| Die Näherungen des Modells |
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 | 1. Ein-Elektron-Näherung |
|  | Anstelle des Gesamtsystems aus ca. 1023 Elektronen (pro Mol) betrachtet
man ein extrem reduziertes System, bestehend aus einem Elektron. Die restlichen
Elektronen (bestehend aus den Kollegen in einem Energieband und den Rumpfionen des Metalls) werden alle als ein im
Mittel konstantes zusätzliches Potential betrachtet. Das bedeutet, daß
die individuelle Wechselwirkung der Elektronen untereinander vernachlässigt wird - wir nehmen nur an, daß
sie sich irgendwie im Raum gleichmäßig verteilen. Was dann für ein
Elektron herauskommen wird, gilt dann eben auch für alle anderen. |
 | 2. Beschränkung auf freie Elektronen. |
|  | Betrachtet werden nur die äußeren
Elektronen der Atome - nur die Elektronen auf Orbitalen, die überhaupt von den anderen Atomen, d.h. der
Kristallbindung etwas "merken". Atomkern und innere Elektronen werden vernachlässigt. Sie bilden ein
statisches Hintergrundpotential für die freien Elektronen. |
 | 3. Konstantes Potential |
|  | Im Prinzip müßte man jetzt zur Lösung
der Schrödingergleichung für das eine noch betrachtete Elektron das im
Raum periodisch variierende Potential einsetzen, wie es unten gezeichnet ist plus
ein konstantes Zusatzpotential von den "Hintergrundelektronen". |
|  | Das ist uns aber noch zu schwierig
(obwohl das mathematisch schon machbar wäre), und wir verwenden einfach ein konstantes (Kasten)potential als
(heftige, aber wie sich zeigen wird, sinnvolle) Näherung. Das sind die blauen Linien in der Zeichnung unten. Wir
arbeiten auch grundsätzlich mit einem endlichen Kristall; in x-Richtung hat er, wie gezeigt, die
Länge L. |
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 | 4. Periodische Randbedingungen. |
| | Wie groß sind echte Kristalle? Für allgemeine Betrachtungen ist die Vorgabe einer
Größe, z.B der Kantenlänge L, ja nicht besonders sinnvoll - allgemeine Wahrheiten
können ja wohl kaum von der willkürlichen Größe des Körpers abhängen. |
|  | Der übliche Trick in solchen Fällen ist:
Der Festkörper wird als unendlich ausgedehnt beschrieben. Leider geht das im
Modell des freien Elektronengases mathematisch nicht - die Lösungen der S.-Gleichungen sind dann einfach alle nur
noch y = 0. |
|  | Der in solchen Fällen anzuwendende Trick ist aber auch wohlbekannt und besteht darin, einen endliche
Körper gedanklich so zu verbiegen, daß sein Ende auf den Anfang fällt. Kein Problem mit einem eindimensionalen mathematischen Kristall der Länge L, der einfach einen
Abfolge von Punkten im Abstand a = Gitterkonstante ist. Wir biegen die Punktlinie zu einem Kreis, der
sich selbst in den A... beißt; im Link kann
man sich das (plus Rechnung dazu) ansehen |
|  | Um das ganze dreidimensional zu sehen, muß man
sich auch mächtig das Hirn verbiegen (und selbst dann klappt es ohne die Nachhilfe mit gewissen chemischen
Substanzen, die man z.B aus Trauben gewinnt, nicht so recht), oder schlicht die ganz simple mathematische Formulierung
hinschreiben: |
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y(x + L, y + L, z +
L) = y(x,y,z) |
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|  | In Worten: Die gesuchte Wellenfunktion
y muß am Anfang und Ende des Kristall für jede Koordinatenrichtung
denselben Wert haben. |
 | Diese Gleichung definiert sogenannte periodische Randbedingungen für die Wellenfunktion y(x,y,z) und macht unseren endliche Kristall mit der Kantenlänge L
zu einem für das zu lösende Problem letztlich unendlich ausgedehnten Gebilde. |
|  | Darf man das? Ja
- man darf! In der Herleitung von Theorien darf man zunächst alles - das
einzige Kriterium ist der Erfolg. Der Erfolg in unserem Fall zeigt sich (später) dann u.a. anderem darin,
daß die Schlußfolgerungen, die wir ziehen können, dann gar nicht mehr von L oder den
genauen Randbedingungen abhängen. Aber das können wir jetzt noch nicht wissen, jetzt rechnen wir einfach mal
los. |
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| Lösung der Schrödingergleichung für das freie Elektronengas
