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Im Grunde ist im vorhergehenden
Unterkapitel die Diffusion von Atomen bereits behandelt. Der
Elementarprozeß ist (fast) immer der
Sprung eines Atoms in eine Leerstelle oder der Sprung eines Zwischengitteratoms
auf einen Nachbarplatz im Zwischengitter. Dabei gibt es in einatomigen
Kristallen vier fundamentale Möglichkeiten, sie sind in der Graphik
dargestellt |
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1. Ein Atom des Kristalls
springt in eine Leerstelle (links oben). |
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2. Ein substitutionelles Fremdatom,
springt in eine Leerstelle (links unten). |
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3. Ein Eigenzwischengitteratom springt auf
einen Nachbarplatz (rechts oben) |
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4. Ein interstitielles Fremdatom springt
auf einen Nachbarplatz (rechts unten) |
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Es gibt noch einige exotische
Möglichkeiten (z.B. ein interstitielles Fremdatom springt auf einen
Gitterplatz und wirft das bisher dort sitzende Kristallatom auf einen
Zwischengitterplatz), sie spielen aber kaum eine Rolle (außer im Si) und sollen nicht
weiter behandelt werden. |
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In jedem Fall ist eine für den
betrachteten Sprung spezifische freie Enthalpiebarriere zu überwinden.
Betrachten wir zunächst die
Zwischengitteratomdiffusion (Index
"i") genauer: |
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Die Sprungrate ri
ist gegeben durch Anlauffrequenz mal
Boltzmannfaktor, d.h. |
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Wobei der Index (M,i)
für "Migration" des
"interstitials" steht, d.h.
für die Diffusion des Zwischengitteratoms).Wir machen die in einem
fortgeschrittenen Modul im
Detail ausgeführten, aber eigentlich klaren Näherungen: |
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GM,i |
= |
HM,i
TSM,i » EM,i
TSM,i
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Mit SM,i =
Entropie eines Sprungs = Wanderungsentropie » 1 k (k = Boltzmannkonstante). |
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Dass wir auch eine Wanderungsentropie haben ist qualitativ klar: Man muß
für einen Sprung nicht nur Energie zuführen, sondern der Kristall ist
im Momemt des Sprungs auch ein bißchen unordentlicher, man braucht also
auch Entropie. Das schlägt sich aber nur ein bißchen im Vorfaktor
zum Exponentialterm nieder, ist also nicht besonders wichtig. |
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Eingesetzt erhalten wir |
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ri = n · exp
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S
k |
· exp |
EM,i
kT |
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Das ist die Zahl der Sprünge,
die ein Zwischengitteratom pro Sekunde
durchführt und damit auch die mittlerer Sprungrate aller anderen ZGA, denn was ein ZGA macht, machen alle. |
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Der Vorfaktor ist eine Art Materialkonstante, wir
bezeichnen ihn vorläufig mit D0 (als
Abkürzung für Diffusion); d.h.
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Die Energie EM,i
heißt Wanderungsenergie
der (jeweils betrachteten) Zwischengitteratome, Aktivierungsenergie der
Zwischengitteratom-Diffusion oder Diffusionsenergie der ZGA. |
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Typische Werte von ZGA - Wanderungsenergien
liegen im Bereich 1 eV oder kleiner.Wir können Wanderungsenergien
als Materialkonstanten auffassen; denn
für jedes passende Paar (A,B) von Atomen mit A = Atom des
Gitters und B = diffundierendes Zwischengitteratom existiert eine
Wanderungsenergie; Beispiele finden sich weiter
unten. |
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Leerstellenwanderung |
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Wie groß sind die Sprungraten
von Atomen, die über einen
Leerstellenmechanismus wandern? |
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Im Gegensatz zur ZGA
Diffusion kann nur der Bruchteil der Atome
überhaupt springen, der eine Leerstelle als Nachbar hat; alle andern haben eine Sprungrate
r = 0. |
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Die mittlere Sprungrate
eines beliebigen Atoms ist damit gegeben durch die Wahrscheinlichkeit, daß bei einem Anlauf
genügend Energie vorhanden ist (= D0 · exp
(EM/kT)) mal der Wahrscheinlichkeit, daß gerade ein
Nachbarplatz mit einer Leerstelle "besetzt" ist (» exp (EF,V/kT).
