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Es mag ein bißchen abwegig
erscheinen, als ersten Kontakt den etwas abstrakten Übergang von Volumen
und Oberfläche zu behandeln, Es ist aber schlicht das einfachste Beispiel
für das was wir lernen müssen.. |
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Die Eigenschaften des Volumens kennen
wir schon - es sind die Eigenschaften des idealen dotierten Halbleiters. |
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Was ist an der Oberfläche
anders? Was ist überhaupt "die
Oberfläche" eines Kristalls genau? |
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Die letzte Frage läßt sich
leicht beantworten: |
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Zunächst gibt es an Luft
überhaut keine Halbleiteroberfläche - bestenfalls eine Halbleiter-
Halbleiteroxid Grenzfläche. Genau
betrachtet meinen wir mit "Oberfläche also die
Grenzfläche Halbleiter
- Halbleiteroxid. Aber diese Feinheiten sind für diese Betrachtung egal;
wir nehmen einfach zur Kenntnis: |
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"Die "Oberfläche"
oder Grenzfläche umfaßt alle Atomschichten (von der Oberfläche
aus gerechnet), deren Bindungsverhältnisse oder Bindungssymmetrien anders
sind als im Volumen. |
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Die erste Atomlage gehört auf
jeden Fall dazu, meist aber auch noch die 2. und 3. Lage. Unsere
Oberflächen haben also eine Dicke von
ca. 0,3 nm - 1 nm. |
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In dieser Oberflächenschicht
gibt es nicht abgesättigte Bindungen, Bindungen mit anderen Atomen,
Bindungen mit anderen Bindungsenergien - alles mögliche. In anderen
Worten: Elektronen in Zuständen, die von den Volumenzuständen
irgenwie verschieden sind. Und die
Kurzform, um all diese Möglichkeiten elegant auszudrücken, ist
schlicht und einfach die Aussage: |
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In
der Energielücke der Oberfläche(nschicht) gibt es Zustände, eben
Oberflächenzustände, die im
Volumen nicht vorhanden sind. |
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In anderen Worten: Während wir davon
ausgehen, daß die "Oberfläche" noch die
grundsätzliche Bandstruktur des Volumens hat, werden den Elektronen aber
viel mehr Möglichkeiten von Energiezuständen geboten - und einige
davon werden bestimmt in der Bandlücke liegen. |
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Damit können wir der Oberfläche eine
Bandstruktur zuschreiben wie nebenstehend gezeigt. |
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Wir wissen natürlich nicht, wieviele
Zustände sich bei welcher Energie befinden, aber das ist für das
folgende auch gar nicht so wichtig. |
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Wir wissen aber eines - und das ist schon
eingezeichnet: Wenn es nicht zu wenige Zustände sind, wird die Fermienergie mitten in den Zuständen liegen
müssen; ob noch ein paar
Dotierungsatome da sind, spielt keine Rolle mehr. |
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Im übrigen gilt das natürlich
(qualitativ) genauso für interne Grenzflächen wie Korn- und
Phasengrenzen. |
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Was geschieht nun, wenn wir das
Volumen und die Oberfläche in Kontakt
bringen? |
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Mit der Antwort auf diese Frage erschließen
wir uns die Halbleitertechnik; wir wollen uns deshalb die Antwort detailliert
in mehreren Stufen erarbeiten. |
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Zunächst
betrachten wir die Banddiagramme vor dem
Kontakt. Gottseidank ist es im Gedankenversuch problemlos
möglich, die Oberfläche getrennt vom Volumen zu betrachten (in der
Praxis geht das natürlich nicht). |
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Wir haben folgende
Ausgangssituation: |
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Links ist ein n-Typ Halbleiter
eingezeichnet, die grünen Kreise und blauen Quadrate symbolisieren fast
wie zuvor die Majoritäts- und Minoritätsladungsträger; also
Elektronen und bzw. Löcher. Das "fast" bezieht sich auf die mit
konstanter Bosheit geänderten Farben der Elektronen, Löcher,
Bandkanten etc. Damit wird nämlich eine wichtige Eigenschaften der
Elektronen und Löcher symbolisch zum Ausdruck gebracht: Sie sind nicht
wirklich grün, rot oder blau; sie sind
einfach nur. |
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Rechts ist die Oberfläche wie gehabt. |
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Nun bringen wir die
Oberfläche in direkten "idealen" Kontakt zum Volumen, und
betrachten was dabei passiert: |
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So sieht es in der Sekunde Null beim Kontakt aus.