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Für unser Problem genügt die uns bereits bekannte zeitunabhängige
Schrödinger-Gleichung; die zeitabhängige Schrödingergleichung ist in einem advanced Modul dargestellt. Für unseren Fall eines Kastenpotential lautet sie
(zunächst eindimensional): |
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– | 2 2me | · | d2y(x) dx2 | + V(x) · y(x) | = | E · y(x) |
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|  | Für das Potential gilt |
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V(x) | = | { | V0 = const. ( = 0) ¥ | für 0 £ x £ L sonst |
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 | Im Modell der freien Elektronen
beginnt man die Energieskala meist bei der konstanten potentiellen Energie, d.h. man wählt
E = E ' – V0, oder, wie oben angedeutet, schlicht
V0 = 0; wir erhalten |
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– | 2
2me | · | d2y(x) dx2 | =
| E · y(x) |
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|  | In dieser Gleichung
bedeutet E nach wie vor die (konstante) Gesamtenergie des Elektrons,
aber da die potentielle Energie = 0 ist, beschreibt E jetzt automatisch nur noch die kinetische Energie des Elektrons. |
|  | Für die y- und z-
Richtung gilt natürlich genau dieselbe Gleichung. |
 | Die Lösung
der Differentialgleichung ist einfach; man erhält |
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y(r) | = |
æ ç è | 1 L | ö ÷ ø |
3/2 | · exp | (i ·
k · r) |
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|  | Mit r =
(x,y,z) = Ortsvektor, und k = noch unspezifizierter Vektor, den wir mal
Wellenvektor nennen, mit der offenkundigen Dimension
[k] =1/cm . |
|  | (1/L)3/2 ist ein Normierungsfaktor; er
ergibt sich aus der Normierungsbedingung |
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L ó õ 0 | L ó õ 0 | L ó õ 0 | y(r) · y*(r)
· dxdydz = 1 |
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 | Dass die gebene Funktion die
Lösung der S.-Gleichung ist, ist bisher natürlich nur eine Behauptung. Ob die Behauptung stimmt, wird sich
durch Einsetzen zeigen. Das machen wir aber in einer Übung weiter unten. |
 | Das Ergebnis ist, daß die angegebene Funktion dann und nur dann
eine Lösung ist, falls die in der Lösung vorkommenden Größen Gesamtenergie E, und Wellenvektor
k bestimmte Bedingungen erfüllen. |
|  | Welche physikalische Bedeutung dieser Wellenvektor genau hat, wird
sich uns nach und nach erschließen. Der Name deutet aber schon an, wohin die Reise gehen wird. |
 | Unsere Lösung für ein in einen Potentialkasten eingesperrtes
Elektron hat selbst in dieser allgemeinen und noch unspezifischen Form eine überaus interessante Eigenschaft: |
|  | Die Aufenthaltswahrscheinlicheit
für dieses Elektron ist überall dieselbe, denn wenn wir y·y* bilden, erhalten wir |
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y(r) · y*(r) | = | æ ç è | 1 L |
ö ÷ ø | 3 | · exp | (i · k ·
r) | · exp | –(i · k ·
r) | = | æ
ç è | 1 L | ö ÷ ø | 3 |
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|  | Wenn wir das Elektron
"suchen", d.h. mit einer geeigneten Meßvorrichtung "nachschauen", werden wir es überall mit gleicher Wahrscheinlichkeit finden. Wir sagen: Das Elektron ist über
den ganze Kristall "ausgeschmiert". |
|  | Das ist ein ziemlich ungewöhnliches Ergebnis,
nicht vereinbar mit dem intuitiven Bild des Elektrons als eines kleinen Kügelchens. Man ist vielleicht geneigt,
das als "Artefakt", als künstliches Ergebnis der Näherungen zu betrachten, aber das wäre
genauso falsch, wie anzunehmen, dass das reale Kügelchen "Elektron" jetzt nur so schnell durch den
Kristall saust, dass es uns verschmiert vorkommt (etwa so wie ein Flugeugpropeller, den man ja auch
"verschmiert" sieht). Im Übrigen haben wir die Lösung eines verwandten Problems, nämlich das
in einen zweidimensionalen runden Kasten eingesperrte Elektron, schon mal angeguckt! |
|  | Die "ausgeschmierte" Wellenfunktion
ist das Elektron; auch ohne Näherungen wird sich daran nicht viel ändern.
