 | In unserem Modell des freien Elektronengas haben wir diskrete Energieniveaus
bekommen, mit Energiewerten die wir ausrechnen konnten. |
|  | Zu einem Energieniveau können – je nach
Entartungsgrad – mehrere Zustände gehören. Wieviel genau,
können wir exakt ausrechnen (im Zweifelsfall, wie gezeigt, durch die Abzählerei bzw. Kombinatorik) oder mit Hilfe der Zustandsdichte D(E) in sehr guter Näherung approximieren. |
|  | Denn die Volumendichte ze(E) der Elektronenzustände und die Zahl der Elektronenzustände
g(E) im Energieintervall DE war |
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ze(E) | = | D(E) · DE | | | | g(E) | = | L3 · D(E) · DE |
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 | Wir müssen jetzt nur das
Energieintervall DE gleich dem (minimalen) Abstand der diskreten
Energienieveaus machen um die Zahl der Zustände zu E (d.h. den
Entartungsgrad) zu bekommen. Im freien Elektronengasmodell nehmen wir also
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DE = | 2 2me | æ ç è | 2p L |
ö ÷ ø | 2 |
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|  | Die Unterscheidung zwischen Zahl und Volumendichte an Zuständen, Elektronen,
oder sonstigen Teilchen ist trivial und lästig. Oft sagt und schreibt man auch gar nicht mehr immer, was
eigentlich gemeint ist – es ergibt sich zweifelsfrei aus dem Kontext oder spätestens bei einem Check der
Maßeinheiten. Im Kontext dieses Unterkapitels muß man allerdings genau
hinschauen, wie wir gleich sehen werden. |
 | Unser ein Elektron hat also viele Möglichkeiten sich einen Zustand, und damit verkoppelt eine
Energie auszusuchen – die Frage ist, ob wir vorhersagen können, welche der Möglichkeiten unter den
gegebenen Umständen realisiert werden. |
|  | Eine berechtigte Frage mit einer simplen Antwort: Ein Elektron wird auf dem energetisch niedrigsten
Niveau sitzen.Wir wollen aber nicht nur ein Elektron betrachten, sondern viele. Dann wird die Sache komplexer. |
|  | Wir haben bereits überlegt, daß das freie
Elektronengasmodell sich nicht ändert, wenn wir nun viele Elektronen "einfüllen"; aber unsere
Fragestellung ändert sich etwas: |
 | Zwar haben unsere vielen Elektronen nach wie vor viele Möglichkeiten sich jeweils einen Zustand, und
damit verkoppelt eine Energie auszusuchen, aber mit der Eingrenzung, daß alle diejenigen Zustände
"tabu" sind, die bereits von einem anderen Elektron besetzt werden – das Pauli-Prinzip schlägt zu! |
|  | Die Frage ist jetzt, ob wir vorhersagen können, wie sich die vielen Elektronen auf die Zustände und damit auch auf die Energien verteilen. |
|  | Wie immer, können wir für Systeme mit
vielen Teilchen nur statistische oder Wahrscheinlichkeitsaussagen machen. Wir fragen also nun ganz präzise |
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Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür,
daß ein Zustand, d.h. ein Energieniveau mit der Energie E mit Elektronen besetzt ist? |
|  | Wir haben uns diese Frage in leicht verschiedenem
Kontext schon einmal gestellt,
als wir nach der Wahrscheinlichkeit fragten, mit der eine Leerstelle oder ein beliebiges diffundierendes klassisches Teilchen, eine Energiebarriere der Höhe E überwindet.
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|  | Das war gleichbedeutend mit der Frage mit
welcher Wahrscheinlichkeit dieses Teilchen ein Energieniveau bei E besetzt, und führte auf die Boltzmannverteilung |
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|  | Mit N(E) = Zahl der
Teilchen mit der Energie E, und N0 = Gesamtzahl der Teilchen (wobei immer
N << N0 unterstellt ist). |
|  | Aber das war für klassische Teilchen, die prinzipiell
unterscheidbar waren und von denen beliebig viele auf einen Zustand passen – es gibt kein Pauli-Prinzip.