Der entscheidenden Punkt ist nun, daß die (frei beweglichen) Elektronen
im Leitungsband des Volumens jetzt plötzlich neue Plätze zur
Verfügung haben, auf die sie sich setzen können: Die noch freien
Plätze der Oberflächenzustände. |
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Diese Plätze liegen energetisch tiefer; und
es gibt eine ganze Menge davon. Man hat auch - als Elektron im Leitungsband -
kein Problem mit der Impulserhaltung wie beim Sprung auf einen freien Platz
(ein Loch) im Valenzband; denn an der Oberfläche läßt sich der
Impulserhaltungssatz immer irgendwie erfüllen |
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Noch besser: Selbst wenn man sich als direkter Halbleiter um den
Kristallimpulserhaltungssatz sowieso nicht zu kümmern braucht, muß
man jetzt auch nicht auf der Lauer liegen, bis man mal im Ortsraum auf ein Loch trifft, man muß nur
zur Oberfläche gehen; dort sind die freien Plätze ortsfest immer vorhanden - sie können nicht
weglaufen wie Löcher im Valenzband, die Oberfläche ist
schließlich ziemlich gut lokalisiert. |
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Es gibt also viele gute Gründe,
warum Elektronen aus dem Leitungsband sich auf die freien Plätze der
Oberflächenzustände setzen werden; dies ist durch den Pfeil
symbolisiert. |
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Aber für all diese Vorteile ist ein Preis zu
bezahlen: Besetzt ein Elektron einen freien Platz in den
Oberflächenzuständen, ist es nicht mehr frei - es ist jetzt ebenfalls
lokalisiert und unbeweglich! |
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Dadurch ist die Oberfläche jetzt negativ geladen, denn es gibt keine Verschiebungen
von positiven Ladungen, die diesen Effekt kompensieren könnten. Denn die
wenigen Minoritätslöcher, die irgendwo herumvagabundieren,
können nur wenig bewirken. |
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Eine negativ
geladene Oberfläche hat aber einen klaren Effekt auf die
Elektronen des Volumens: Sie werden elektrostatisch abgestoßen; d.h. ins
Volumeninnere getrieben. |
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Anders, aber völlig äquivalent
ausgedrückt, können wir auch sagen: Ihr elektrostatisches Potential, d.h. ihre Gesamtenergie, wird in dem von
den Oberflächenladungen ausgehenden elektrischen Feld erhöht. |
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Nachdem sich also das erste Elektron auf einen
der bequemen Plätze an der Oberfläche gesetzt hat, muß das
zweite Elektron, das dahin will, schon ein bißchen Energie aufwenden um
gegen die elektrostatische Abstoßung des ersten Elektrons
dahinzugelangen. Es wird sich also möglichst weit weg vom ersten Elektron
auf einen Platz an der Oberfläche begeben und dadurch immer noch einen
Nettoenergiegewinn haben. |
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Für jedes weiter Elektron wird es jetzt
immer ein bißchen schwieriger. Es muß immer mehr Energie
aufgebracht werden, um ins gelobte Land zu kommen. |
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Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, wo sich
die Reise nicht mehr lohnt: Die Energie, die man hineinstecken muß um
gegen die elektrostatische Abstoßung zur Oberfläche zu gelangen, ist
identisch zur Energie, die man gewinnen kann, indem man einen energetisch
tiefer liegenden Platz besetzt. Den Elektronen wird es dann gleichgültig
sein, wo sie sich befinden. |
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Dieser Zustand ist dann und nur dann
erreicht, wenn die Fermienergie überall dieselbe ist! Das ist so wichtig,
dass wir es groß notieren |
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Im Gleichgewicht ist die
Fermienergie
überall gleich groß |
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Wie kann man das erreichen? Wie
"macht" der Kontakt die Fermienergie überall gleich
groß? |
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Der erste Gedanke ist vielleicht, sie im Volumen
etwas herunterzusetzen, und in der Oberfläche etwas hinauf - bis es halt
paßt. |
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Fragt sich nur wie. Denn das würde z.B.
