5.4 Übersicht

5.4.1 Vergleich idealer, dotiert-idealer und realer Halbleiter

In diesem Unterkapitel wollen wir noch einmal die wichtigsten Formeln und Begriffe zusammenstellen und insbesondere die Unterschiede zwischen idealen, dotiert-idealen und realen Halbleitern herausarbeiten. Wir beginnen mit dem idealen Halbleiter
 

Idealer (intrinsischer) Halbleiter

Der ideale, unendlich ausgedehnte Halbleiter mit keinen wie auch immer gearteten Defekten ist natürlich immer auch ein intrinsischer Halbleiter. Er hat folgende Grundeigenschaften:
Größe der Bandlücke EG
Gegeben durch Material und Gittertyp. Nicht leicht berechenbar. Wissen muß man: EG(Si) » 1,1 eV
Elektronendichte nL im Leitungsband und Löcherdichte nV im Valenzband.
In voller Strenge gilt
nL(T)  =   ¥
ó
õ
EL
D(E) · f(E,T) · dE  =  ni  
     
nV(T)  =   EV
ó
õ
¥
D(E) · [1  –  f(E,T)] · dE  =  ni
Dabei ist ni die intrinsische Ladungsträgerkonzentration; sie ist eine (stark temperaturabhängige) Materialkonstante. In der Praxis gilt
nL(T)  =  ni(T)  =  NLeff · exp – ELEF
kT 
   
nV(T)  =  ni(T)  =   NVeff · exp – EFEV
kT 
Die effektiven Zustandsdichten Neff sind dabei experimentell ermittelte Größen (mit oder ohne den T 3/2 Anteil).
Die Fermienergie EF ergibt sich aus der Neutralitätsbedingung; sie liegt ungefähr in der Mitte der Bandlücke
EF(intrinsisch)  =   EL + EV 
2
  +  kT
2
ln (NV/NL)  »  EL  +  EV
2 
Massenwirkungsgesetz
Aus nV(T) · nL(T) folgt unabhängig von der Lage der Fermienergie immer
nV · nL  =  (ni)2
Damit ergibt sich eine einfache Bestimmungsgleichung für ni
ni  =  (ni2)½  =  æ
è
NeffL  · NeffV ö
ø
1/2 · exp – EL  –  EV
2kT 
Lebensdauer t und Diffusionslänge L
Die Lebensdauer ist hoch in indirekten Halbleitern, z.B. Si (Größenordnung ms) und klein in direkten Halbleitern, z.B. GaAs (Größenordnung ns). Sie ist nicht leicht zu berechnen.
Die zugehörige Diffusionlänge L ist (für "random walk" immer) gegeben durch
L  =  (D · t)½

D  =  kT
e
· µ
Dabei verknüpft die zweite Gleichung, die sog. Einstein Beziehung, den Diffusionkoeffizienten D mit der Beweglichkeit µ.
Die Beweglichkeit µ ist ein Maß für die Größe der erreichbaren Driftgeschwindigkeit eines Ladungsträgerensembles unter der Wirkung einer treibenden Kraft (= elektrische Feldstärke). Sie subsummiert die Wirkung von Stößen der Ladungsträger mit Gitterschwingungen (= Phononen) oder anderen Defekten.
Die Beweglichkeit µ oder der Diffusionskoeffizient D sind Materialkonstanten; sie sind nicht leicht zu berechnen.
Generation und Rekombination,
Ladungsträger rekombinieren nach Verstreichen ihrer Lebensdauer t. Die Rekombinationsrate R ist gegeben durch
R  =   ni 
t
Aus der Bedingung für (dynamisches) Gleichgewicht folgt, daß die Generationsrate G gleichgroß sein muß.
G  =  R  =   ni 
t
     
Dotierter idealer Halbleiter
   
Der ideale, dotierte Halbleiter mit keinen wie auch immer gearteten Defekten außer den Dotieratomen hat folgende Eigenschaften:
Größe der Bandlücke EG
Wie der ideale Halbleiter.
Elektronendichte nL im Leitungsband und Löcherdichte nV im Valenzband.
In voller Strenge gilt immer noch die alte Gleichung - nur die Fermienenergie hat jetzt einen anderen Wert.
Es lassen sich drei sinnvolle Näherungsgleichungen angeben
1. Hohe Temperaturen: Es ist alles wie im intrinsischen Fall
2. Mittlere und tiefe Temperaturen. Es gilt
nL  (mittlereT)  =  