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|  | Wir hatten die Formel auch nicht
hergeleitet, sondern postuliert und nur festgehalten, daß diese Verteilung
für klassische Teilchen immer die freie
Enthalpie bzw. Energie minimiert. |
 | Wir hatten außerdem keine Aussagen darüber gemacht, wieviele
Plätze es bei einer gegebenen Energie eigentlich gibt. Zunächst könnte man auch meinen, das sei egal
– ich kann immer beliebig viele klassische Teilchen auf einem Energieplatz unterbringen – was sollte sich
ändern, wenn es viele Plätze gibt? |
|  | Dass es ganz so einfach nicht ist, wird sofort klar, wenn wir uns das im Matwiss I eingeführte Modellsystem mit zwei Minima der freien Enthalpie
etwas genauer betrachten: |
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 | Die finale Aussage dazu war: |
|  | "Falls
ein thermodynamisches System verschiedene angeregte Energiezustände Ei relativ zum
Grundzustand E hat (mit E0 = Zustand mit der kleinsten Energie := 0),
dann ist die Zahl der Teilchen Ni bei der Energie Ei gegeben durch
Ni = N0·exp–(Ei/kT). Dabei dürfen
wir in guter Näherung N0 » Gesamtzahl der Teilchen
setzen, falls Ni << N0 gilt." |
 | Daran ist auch nichts falsch – aber für etwas kompliziertere Systeme mit
Energieentartung müssen wir schon den Entartungsgrad oder, was fast dasselbe
ist, die Zustandsdichte mit berücksichtigen. |
|  | Denn der Trick an der Sache war ja, dass eben nicht
alle Teilchen bei der kleineren Energie sitzen, obwohl das nicht verboten ist. Die Entropie wäre zu klein. Durch
die Anordnung einiger Teilchen auf einem andern Zustand kann man die Unordnung vergrößern, bezahlt
dafür aber mit höherer innerer Energie. |
|  | "Irgendwie" müßte dabei aber schon die Zahl der Plätze eingehen. Tut es auch
– wir haben nur bisher immer stillschweigend angenommen, dass es immer gleichviele sind. |
|  | Da das aber hier von untergeordneter Bedeutung ist,
betrachten wir mehr Details dazu in einem eigenen Modul. |
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| Die Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion bei T = 0
K |
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 | Was wir jetzt wissen wollen ist: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein
Energieniveau mit der Energie E mit einem Elektron, d.h. mit einem
nicht-klassischen Teilchen besetzt ist, für das das Pauli-Prinzip gilt? |
|  | Diese Wahrscheinlichkeit muß
von der Energie E und der Temperatur T abhängen; wir nennen sie nach den
"Entdeckern" die Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion oder Fermi-Dirac-Statistik
oder einfach Fermistatistik f(E,T) (Die Menschen im allgemeinen sind ungerecht, im besonderen selbst bessere Menschen,
wie Physiker und Materialwissenschaftler: Niemand kennt die Nr. 2! Wer hat nach Neils Armstrong als zweiter den Mond
betreten? Die Frage nach Nummer 3 war im übrigen die 1.000.000--Frage in einer Fernsehshow im April 2005;
es wurden sogar 4 Namen zur Auswahl gegeben). |
|  | Genau wie bei der Boltzmannverteilung fordern wir, daß eine Verteilung der Elektronen nach der
Fermistatistik automatisch zum Minimum der freien Energie F =
E – T · S (oder Enthalpie) führt; oder anders ausgedrückt: Im
thermodynamischen Gleichgewicht sind die Elektronen nach der Fermistatistik verteilt. |
 | Das Pauli-Prinzip macht die Sache im Grunde einfach, denn für T = 0 K können wir
f(E,T) sofort angeben: |
|  | Da der Entropiebeitrag zur freien Energie/Enthalpie dann keine Rolle spielt, müssen wir jetzt
nur die Energie minimieren, und das können wir dann und nur dann, wenn wir
alle verfügbaren Plätze "von unten her", d.h. bei der kleinsten Energie beginnend nacheinander
auffüllen. Dabei kommt auf jeden Zustand genau ein Elektron. Klassische
Teilchen hätten wir natürlich alle auf das tiefste Niveau gesetzt. |
|  | Bei einer endlichen Zahl von Elektronen ist
irgendwo dann auch das letzte Elektron untergebracht, und das "wo" bezieht sich dabei sowohl auf die Quantenzahlen des letzten zu besetzenden
Zustandes als auch auf die zugehörige Energie. Dazu wiederholen wir jetzt eine eminent wichtige Definition: |
 | Die Energie des letzten besetzten Zustandes bei T
= 0 K heißt Fermienergie EF. |
|  | Damit haben wir wieder die absolute Schlüsselgröße aller elektronischen Eigenschaften von
Festkörpern eingeführt – mit einer noch etwas naiven Definition von EF. Wir
wollen uns diese Definition zwar gut merken, aber möglichst bald durch eine bessere Definition ersetzen. |
|  | Die Fermienergie wird also sowohl von der Art und Verteilung der (Energie)zustände abhängen, als auch von der Anzahl der unterzubringenden Elektronen. |
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 | Damit können wir die Fermistatistik für T = 0 K
leicht graphisch darstellen: |
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|  | Unterhalb der Fermienergie
EF sind alle Zustände mit Sicherheit besetzt, d.h. f(E,T) =
1; oberhalb EF sind alle Zustände mit Sicherheit nicht besetzt
(oder "leer"), d.h. f(E,T) = 0. |
 | Wir haben eine klare Besetzungsschematik, die nicht nur minmale Energie liefert, sondern gleichzeitig
größtmögliche Ordnung. Denn es gibt eben nur eine einzige Anordnungsmöglichkeit P zu diesem Zustand (die Vertauschung
zweier Elektronen bringt nichts, da wir sie nicht unterscheiden können). |
 | Aus dem Spezialfall T = 0 K können wir noch viel Honig saugen, bevor wir zum allgemeinen
Fall beliebiger Temperaturen übergehen. Als erstes wollen wir nochmals
die Fermienergie berechnen. |
|  | Das ist einfach.