Dem Elektron andere Eigenschaften oder Attribute zuzuschreiben, außer den in der Wellenfunktion codierten (und
natürlich den Grundparametern Masse, Ladung, Spin), ist genau so sinnvoll, wie zu behaupten, dass das Elektron
fromm sei, grün-rot gestreift, und an klassischer Musik interessiert. Man kann das tun, aber es ändert
nichts an dem was man messen kann - und mehr als das existiert in der Physik schlicht nicht. |
 | Der Wellenvektor k ist aber kein beliebiger Vektor,
sondern muß Bedingungen erfüllen, die aus den bisher nicht betrachteten periodischen Randbedingungen
folgen. Wir erhalten für die Komponenten des Wellenvektors
k = (kx,ky,kz) für die nur
Lösungen existieren |
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kx = ± | nx
· 2p L | | ky = ± | ny · 2p
L | | kz = ± | nz ·
2p L |
ni = 0, ± 1, ± 2, ±
3, ..... |
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|  | Dabei sind die
nx, ny, nz natürliche Zahlen (inklusive
der 0) - sie sind die Quantenzahlen des
Systems. |
|  | Jeder mögliche Satz
von Quantenzahlen ni, oder, was gleichbedeutend ist, jeder
mögliche k-Vektor, numeriert einen der möglichen Zustände des Systems. |
|  | Damit haben wir eine erste
Eigenschaft von k: Ein Wellenvektor beschreibt einen
definierten Zustand des Systems; er ist eine Art vektorielle Quantenzahl. |
 | Weiterhin gehört zu jeder Lösung, definiert durch einen Satz ni bzw
ki, eine ganz bestimmte (hier nur kinetische) Energie E; gegeben durch |
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Ek | = | 2 · k2 2me |
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 | Bisher sind das allerdings nur
Behauptungen. Daß wir hier wirklich die Lösung des gegebenen Problems haben, muß erst noch
verifiziert werden. Dies ist aber eine rein mathematische Übung, die wir auch
als Übung machen werden. |
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 | Wir diskutieren jetzt
die Lösungen. Wichtig ist wie immer die Energie. Die Gesamtenergie eines
Elektrons in Abhängigkeit von seinem Wellenvektor (bzw. für den damit beschriebenen Zustand) sieht also so
aus: |
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|  | Das ist zwar eine
triviale Kurve - halt Punkte auf einer Parabel - aber wir werden das Bildchen noch oft brauchen (und es wird zunehmend
komplizierter werden). Energiewerte sind natürlich nur bei diskreten
k-Werten definiert; zur Klarheit ist aber auch die durchgehende Parabel mit eingezeichnet. |
 | Funktionen dieser Art, die einen Zusammenhang zwischen einer Energie und einem
Wellenvektor herstellen haben einen Namen: Sie heißen Dispersionfunktion
oder Dispersionsrelation. |
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 | Wir wollen uns, falls wir das schon wissen sollten, nicht daran stören, daß auch
Beziehungen zwischen der Frequenz einer Welle und ihrer Wellenlänge so heißen, oder Beziehunge
zwischen Energie und Impuls - es ist letztlich dasselbe, nur in anderer Form dargestellt. Haben wir z. B. eine
Beziehung zwischen Wellenvektor k und Kreisfrequenz w, macht
durchmultiplizieren der Gleichung mit daraus eine Beziehung zwischen Impuls k und Energie w. |
 | Setzt man für den Wellenvektor k die obige Beziehung in die Energieformel ein, ergibt sich als endgültige Lösung für die
"Eigenwerte" der Energie |
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Enx, ny, nz | =
| 2 2me | · | æ ç è
| 2 p L | ö ÷ ø | 2 | · |
æ è | nx2
+ ny2 + nz2 | ö ø |
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|  | Die Elektronen
können in dem Potentialtopf also nur ganz gestimmte, diskrete Energien annehmen. Zu jedem Zustand charakterisiert durch einen Satz von 3 ni (oder