bedeuten, daß sich überall im Volumen jetzt die
Ladunsgträgerdichte ändert - auch km weit weg von der
Oberfläche. Das ist nicht nur beliebig unwahrscheinlich, es ist auch
vollkommen unklar wie das gehen soll. |
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Also so geht es nicht. Wir
müssen berücksichtigen, daß wir jetzt elektrische Felder haben!
Ladungsneutralität ist nicht mehr überall lokal gewährleistet, sondern nur noch global. Lokal
ist unser Halbleiter jetzt geladen. |
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Die Oberfläche ist eindeutig
negativ aufgeladen, und irgendwo im
Kristall müssen die positiven
Gegenladungen sein, denn global haben wir
natürlich immer noch Ladungsneutraltät. |
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In einem elektrischen Feld erfährt eine
Ladung aber eine Kraft q · E, und damit muß Arbeit geleistet werden
um die Ladung zwischen zwei Punkten x1 und
x2 zu verschieben. Die dazu notwendige Arbeit
entspricht der potentiellen elektrostatischen Energie
Eel, sie ist gegeben durch |
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Eel |
= q |
x2
ó
õ
x1 |
E · dx |
= q ·
U1-2 |
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Dabei ist U1-2 die
Spannung
zwischen den Punkten x1 und
x2. Legen wir einen Punkt ins Unendliche (im
Halbleiter), dann ist U1-2 einfach das elektrische
Potential V beim anderen Punkt, der natürlich auf der
Oberfläche liegt. |
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Wir müssen
also die Banddiagramme lokal um den Betrag q ·
V verschieben; wir müssen die Bänder verbiegen - auch das
hatten wir schon. |
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Wir schauen uns mal an, was wir
erhalten und diskutieren es dann. |
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Wir haben in
Oberflächennähe eine Bandverbiegung, dort muß ein
elektrisches Feld
vorhanden sein. |
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Da wir Gleichgewicht haben, ist die Konzentration der
Elektronen und Löcher überall im wesentlichen durch den Abstand der
jeweiligen Bandkante von der Fermienergie gegeben; die Elektronenkonzentration
nimmt dementsprechend im Bereich der Bandverbiegung sehr schnell ab. |
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Die Bandverbiegung zeigt graphisch unmittelbar,
direkt, und quantitativ richtig die Höhe der Energiebarriere, die ein
Elektron bewältigen muß um zur Oberfläche zu gelangen. Sie
zeigt es auch für den Rückweg. |
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Angedeutet ist weiterhin,
daß dynamisches
Gleichgewicht
vorliegt. Einigen Elektronen pro Zeiteinheit wird der Sprung über die
Barriere gelingen; wir erwarten einen zeitlich konstanten Elektronenstrom (und
damit auch einen elektrischen Strom), der vom Volumen zur Oberfläche
fließt. Aber wir werden einen genau gleichgroßen Strom haben, der
von der Oberfläche ins Volumen fließt - der Nettostrom ist =
0. |
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Bei den Löchern passiert vorzeichengedreht
dasselbe. Es spielt hier aber keine große Rolle, weil wir in diesem
Beispiel nur wenige Löcher haben. |
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Zu einem elektrischen Feld
gehört immer ein Potentialunterschied; schließlich ist ein
elektrisches Feld schlicht der Gradient eines Potentials. |
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Beim Kontakt Volumen - Oberfläche entwickelt
sich also ein Kontaktpotential oder eine
Kontaktspannung, die direkt durch die
Differenz der Fermienergieen (dividiert durch Elementarladung) gegeben
ist. |
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Das gilt, wir ahnen es, im
Prinzip für jeden Kontakt. Jetzt