2ND
 1 + æ
ç
è
1  +   4 · ND
NLeff
· exp   ELEd
kT
ö
÷
ø
1/2
3. Mittlere Temperaturen in vielen Fällen; insbesondere Si um Raumtemperatur. Wir erhalten eine extrem einfache Gleichung für beide Ladungsträgerarten; für die 2. Gleichung wird das Massenwirkungsgesetz verwendet
nMaj (mittlereT)  »  ND
   
nMin (mittlereT)  »  (ni)2
ND
Da wir uns jetzt nur noch mit Si bei Raumtemperatur beschäftigen wollen, unterstellen wir ab jetzt immer diesen Fall.
Die Fermienergie EF ergibt sich nach wie vor aus der Neutralitätsbedingung, aber jetzt müssen auch die ionisierten Dotieratome berücksichtigt werden.
Die entsprechende Bilanzgleichung ist zwar einfach aufzustellen, aber als transzendente Gleichung nicht analytisch lösbar. Numerische Lösungen sind aber nicht allzu schwer.
Das Massenwirkungsgesetz gilt immer; es erlaubt, wie oben schon gezeigt, aus der Kenntnis der Dotierstoffkonzentration beide Ladungsträgerkonzentrationen leicht zu berechnen
Lebensdauer t und Diffusionslänge L
Sowohl L und dann automatisch auch t sind etwas kleiner als im intrinsischen Fall, da der Kristall nicht mehr absolut defektfrei ist.
Die (ionisierten) Dotieratome wirken als Streuzentren für die Elektronen, damit sind L, t und auch µ etwas reduziert. Für nicht zu große Dotieratomkonzentrationen ist das aber kein sehr großer Effekt.
Generation und Rekombination
Nach wie vor gilt die Bedingung für (dynamisches) Gleichgewicht: Generationsrate G und Rekombinationsrate R sind gleichgroß.
 
Dotierter realer Halbleiter
   
Reale dotierte Halbleiter sind Halbleiter die außer den Dotieratomen noch weitere Kristallgitterdefekte haben: Die Oberfläche, Versetzungen, Korngrenzen, Ausscheidungen, atomare Fehlstellen aller Arten. Alles, was wir unter Kristallgitterdefekten behandelt haben, findet sich in realen Halbleitern wieder - und dann gibt es noch einige spezielle Defekte.
Das führt im wesentlichen zu drei Unterschieden gegenüber idealen dotierten Halbleitern:
1. Die Defekte haben in der Regel auch Zustände in der Bandlücke - und das bedeutet, daß sie als Donatoren oder Akzeptoren wirken können.
Die Konzentration der Ladungsträger wird dann im Extremfall durch die Defekte bestimmt und hat mit der Konzentration der gezielt eingebrachten Dotieratome nichts mehr zu tun. Das Material ist immun gegen Dotierung und nutzlos.
Das ist leider die traurige Wahrheit für die weitaus überwiegende Mehrheit der bekannten Halbleiter! Denn es gibt nicht nur die paar Halbleiter, die wir alle nutzen (und hoffentlich kennen), im wesentlichen Si, Ge, GaAs, GaP, InP, SiC, GaN, sondern es gibt sehr viel mehr - der Link zeigt einige Beispiele aus der Klasse der binären und ternären Verbindungen.
Zur Zeit gibt es jedoch nur die oben gezeigte kleine Zahl an Halbleitermaterialien, die so perfekt hergestellt werden können, daß die noch vorhandenen Defekte eine gezielte Dotierung nicht unmöglich machen. Dort stoßen wir auf den zweiten Effekt der noch vorhanden Defekte:
2. Die Defekte reduzieren die Lebensdauer t (und damit automatisch auch die Diffusionslänge L) der indirekten Halbleitern (sie tun das auch bei direkten Halbleitern, aber da ist der Effekt nicht so merkbar).
Das ist fast immer unerwünscht (obwohl es Ausnahmen gibt). Das Problem liegt darin, daß schon kleinste Konzentrationen an bestimmten Fremdatomen deutlich spürbar werden.
Das kann dann nicht nur der Grund dafür sein, dass das Baulelement schlicht nicht richtig funktioniert, sondern auch dafür (und das ist viel schimmer) dass es nach zu kurzer Betriebsdauer den Geist aufgibt.
3. Der dritte Punkt soll nur gestreift werden: Zunächst vorhandene und nicht furchtbar störende (kleine) Defekte können während der Prozessierung eines Bauelements miteinander reagieren und zu "großen" prozessinduzierten Defekten heranreifen.
Wenn man Pech hat, wird aus einigen ppqt Fe-Atomen im Laufe der Zeit eine z.B. 5 nm "große" FeSi2 Ausscheidung, die im "Gateoxid" eines Transistors sitzt und denselben schlicht umbringt. Device kaputt - wiederum hilft nur äußerste Sauberkeit und Defektfreiheit.

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© H. Föll (MaWi 2 Skript)