| Die Schrödingergleichung für
das Wasserstoffatom zu lösen ist nicht ganz einfach, aber auch nichts
besonderes. Auszurechnen was passiert, wenn man in eine Flöte bläst, ist erheblich komplizierter. |
|  | Aber man muß doch tief
in die Systematik der Lösung von partiellen Differentialgleichungen eintauchen, Kugelkoordinaten bemühen;
Reihenentwicklungen vornehmen - eben das Instrumentarium der höheren Mathematik anwenden. Das braucht erheblichen
Platz für lange Formeln, und erheblichen Zeitaufwand um die Lösungsermittlung abzuspulen. Wir wollen das
hier nicht tun; ein Kurzabriß der Lösung findet sich in
einem "advanced" Modul (siehe auch Quantenmechanik Skript). |
 | Was aus der "mathematischen Übung" herauskommt (es wird so gut wie
keine Physik mehr benötigt!), sind vollständige Lösungen der Gleichung |
| |
– | 2 2m | æ ç è | ¶2y(x,y,z) ¶x2 | + | ¶2y(x,y,z) ¶y2 | + | ¶2y(x,y,z) ¶z2 | ö ÷
ø | + | æ ç
è | e2 4pe0r | – E |
ö ÷ ø | · y(x,y,z) = 0 |
mit r = (x2 + y2 +
z2)1/2 |
|
|  | Und nur auf die
Lösungen yn,l,m,s(x,y,z) wollen wir uns jetzt
konzentrieren. |
|  | Wir betrachten zunächst die einfachsten Wellenfunktionen, man
erhält sie für die "s-Zustände", d.h. für die
Kombinationen n = 1,2,3,.. und l = s, d.h. l = 0 für alle n. Die magnetische
Quantenzahl m ist dann automatisch auch = 0. |
 | Die
entsprechende Lösung ist kugelsymmetrisch, d.h. ihr Wert ist nur vom Abstand
r des Punktes (x,y,z) vom Nullpunkt abhängig. Die zugehörigen Energien
E sind exakt die Energien aus dem Bohrschen Atommodell! |
|  | Wir erhalten folgende
Funktionen, denen gemeinsam ist, daß sie mit wachsendem r gegen Null streben. |
| |
| Radialwellenfunktionen y von Wasserstoff für n =
1, 2, 3. Die r - Skala gilt für alle Graphiken; in was für Einheiten y aufgetragen ist spielt hier noch keine Rolle. |
|
| Wenn wir nun die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für ein Elektron in einem Volumenelement dV
graphisch darstellen, also y·y* multipliziert mit dem
differentiellen Volumen dxdydz, erhalten wir für die s-Zustände, also für alle Lösungen der Schrödingergleichung für
die l = 0 ist, ebenfalls radialsymmetrische Funktionen. |
|  | Radialsymmetrisch heißt, daß
der Wert von y nur von r abhängt, und damit nur vom Wert des
Potentials am Abstand r vom Atomkern. |
|  | Es empfiehlt sich dann natürlich, nicht nach der
Wahrscheinlichkeit zu fragen, das Elektron in einem Würfelchen mit
Kantenlänge dx zu finden, sondern nach der Wahrscheinlichkeit,
es in der Kugelschale zwischen den Radien r und r +
dr, also in einem bestimmten Abstandsintervall, zu finden. Wegen der Radialsymmetrie ist das unabhängig vom genauen Ort auf der Kugelschale. |
|  | Damit wird das Volumenelement dV proportional zu
r2dr (genau ist es 4pr2dr)
und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in diesem dV ist proportional zu y
· y* · r2 · dr. |
 | In einer dreidimensionalen Darstellung ist das "s-Elektron", das durch diese Wellenfunktionen beschrieben wird, radialsymmetrisch um
den Nullpunkt, d.h. den Ort des Atomkerns "verschmiert". |
|  | Dieses "Verschmieren" ist aber nicht als eine Art
zeitlicher Mittelwert zu sehen, den wir bemühen weil wir nicht schnell genug hinschauen (so ähnlich wie ein
"verschmierter" Propeller beim Flugzeug), sondern das Elektron ist diese
"Verschmierungswolke", oder, um endlich einen Namen ohne Anführungszeichen zu haben, das Elektron
ist das s - Orbital, falls es sich in diesem Zustand
befindet. |
|  | Auch den Lateinern sei gesagt: Obwohl in
diesem Wort noch die "Umkreisung" des alten Bohrschen Planetenmodells steckt, hat die lateinische Wurzel
hier ihre Bedeutung verloren. Nichts kreist mehr. |