einem k), gehört also eine bestimmte Energie. Da der Klammerausdruck mit den
ni sich minimal um 1 unterscheiden kann falls man die ni
variiert, haben die Energieniveaus mindestens den Abstand |
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DEmin = | 2 2me | æ ç è | 2p L | ö ÷ ø | 2 |
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|  | Allerdings, das sehen wir sofort,
können verschiedene Zustände identische Energien haben - zum Beispiel die Zustände (1,1,1) und
(-1,1,1) oder (2.2,1) und (3,0,0): Sie sind bezüglich der Energie entartet
(es heißt nun mal so!). |
 | Im Grunde ist jetzt alles klar -
außer, daß wir nicht so recht wissen, was sich hinter dem Wellenvektor k verbirgt. Er
ist die zentrale Größe der Lösung - schau'n mer mal! |
 | Zunächst erinnern wir uns daran, daß die Energie des Elektrons
rein kinetisch ist. Wir können die Energie damit auch wie folgt ausdrücken: |
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E = | 1 2 |
me· v2 | =
| me2 · v2
2me | = | p2 2me |
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|  | Dabei ist p der
(klassische) Impuls des Elektrons. Der Vergleich mit
unserer Lösung zeigt sofort: |
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p = | · k |
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|  | Der Wellenvektor, multipliziert mit
"h quer", ist also nichts anderes als der Impuls des Elektrons - auch in der Quantenmechanik. |
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Nun erinnern wir uns an die de Broglie Beziehung, die den Impuls
p und die Wellenlänge l verknüpfte:
|p| = h/l. Setzen wir das ein erhalten wir |
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k = | p | = | 2p h | · | h l |
= | 2p l |
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 | Der Wellenvektor ist also auch sowas
wie die reziproke Wellenlänge der dem Elektron
zugeordneten "Materiewelle". |
 | Der Wellenvektor ist aber noch viel mehr: |
|  | Er beschreibt den jeweiligen
Zustand des Elektrons: Denn in seiner durch die Lösung der S.-Gleichung erhaltenen Definition stecken
die Quantenzahlen ni des Systems; mit k numerieren wir also auch in etwas
codierter (und gleich vektorieller Form) den durch die Quantenzahlen beschriebenen Zustand des System. Denn die Angabe des Wellenvektors eines Elektrons reicht vollständig aus um
seinen Zustand (d.h. sein Energieniveau und seinen Impuls) eindeutig zu kennzeichnen. |
|  | Diese Eigenschaft hat der Wellenvektor auch dann
noch, wenn die einfache Beziehung zwischen Wellenvektor und Impuls/Energie verloren geht - was passieren wird, sobald
wir die extrem simplifizierten Näherung des freien Elektronengases aufgeben. |
|  | Er beschreibt die Richtung
und Wellenlänge der Materiewelle: Denn der Ausdruck |
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exp i(k ·r ) | = | cos (k · r ) + i · sin (k ·
r ) |
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|  | ist nichts anderes als die mathematische Codierung einer einfachen ebenen
Welle. Die Beziehung |
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|  | erhalten wir direkt aus dieser Gleichung - wir brauchen de Broglie
gar nicht zu bemühen. Dies bedeutet im Umkehrschluß, daß die de Broglie Beziehung in unserer
Lösung "drinsteckt"; sie ist kein unabhängiges Naturgesetz sondern in der
Schrödingergleichung automatisch enthalten. |
 | Die Darstellung von Wellen aller Arten mit einem exp i(k
·r) Ausdruck ist in einem eigenen Modul dargestellt. Wer hier Schwierigkeiten hat, sollte diesen
Modul dringend studieren! |
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© H. Föll (MaWi 2 Skript)