").
Die exakt gleiche Thematik wird uns beim Grundphänomen der Diffusion wieder beschäftigen.
Zur mentalen Gymnastik dazu stellen wir uns mal folgende einfache Frage: Wir betrachten eine Folge von Volltrunkenen, die aus einer bei x,y = 0 gelegenen Kneipe heraustorkeln und eine Zufallsbewegung (random walk) ausführen. Jeder Schritt ist 50 cm lang und führt mit gleicher Wahrscheinlichkeit nach vorne, hinten, links und rechts (wir haben (zweidimensionale) Radialsymmetrie).
Wir lassen eine große Zahl von Betrunkenen "laufen" und messen die Verteilung nach 100 Schritten, d.h. wir fragen nach der Wahrscheinlichkeit, bei (x,y) einen Betrunkenen zu finden.
Alternativ fragen wir nach der Wahrscheinlichkeit, im Abstand r von der Kneipe einen Betrunkenen zu finden. Die Antwort, die zu einer der wichtigsten Formeln der Materialwissenschaft führt, paßt genau in das obige Schema.
 

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gehe zu 2.1.4 Loesung der Schroedingergleichung fuer das Wasserstoff Atom

gehe zu 3.1.1 Allgemeines zu Kristallen und amorphen Festkoerpern

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)