Insgesamt erhalten wir für die Sprungrate der substitutionell
diffundierenden Atome: |
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rsub. Atome |
= D0 · exp |
EM
kT |
· exp |
EF,V
kT |
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EM ist dabei
die Aktivierungsenergie für den Sprung
der betrachteten Atomsorte in eine benachbarte Leerstelle; in
D0 stecken wieder die Anlauffrequenz und (kleine!)
Entropieterme. |
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Das betrachtete Atom kann ein Fremdatom, aber
insbesondere auch ein reguläres Atom des
Kristallgitters sein; in diesem Fall reden wir über die Selbstdiffusion in einem Kristall. |
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Der Sprung eines Gitteratoms in eine Leerstelle
ist aber gleichbedeutend mit dem Sprung einer Leerstelle in die
entgegengesetzte Richtung, man kann genausogut von
EM,V reden, der
Wanderungsenergie einer
Leerstelle. Damit erhalten wir für die Sprungraten aller Atome
eines Kristalls im Falle der Selbstdiffusion, rSD, |
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rSD |
= |
D0,SD · exp |
EM,V
kT |
· exp |
EF,V
kT |
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= |
D0,SD · exp |
EM,V + EF,V
kT |
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Wie groß sind typische
Wanderungsenergien? Als grobe Faustregel kann man ca. 0,5 eV für
dieZwischengitteratome nehmen und 1 eV für Sprünge der
Leerstelle. |
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Einige typische Werte sind in den Tabellen weiter
unten angegeben
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Damit wird meistens die Diffusion von
Zwischengitteratomen, auch direkte
Diffusion genannt, sehr viel schneller sein als die Diffusion von
Atomen mit Hilfe von Leerstellen. |
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Dazu wollen wir eine Übung
machen, im Link finden sich die notwendigen
Zahlenwerte. |
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Anschaulichere Darstellungen der
Diffusion von Atomen findet man in Arrheniusdarstellungen, die dann die
Arrheniuskurven für mehrere Atome in einem Diagramm enthalten können.
Im Link findet sich ein Beispiele zum Silizium |
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Arrheniusdarstellung der
Diffusion zahlreicher Atome in Silizium. |
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Eine ganz andere, für sich selbst sprechende
Darstellung findet sich in
diesem
Link. |
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Eine Frage
drängt sich auf: Wie misst man eigentlich
Diffusionskoeffizienten, Wanderungs- und Bildungsenthalpien von atomaren
Fehlstellen usw.? |
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Mit Mühe, viel Geld und sehr viel Wissen!
Bevor das aber behandelt werden kann, müssen wir uns erst die
nächsten Unterkapitel reinziehen. |
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Diffusionsstrom |
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Was wir bisher behandelt haben, ist
ein fröhliches Herumgehüpfe von Atomen und atomaren Defekten, alle
Richtungen sind gleichberechtigt. |
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Im
Mittel werden genausoviel Atome nach links wie nach rechts
gesprungen sein; im Mittel hat sich
nichts geändert. |
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Das muß auch so sein, denn wir haben
thermodynamisches Gleichgewicht
unterstellt. Die Konzentration der Leerstellen ist die
Gleichgewichtskonzentrationen, die Konzentration aller Teilchen ist
überall (im Mittel) gleich groß. |
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Was geschieht aber, wenn wir ein
Experiment machen, bei dem die Konzentration an Fremdatomen zu Beginn nicht überall gleich groß war? Denken wir
an die alten
Schmiede, die irgendwie Kohlenstoff (oder Stickstoff) von außen in
des Eisen des Schwertes einbringen, d. h. eindiffundieren mußten. Oder an
die modernen Mikroelektroniker, die eine exakt bestimmte Konzentration an
P oder B in fest vorgegebene Bereiche des Siliziums einer
integrierten Schaltung einbringen müssen. |
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Letztlich werden diese gezielt eingebrachten
Atome mit einem der beschriebenen Mechanismen ins Innere des Materials
eindiffundieren; ihre Konzentration wird sich systematisch und stetig
ändern. Wir haben kein Gleichgewicht
mehr, denn wir haben eine zeitliche
Änderung einer Teilchenzahl. |
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Die zugehörige
mathematisch-phänomenologische Beschreibung ist älter als das
Verständnis der atomaren Vorgänge.Wir werden sie im nächsten
Unterkapitel behandeln. |
© H. Föll (MaWi 1 Skript)