drängt sich (hoffentlich) die Frage auf: Kann man diese Kontaktspannung
messen? Indem man die zwei Tastspitzen eines Voltmeters an die beiden Enden
hält? |
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Die Antwort kann nur sein: Nein!!! Denn wenn das Voltmeter ausschlagen
würde, könnte man auch elektrische Leistung entnehmen, und dann
hätten wir ein Perpetuum
mobile! |
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Wir würden schon deshalb keine
Spannung messen, weil an der Oberfläche am anderen Ende natürlich
genau dieselbe Kontaktspannung ensteht, die Differenz der Potentiale zwischen
den Oberflächen ist dann Null. |
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Aber man kann sich leicht Fälle ausdenken,
bei denen das nicht so klar ist. Wenn man nicht einfach blind dem ersten
Haupsatz der Thermodynamik trauen will ("Es gibt kein Perpetuum
mobile"), ist es gar nicht so einfach zu verstehen, warum man eine
Kontaktspannung nicht so einfach messen kann. Mehr dazu im
Link. |
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Was wir
außerdem erkennen ist, dass jede Ladung auf der Oberfläche, die
dasselbe Vorzeichen hat wie die Ladung der Majoritäten, diese "nach
innen" drückt. Dabei ist es egal, wie genau die Ladung auf die
Oberfläche gekommen ist. |
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Wenn wir z. B. Elektronen auf die Oberfläche
bringen, indem wir sie mit dem negativen Pol einer Spannungsquelle verbinden,
passiert exakt dasselbe. Falls wir die Elektronen der Spannungsquelle daran
hindern müssen ins Silizium hineinzufließen, machen wir einfach eine
"unendlich dünne" isolierende Schicht dazwischen. |
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Wir können damit die Konzentration der
Majoritäten nMaj direkt unter der
Oberfläche verkleinern. Damit erhöhen wir aber automatisch die
Konzentration der Minoritäten nMin,
denn es gilt das Massenwirkungsgesetz
nMaj·nMin =
ni2. |
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Mit List und Tücke können wir das so
weit treiben, dass in einem dünnen Bereich unter der Oberfläche sogar
nMin > nMaj gilt;
wir haben unser Si dann in die Inversion
getrieben (und den MOS Transistor erfunden). |
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Vielleicht hat es nicht jede/jeder gemerkt: Wir haben uns damit
ein fundamentales Rezept erarbeitet, um
das Banddiagramm beliebiger Übergänge im Gleichgewicht kostruieren zu
können! |
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1. |
Zeichne die Fermienenergie als horizontale Linie; markiere den
Kontakt. |
2. |
Zeichne "weit" links vom Kontakt das Banddiagramm von Material 1;
weit rechts das von Material 2; immer relativ zu der bereits festgelegten
Fermienergie. |
3. |
Verbinde Leitungs- und Valenzband durch eine
"gefühlsmäßig" gezeichnete Bandverbiegung. |
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Das klappt immer! Und da wir unser "Gefühl"
jetzt ganz schnell kräftig schärfen werden; wird die Bandverbiegung
gar nicht so falsch werden. |
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So weit so gut. Aber zwei Fragen
müßten sich jetzt aufdrängen: |
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1. Was bestimmt, wie tief das elektrische Feld ins Volumen eindringt;
also die Ausdehnung der Bandverbiegung? |
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2. Was bestimmt die
Form der Bandverbiegung - warum ist sie
gekrümmt und nicht z.B. linear gezeichnet? |
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Die eine oder der anderen hat
vielleicht sogar noch ein paar weitere Fragen. Wenn nicht jetzt, dann
später. Die Antworten darauf finden sich - je nachdem - im Link. |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)