|  | Das Elektron ist mit gleicher Wahrscheinlichkeit (zu jeder Zeit) an jedem Punkt zu finden, der den Abstand
r vom Ursprung hat. Dicht am Ursprung, oder weit weg, ist die Wahrscheinlichkeit beliebig klein, sie ist
am größten (aber keinesfalls = 1) bei einem bestimmten Radius r0, wie es aus
obiger Figur hervorgeht. |
 | Was bedeutet:
"Wahrscheinlichkeit, das Elektron zu finden"? |
|
 | Es bedeutet, daß nur das Eingreifen von
außen, eine Messung mit einem geeigneten Gerät, durchgeführt von einem "Beobachter", eine eindeutige Aussage darüber machen kann, wo die durchgeführte Messung das Elektron gefunden hat. |
|  | Für diese
Messung (und nur für diese) ist der Ort, an dem das Elektron war,
dann präzise bekannt. Wiederholt man die Messung mit exakt denselbem
Ausgangsbedingungen, findet man einen anderen Ort. |
|  | Das ist zwar in der Wirkung so ähnlich wie beim Würfeln,
aber es ist vom Prinzip her total anders! Würde man ein Würfelexperiment mit exakt
denselbem Ausgangsbedingungen wiederholen, würde man exakt dieselbe Zahl würfeln! Die
"Statistik" beim Würfeln kommt vom "Nicht wissen", sie ist nicht ein integraler Teil des Systems. |
 | Wiederholt man die Messung oft und zeichnet die gefundenen Positionen (zur Vereinfachung nur
zweidimensional) in ein Koordinatensystem ein, erhält man für ein "s"-Elektron folgende
Bilder: |
| |
 |  |  |
"Experimentelle" Darstellung der s - Orbitale. Hier wurde ein Experiment
durchgeführt (per Simulation im Computer): Mit einer geeigneten Anordung wird der exakte Ort eines Elektrons
"gemessen". Der gefundene Ort wird als Punkt in ein x,y,z - Koordinatenkreuz eingetragen.
Danach wird das Experiment wiederholt, der jetzt gefundene Punkt eingetragen, usw. Die entstehende Punktwolke gibt
dann einen unmittelbaren visuellen Eindruck über die Wahrscheinlichkeit, das Elektron bei der Koordinate
x,y,z zu finden. |
|
 | Alle s-Orbitale sehen ähnlich aus, sie haben jedoch
verschiedene räumliche Ausdehnungen und verschiedene Energien E. Für n = 1 ist
das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit näher am Atomkern zu finden als für
größere n; es hat überdies die kleinste Energie (d.h.
die betragsmäßig größte negative Zahl), d.h. ist am stärksten an den Kern gebunden. Für größere Hauptquantenzahlen ist es
"weiter weg" und schwächer gebunden. |
 | Das Bild gibt exakt die Wahrscheinlichkeiten wieder, die man mit der
Schrödingergleichung ausgerechnet hat. Und mehr als Wahrscheinlichkeiten kann man nicht
ausrechnen. In der Quantentheorie gibt es nur noch Gewißheit
bezüglich der (direkt nicht meßbaren) Wellenfunktion, aber nicht mehr bei den beobachtbaren (d.h. direkt
meßbaren) Größen! |
|  | Diese Tatsache hat bis heute zu ungelösten philosophischen Fragen über das Wesen der
Quantentheorie geführt. Die tiefste Frage ist vielleicht aber, um mit Steven Weinberg zu sprechen, ob all diese "tiefen" philosophischen Fragen in Wahrheit
vielleicht völlig bedeutungslos sind, und uns nur durch unsere Sprache, die in einer "klassischen" Welt evolutionär entstand,
suggeriert werden! |
 | Da aber noch nie, seit mit der
Quantenmechanik gerechnet wird, irgendetwas falsch herausgekommen ist, d.h.
irgendetwas in einem Experiment anders gemessen wurde als vor- oder nachher berechnet, brauchen wir uns um die "Bedeutung" der Quantenmechanik nicht weiter zu kümmern, falls wir
"nur" verstehen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält, wie ein Transistor funktioniert,oder
warum Glas bricht, wenn man mit dem Hammer draufhaut, Gummi aber nicht. |
|  | Trotzdem gehört es zur Allgemeinbildung -
wenigstens in der naturwissenschaftlich-technischen Welt - ein Minimum an Einblick in die metaphysischen, d.h.
