 | Die verschiedenen Defekttypen sind
nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in vielfältiger und dynamischer Beziehung zueinander. Dazu
einige Beispiele, die sofort einleuchten und die im vorherigen Kapitel schon angeklungen sind: |
 | Dreidimensionale Defekte sind notwendigerweise von zweidimensionalen Defekten begrenzt, denn ihre Oberfläche ist per definitionem eine
Phasengrenze. Das hat sofortige weitreichende Konsequenzen: |
|  | Die Gesamtenergie des dreidimensionalen Defekts ist immer
gegeben durch die Energie die im Defektvolumen steckt plus der Energie der
Phasengrenze. |
|  | Die Energie des
Volumens kann man als Nettobilanz in einem Energievergleich auffassen: x Frematome sind statistisch im
Gitter verteilt oder in einer Ausscheidung konzentriert. Bei tiefen Temperaturen
ist i.d.R. die Ausscheidung günstiger, die Volumenenergiebilanz ist dann negativ. Die Gesamtenergie des Kristalls
sinkt also wenn sich die Verunreinigungen ausscheiden; für kugelförmige Ausscheidungen mit Radius
r nimmt sie also mit – const. · 4/3pr3 ab.
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|  | Die Energie der
Phasengrenzfläche ist aber immer positiv, ihr Anteil an der Gesamtenergie
wächst dementsprechend mit g · 4pr2. Graphisch sieht das immer so
aus: |
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|  | Die mit
r3 abnehmende Volumenenergie "gewinnt" mit wachsendem Radius immer gegenüber der mit r2 wachsenden Oberflächenenergie.
Aber für kleine Radien ist die Grenzflächenenergie der bestimmende
Term. |
 | Dies bedeutet, daß bei der
Bildung einer Ausscheidung die Energie immer erst anwächst, bevor sie abnimmt!
Der energetisch günstigere Zustand kann damit nur durch Überwinden einer Energiebarriere erreicht werden, es bedarf einer Nukleation, einer
Keimbildung der Ausscheidung, bevor durch Wachstum der Ausscheidung immer mehr Energie
gewonnen werden kann, so daß das Wachstum "von alleine" abläuft. |
|  | So einfach ist das
Konzept einer Enrgiebarriere und der ungeheuer wichtige Prozeß der
Keimbildung zu verstehen! |
 | Dreidimensionale Defekte können aber auch durch Diffusion und Zusammenlagerung (=
Agglomeration, "clustern") von nulldimensionalen Defekten entstehen. |
|  | Treffen sich viele Leerstellen an einem Platz,
entsteht ein Void, das leuchtet sofort ein. Auch hier ist der dreidimensionale Defekt durch
den zweidimensionalen Defekt "Oberfläche" begrenzt, die obigen Überlegungen treffen voll zu. |
|  | Sebstverständlich können auch auch
substitutionelle oder interstitielle Fremdatome per Diffusion agglomerieren; es resultiert eine Ausscheidung. |
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| Zweidimensionale Defekte und eindimensionale Defekte |
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 | Etwas weniger einleuchtend als obige Beziehungen ist die folgende Aussage: Stapelfehler enden an inneren oder äußeren Oberflächen oder sind durch eindimensionale Defekte (=
Versetzungen) begrenzt. |
|  | Um das zu
verstehen, denken wir uns die beiden Stapelfehlertypen wieder durch das vorhergehende Rezept konstruiert: Aufschneiden, Ebene wegnehmen oder zufügen, dann
wieder zusammensetzen. Aber jetzt schneiden wir nur in einen Teil des Kristalls. Dann entstehen folgende Defekte in
kompletter Analogie zu den im vorherigen Unterkapiteln gezeigten Bildern: |
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 | Die C - Ebene fehlt im rechten Teil, wir haben einen intrinsischen
Stapelfehler. Er wird offenbar von einer Stufenversetzung berandet |
 | Eine A - Ebene ist im linken Teil zusätzlich enthalten, wir haben
einen extrinsischen Stapelfehler | Beide Stapelfehler sehen ziemlich ähnlich aus, sind aber verschieden -
genau hinschauen! Sie sind längs der Schnittlinie durch einen eindimensionalen Defekt berandet - eine Art
Stufenversetzung. |
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 | Gezeigt sind dieselben Bilder, die schon im vorhergehenden Unterkapitel 4.1.5 die Stapelfehler illustrierten; nur im Sinn des obigen Rezepts
weitergezeichnet. Die Berandung der Stapelfehler sieht sehr nach einer Stufenversetzung aus. Der zugehörige
eindimensionale Defekt ist auch eine (Stufen)versetzung, aber keine richtige oder vollständige Versetzung, sondern eine sogenannte Partialversetzung. |
|  | Der Burgersvektor dieser Partialversetzungen ist nämlich kein
