| Es gibt nirgendwo im Universum einen
perfekten Kristall! Denn jeder Kristall hat
eine Oberfläche und für die Atome auf der Oberfläche ist die
Umgebung anders als für Atome im Volumen - die Oberfläche ist somit ein Defekt. Reale Kristalle sind damit
Kristalle, die Defekte enthalten. |
 | Verstehen wir die Oberfläche als Defekt eines Idealkristalls,
können wir zu einer einfachen Definition für Defekte in Kristallen gelangen: |
|  | Falls um ein beliebig herausgegriffenes Atom die
unmittelbare Umgebung (im zeitlichen Mittel) eine andere prinzipielle Symmetrie hat als die Umgebung eines
Referenzatom in einem perfekten Teil des Kristalls, haben wir am Aufpunkt einen Defekt. Für ein Atom auf der
Oberfläche eines Kristalls ist diese Bedingung zweifellos erfüllt. |
 | Es gibt also prinzipiell keine perfekten Kristalle. Das ist auch gut so, denn
schon Kristalle, die außer der Oberfläche sonst keine Defekte mehr enthalten, sind langweilig. Sie haben
einen Satz von Eigenschaften der unveränderlich feststeht, und wären
damit technisch ziemlich uninteressant. |
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 | Ihr einziger (oft sehr wichtiger) Zweck kann allenfalls darin bestehen, daß man
ausgehend von einem möglichst perfekten Kristall sich leichter tut, Defekte
gezielt in den Kristall einzubauen. Das macht man, weil die meisten der interessanten Eigenschaften von
Kristallen von Kristallgitterbaufehlern - kurz Defekte genannt - bestimmt
werden. |
|  | Defekte bestimmen z.B. ob ein Stück Eisen sich leicht oder schwer verformt, hart oder weich ist,
leicht bricht oder sich zäh verhält, leicht oder schwer korrodiert, sich hart- oder weichmagnetisch
verhält, schnell oder nur langsam ermüdet - die Liste wäre verlängerbar. Die gesamte Halbleitertechnologie dreht sich um die Manipulation
von Defekten in Halbleitern wie Silizium oder GaAs. Wir müssen uns also mit Defekten in Kristallen
befassen. |
 | Die obige Definition bietet einen
einfachen Zugang zu strukturellen (im Gegensatz zu elektronischen) Aspekten von Defekten. Um das Thema etwas einzuengen, zunächst zwei
Bemerkungen dazu, welche Abweichungen vom mathematisch idealen Gitter oder Kristall keine Defekte in unserem Sinne sind: |
|  | Die thermischen Schwingungen der Atome um ihre
Gleichgewichtslage zählen nach obiger Definition nicht als strukturelle Defekte - im zeitlichen Mittel sind sie Null. |
|  | Elastische Verbiegungen des
Gitters, also lokal leicht veränderte Gitterkonstanten und damit Bindungslängen, sind ebenfalls keine Defekte, da sich die lokale Symmetrie dadurch nicht im
Prinzip geändert hat, sondern allenfalls einige Zahlenwerte, z. B. bei den Translationsvektoren des
Gitters. |
| Defekte kann man zunächst in vier
große Klassen einteilen, deren Ordnungskriterium die Dimensionalität des Defekts ist: Wir unterscheiden: |
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| Diese noch etwas abstrakte Definition
wird sofort klar, wenn wir uns typische Vertreter dieser vier Defekttypen anschauen - sozusagen die Leitfossilien: |
|  | Die Leerstelle für nulldimensionale Defekte: Ein Atom
fehlt irgendwo im Kristall, der entprechende Platz ist leer. |
|  | Die Stufenversetzung für eindimensionale Defekte: Zwischen zwei Kristallebenen ist teilweise eine dritte
eingezwängt. Diese zusätzliche Ebene im Kristall endet entlang einer Linie; dies Linie definiert den
eindimensionalen Defekt "Stufenversetzung". Ein Bild dazu
kann im Link angeschaut werden; es wird jedoch empfohlen, zunächst zu prüfen, ob man sich den Defekt mit
obiger Beschreibung selbst vorstellen oder skizzieren kann! |
|  | Die Korngrenze für zweidimensionale Defekte: Zwei
beliebig zueinander orientierte Kristalle sind längs einer Ebene - der Korngrenzenebene - verbunden. |
|  | Die Ausscheidung
für dreidimensionale Defekte: In einem Kristall der Sorte 1 sitzt ein
Kristall (oder amorpher Körper) der Sorte 2. |
 | Dazu noch ein Bild von Gitterdefekten (nicht Kristalldefekte - selbst
herausfinden warum nicht), das sich allmählich zu einem Klassiker entwickelt. Es ist eine gute Übung, mal selbst zu versuchen, die
obige Klassifikation den Buchstaben zuzuordnen. |
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| In den nächsten Unterkapiteln schauen wir uns diese Defekte etwas genauer an. |
|  | Vorher aber eine schnelle Übung: |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)