philosophischen Fragen nach der Bedeutung der Quantenmechanik zu besitzen. Ein Schlagwort wie "Schrödingers
Katze" sollte zumindest so weit bekannt sein, daß man es den ungelösten (philosophischen) Paradoxa
der Quantentheorie zuordnen kann. Die aufgeführten Bücher zur
Quantentheorie geben dazu reichlich Material. |
|  | Aber nochmals soll betont werden: Wie auch immer diese Fragen
beantwortet (oder neuformuliert) werden; sie sind für die Ausübung der Materialwissenschaft nicht wichtig. Solarzellen, Chips, Farbfernseher, Flugzeugturbinen, Laser, Lambdasonden usw.
- alles Produkte der Quantentheorie - funktionieren unabhängig davon, wie man zur "Philosophie" der
Quantentheorie steht. |
 | Ein Bild sagt mehr als 1.000
Worte. Eine sichtbare Lösung einer komplizierten Gleichung überzeugt uns doch mehr als die mathematische
Formel. |
|  | Kann man Wellenfunktionen sehen? Nein -
wie soll den was komplexes aussehen? Aber y(x,y,z) · y*(x,y,z) kann man seit wenigen Jahren sehen - wie, steht im Link. |
| |
| Als nächstes sind die d-Orbitale zu betrachten. Wir brauchen mindestens die Hauptquantenzahl n =
3, damit die Nebenquantenzahl den Wert l = 2 annehmen kann. |
 | In der jetzt (hoffentlich) vertrauten y Darstellung ergibt sich
folgendes Bild: |
| |
| Darstellung der Maxima von y
für die l = 2 oder d - Orbitale. Beim Übergang
zu Aufenthaltswahrscheinlichkeiten gibt es wieder Verzerrungen, doch bleibt die
Symmetrie erhalten. |
|
 | Das sieht alles ganz kompliziert aus.
Ist es auch - aber, wie schon bemerkt, es ist nicht komplizierter als eine Darstellung der Schwingungsbäuche oder
-knoten derLuft in einer Okinara, einem Cello oder sonst einem Musiklinstrument. |
|  | Es ist sogar einfacher, da wir hier perfekte Kugelsymmetrie haben,
was in einem Musikinstrumente nicht gegeben ist. |
|  | Im
Zweidimensionalen kennen wir das alles. Betrachten wir die Schwingungsmoden einer eingespannten Membran (z.B einer
Trommel), erhalten wir experimentell die altbekannten Chladnischen
Klangfiguren; im Link zu sehen. |
|  | Auch wenn wir das nicht so ganz leicht ausrechnen können: Das
Experiment zeigt sehr einfach, dass 1. (viele) Lösungen existieren, 2. darunter komplexe Figuren
sind, die mathematisch nicht ganz einfach dargestellt werden können, und 3. Die Trommelmembran (im
Gegensatz zu uns) aber keine Probleme hat, die entsprechende Differentialgleichung zu lösen. |
 | Eine Frage drängt sich jetzt vielleicht auf: Kann man all diese schönen berechneten Orbitale und Wellenfunktionen auch irgendwie direkt sehen? Mit einem
Elektronenmikroskop oder sowas ähnliches? |
|  | Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort, aber ganz vorsichtig und mit Einschränkungen kann
man ein leises "Ja" sagen. Mehr dazu in einem eigenen
Modul. |
| | |
| Es wird langsam kompliziert. Deshalb
hören wir hier auf, denn für unsere Zwecke müssen wir die möglichen Orbitale nicht im Detail
verstehen; wer will kann sich das im Link genauer anschauen. Wir
fragen uns lieber, was die magnetische Quantenzahl m und die
Spinquantenzahl s noch
bewirken. |
 | Einfach ist die Spinquantenzahl
s. Sie bewirkt - soweit es uns an dieser Stelle interessiert - noch gar nichts. Jede Lösung der
Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom ist eine Lösung für ein Elektron mit Spin +1/2
und eine Lösung für ein Elektron mit Spin –1/2. Die Energie
ist (ohne Magnetfelder) immer entartet, d.h. für jeden der beiden
möglichen Spins gleich groß. |
|  | Aber bitte jetzt nicht denken, der Spin ist unwichtig! Er ist - unter anderem- verantwortlich für so
wichtige Materialeigenschaften wie Magnetismus! |