Translationsvektor des Gitters! Würde man im obigen Bild einen Umlauf machen, der einem Burgersumlauf entpricht,
findet man b = a/3<111> als Burgersvektor der Partialversetzung, also keinen Translationsvektor. |
|  | Einfacher erhält man dieses Ergebnis, wenn man das Volterra Rezept anwendet (Schneiden, Verschieben um a/3<111>,
Material einfüllen oder entnehmen, zusammenfügen, feststellen, dass die Schnittflächen nicht
"passen", den resultierenden Stapelfehler, wenn man'as trotzdem tut, in Kauf nehmen). Partialversetzungen
mit diesem Burgersvektor heißen allgemein auch Frank -
Versetzungen. |
|  | Um das ganze noch etwas zu verkomplizieren, sei nur zur Illustration noch hinzugefügt:
Ein Stapelfehler kann auch noch durch eine andere Sorte von Partialversetzungen berandet werden, durch sogenannte Shockley - Versetzungen mit den Burgersvektor a/6<112>. |
|  | Wer das genauer wissen möchte,
betätigt den Link. |
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| Stapelfehler und atomare Fehlstellen |
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 | Wir ahnen
schon die nächste Beziehung: Stapelfehler in fcc - Kristallen (inkl. Berandung durch eine Franksche
Partialversetzung) können durch Agglomeration von Leerstellen oder
Eigenzwischengitteratomen auf {111} - Ebenen entstehen. |
|  | Leerstellenagglomeration auf einer
{111} - Ebene entspricht dem Herausnehmen einer Ebene, es wird ein intrinsischer
Stapelfehler erzeugt. |
|  | Die Agglomeration
von Zwischengitteratomen auf einer {111} - Ebene schiebt eine zusätzliche Ebene ein, es entsteht ein
extrinsischer Stapelfehler. |
 | In
der Realität ist dieser Prozeß nicht selten; es entsteht i.d.R. ein kleines Leerstellen- bzw.
Zwischengitteratomscheibchen; ein Querschnitt sieht so aus: |
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|  | Links ein "Leerstellenring";
rechts ein Zwischengitteratomring. |
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| Versetzungen und atomare Fehlstellen |
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 | Die Beziehung zwischen
Versetzungen und atomaren Fehlstellen ist die Grundlage der Metallurgie. |
|  | Aus relativ weichen reinen
Metallen wird durch "Verunreinigen" oder Legierung das harte Gebrauchsmetall. |
|  | Weiches Schmiedeeisen und ein
bißchen Kohlenstoff macht harten Stahl - allerdings mit noch tausend Tricks drumherum; wenn man den alten Schmiedegeschichten glaubt. |
 | Es ist ganz einfach - im Prinzip. |
|  | Versetzungsbewegung macht plastische Verformung, und
das geht umso einfacher ("weiches Material"), je leichter es ist, die Versetzungen zu bewegen. |
|  | Atomare Fehlstellen aller
Arten (und die von ihnen stammenden Ausscheidungen) behindern die Versetzungsbewegung, das Material wird
härter. |
 | Allerdings sollte man die
Versetzungsbewegung nicht ganz unmöglich machen - denn dann ist das Material spröde, und das ist auch nicht gut. |
|  | Denn ein Schwert sollte sich weder verbiegen
("weich"), noch brechen ("spröde"), sondern allenfalls ein bißchen elastisch biegen
oder etwas eindellen. |
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 | Jetzt wollen wir es genug sein lassen. Wir ahnen, daß es weitere
Beziehungen gibt (z. B. zwischen Versetzungen und Korngrenzen). Statt weitere Beispiele zu betrachten, nehmen wir nur
einen Merksatz mit, der sehr große Bedeutung hat |
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Defekte sind oft korreliert und treten gemeinsam auf. Aus
"kleinen" Defekten können "große" Defekte entstehen |
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 | Der letzte Satz wird und wurde in der
Halbleitertechnik oft leidvoll erfahren: Aus einer Handvoll Fremdatome, die atomar verteilt niemand stören
würden, entwickeln sich wenn man Pech hat, massive Defekte, die das Bauelement "killen". Statt Umsatz
produziert man Abfall. Einige Beispiele dazu im Link. |
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Zum Schluß noch eine kleine Illustration gekoppelt mit einer
Übung |
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Übung 4.2-3 | Defekte finden, identifizieren und Varianten diskutieren |
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 | Und dann selbstredend noch der
"Multiple Choice test; |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)