John Bardeen (1908 - 1991

Im Jahre 2002 erschien ein Buch über John Bardeen (True Genius: The Life and Science of John Bardeen, by Lillian Hoddeson and Vicki Daitch), das interesante Details über diesen zu Unrecht gar nicht so bekannten Physiker enthält.
Schon der Titel ist eine kleine Provokation in diese Richtung; er spielt auf das Buch "Genius: The Life and Science of Richard Feynman" (by James Gleick) an.
John Bardeen
 
Bardeen hat jedenfalls zwei Nobelpreise im Fach Physik gewonnen (als einziger überhaupt; die zwei Nobelpreise von Linus Pauling waren für verschiedene Gebiete). Feynman, wie alle anderen Physiker auch, hatte aber nur einen.
Daß er vielleicht außerhalb der Physik nicht so bekannt wurde wie Feynman (oder auch Einstein, der allerdings in normalen Zeiten mindestens 6 Nobelpreise eingesammelt hätte), liegt wohl daran, daß er zwar ein wahres Genie war, aber nicht, wie man das im allgemeinen so erwartet, mit "genialer" Lebensführung. Er war weder besonders "künstlerisch" ausgeflippt, noch neurotisch oder schwierig im Umgang (schon wieder eine Anspielung auf Feynman).
Obwohl er, etwas frühreif, schon mit 15 zur Uni ging, war er 25 als er in 1933 in Princeton bei Eugene Wigner die höheren Weihen der Physik empfing.
Über Harvard kam er schließlich als Professor an die Minnesota University - nur um dann im zweiten Weltkrieg der Leiter einer 90 Mann umfassenden Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren im Artillerielabor der Navy zu werden.
Ein gutes Angebot nach dem Krieg verpflanzte ihn in die "Bell Labs", die Grundlagenforschungslabors des Telefonmonopolisten Bell Telephone (und damals die größte Firma der Welt).
"Bell Labs" war und ist immer noch ein stehender Begriff in der Welt der Naturwissenschaft/Technik; nicht zuletzt weil William Shockley als Boss von Bardeen und Brattain dort 1947 den Transistor "erfand".
Obwohl der Name Shockley die beiden anderen überstrahlte, hatten die Junioren wohl eher den größeren Anteil an der Sache (wie so häufig im wirklichen Leben). Das führte auch relativ rasch zu einem Zerwürfnis in der Gruppe - glücklicherweise, denn das induzierte Bardeen, das Weite zu suchen und 1951 zur University of Illinois zu gehen (unter dem Einfluß des Freundes und Wigner Schülers Seitz (Jetzt sollte eigentlich ein hörbares "Klick" im Hirn des MaWi Studis erfolgt sein!).
Shockley verließ die Bell Labs dann auch, und während seine in Kalifornien gegründete Firma zwar letztlich das "Silicon Valley" ins Leben rief, war er persönlich nicht mehr besonders erfolgreich in der Wissenschaft.
Bardeen jedoch widmete sich wieder seiner alten Liebe - der Supraleitung - der er in Harvard begegnet war.
Durch systematisches und zähes Arbeiten (nur kurz unterbrochen um den Nobelpreis für den Transistor entgegenzunehmen) konnte er 1957 eine weltbewegende Veröffentlichung produzieren, zusammen mit einem seiner Studenten (Bob Schrieffer) und einem Post-doc (Leon Cooper): Die seither universal als BCS-Theorie bekannte erstmalige quantitative Erklärung der Supraleitung.
Die Grundideen dieser neuen Theorie ("broken gauge symmetry") durchzieht seither die Physik und hat mindesten 4 weitere Nobelpreise nach sich gezogen.
Danach kam auch nicht mehr viel auf dieser Ebene - wir vernachlässigen Kleinigkeiten wie seine Schlüsselrolle bei der Gründung der SONY und XEROX Forschungslabors, und sonstige hochgestellte Positionen im Wissenschaftsmanagement.
Auch Bardeen gehört zu den wenigen Menschen, die für kurze Zeit etwas Monumentales wissen, was sonst keiner weiß, und damit den absoluten Höhepunkt eines Forschers erleben.
Wir wissen nicht, was Bethes Freundin in dieser Situation sagte; aber der Wortwechsel zwischen Bardeen und seiner Frau ist überliefert:
Nachdem der erste funktionierende Transistors gebaut war, kam Bardeen heim, lief in die Küche, und sagte zu seiner Frau: "Heute haben wir etwas entdeckt". "Wie interessant" sagte seine Frau, "aber ich muß jetzt das Essen auf den Tisch bringen".
Wer mehr wissen will liest das Buch, oder die Buchbesprechung in "Nature" (Dez. 2002), die von keinem geringeren als P.W. Anderson stammt; ebenfalls Nobelpreisträger, der überdies Bardeen persönlich gut kannte.
   

Mit Frame Mit Frame as PDF

gehe zu 6.2.1 Der pn-Uebergang

© H. Föll (MaWi 2 Skript)