|  | Außerdem ist die schlichte Tatsache, daß
der Spin der Elektronen halbzahlig ist, letzlich dafür verantwortlich,
daß es überhaupt Atome gibt - wir werden das gleich sehen. |
 |
Ähnliches gilt für die magnetische Quantenzahl m. Sie
ändert zwar, wie man oben sieht, die Form der Orbitale; die Energie ist jedoch beim Wasserstoffatom bezüglich m ebenfalls entartet, d.h. alle möglichen
Zustände mit verschiedenen l und m haben dieselbe
Energie. |
 | Wir haben ein wichtiges Wort nebenbei
eingeführt: Den Zustand des Elektrons. Der Zustand beschreibt die eine spezifische Lösung von
den vielen möglichen, die beim betrachteten Elektron greift. Der Zustand eines
Elektrons im Wasserstoffatom ist durch die 4 Quantenzahlen hinreichend beschrieben. |
| Fassen wir zusammen, was wir für das Wasserstoffatom gelernt haben: |
| |
Es gibt schon für ein Elektron (und ein Proton) viele Lösungen der Schrödingergleichung. Die
Lösungen werden durch einen Satz von 4 Quantenzahlen (n, l, m, s) charakterisiert, zu jedem
Satz gehört eine bestimmte Gesamtenergie und eine bestimmte Orbitalform. Die Orbitalform ist durch n, l und m gegeben; sie gibt an,
wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, das Elektron in einem gegebenen Raumsegment zu
finden. Beim Wasserstoffatom sind die Energien bezüglich l, m, s entartet; d.h. werden nur durch n bestimmt. Sie sind
identisch mit den Energiewerten aus dem Bohrschen Modell. |
|
| Welchen Zustand hat oder
"besetzt" nun das Elektron, oder, präziser gefragt, welche der mögliche
Lösungen "sucht es sich aus"? |
|  | Ganz auf sich gestellt, wird es immer den Zustand mit
der kleinsten Energie aufsuchen, den sogenannten Grundzustand, also den 1s1 - Zustand mit n = 1, l =
0 (or "s"), m = 0, s = +½
oder –½ |
|  | Da die Quantenzahlen m und s hier unwichtig sind, vergessen wir sie und
kürzen den Zustand ab wie folgt: Ein Elektron im Grundszustand ist ein
1s1 Elektron. Die hochgestellte 1 numeriert die Elektronen; d.h. hier haben wir
1 Elektron im 1s Zustand. |
 | Steht
unser Elektron in Wechselwirkung mit dem Rest der Welt, z.B. durch
elektromagnetische Strahlung (inkl. Licht), wird es hin- und wieder genau die richtige Energie aus dem Strahlungsfeld
aufnehmen können, um zu einem der höheren Zustände gelangen zu können. |
|  | Dort wird es einen Weile "sitzen", um dann
"von alleine" auf einen energetisch niedrigeren Zustand zu springen -
unter Aussendung eines Photons mit exakt der Energiedifferenz der beiden Zustände. |
|  | Haben wir genügend viele Wasserstoffatome, die
bei genügend Energiezufuhr - z.B. in einer elektrischen Entladung oder im Strahlungsfeld einer Sonne - das
ziemlich häufig tun, sehen wir ein leuchtendes Gas. |
 | Schauen wir das
leuchtende Gas durch ein Spektrometer an, sehen wir scharfe Spektrallinien bei
Frequenzen, die exakt den Energiedifferenzen der möglichen Zustände entsprechen. |
|  | Man findet aber nicht alle Frequenzen, die eigentlich vorkommen könnten. Denn nicht alle Übergänge zwischen Zuständen sind erlaubt; es gibt sogenannte Auswahlregeln, die angeben welche Übergänge vorkommen
und welche nicht. |
|  | Auf diesen beiden Prinzipien:
Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen und Auswahlregeln beruht die komplette Spektroskopie. Wir
wollen sie hier jedoch nicht näher verfolgen, sondern uns als nächstes mit den verbliebenen 91
Atomsorten beschäftigen |
 | Vorher machen wir aber noch zwei
Übungen, eine mehr zum Nachdenken, und eine richtige, sehr schwere Rechenübung, die uns ein
Grundphänomen der Quantentheorie erschließt: Den Tunneleffekt |
| |
|
| |
|
© H. Föll (MaWi 1 Skript)