Wir betrachten ein Material, das die Zustandsdichte des freien Elektronengases hat, und das über
N0 freie Elektronen verfügt. Diese müssen wir auf die verfügbaren
Energiezustände unterbringen, das Energieniveau des letzten untergebrachten Elektrons definiert die Fermienergie.
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|  | Wir müssen also nur in die bereits abgeleitete Formel für die Zahl der Zustände
N(E) bis zur Energie E, N0 und EF
einsetzen und nach EF auflösen um für die Fermienergie (des freien Elektronengases)
zu finden |
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EF = | 2 2me | æ ç è
| 3p2 ·
N0 V | ö ÷
ø | 2/3 | = | 2 2me | æ ç è | 3p2 · ne | ö
÷ ø | 2/3 |
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 | Das ist schon eine ganz brauchbare
Formel – sie enthält keinerlei Unbekannten mehr – und im übrigen hatten wir sie schon! Für Alkalimetalle, zum Beispiel, wissen wir, daß wir genau
ein freies Elektron pro Atom haben. Die Dichte an freien Elektronen
ne = N0 / V ist also bestens bekannt und wir können die Fermienergie
ausrechnen. |
|  | Wie sinnvoll wäre das?
Nun, das war Inhalt der Übung 2.2-2. Es ist schon sinnvoll
(Übung ansehen!) aber nicht besonders, aus zwei Gründen: - Haben wir keine Ahnung, wie gut die
Zustandsdichte des freien Elektronengases die wahre Zustandsdichte eines Alkalimetalls repräsentiert, und
- Wir haben einen ziemlich willkürlichen Nullpunkt unserer Energieskala gewählt. Das Ergebnis – in
eV – ist genauso willkürlich.
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 | Zum
ersten Punkt sind uns die Hände gebunden – wir werden weder jetzt noch später bessere Zustandsdichten
rechnen können – aber das zweite Problem läßt sich leicht beheben. |
|  | Dazu nehmen wir unser altes Potentialtopfmodell für das freie Elektronengas und definieren
einen neuen Nullpunkt für die Energieachse: |
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|  | Rechts sind die Energieniveaus
eingezeichnet, die wir zwischenzeitlich ausgerechnet haben; der blaue Kasten symbolisiert das Quasikontinuum, das sich
bei etwas höheren Energien ergibt (und das auch oberhalb der roten Linien auch noch da wäre). Die
Fermienergie als letztes besetzes Niveau (immer noch bei T = 0 K) ist als gelbe Linie markiert. Die rote
Linie definiert unseren neuen Energienullpunkt. |
|  | Es ist die "Vakuumenergie" der Elektronen, d.h. die Energie die man gewinnt, wenn man aus dem
"Vakuum", d.h. von weit her, ein Elektron auf eines der Niveaus im Kristall setzt. Umgekehrt ist es genau
die Energie, die man braucht um ein Elektron vom Inneren des Kristall ins "Unendliche" zu bringen. |
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Damit ist die Bedeutung der Fermienergie schlagartig klar: Es ist die
kleinstmögliche Energie, die man braucht, um ein Elektron aus dem Kristall ins
"Unendliche" zu bringen. |
|  | Für ein einzelnes Atom war das schlicht die Ionisierungsenergie I,
für einen ganzen Kristall (oder jeden beliebigen Festkörper) nennen wir diese Energie "Austrittsarbeit"; oft abgekürzt mit "W" (für das englische
"Workfunction"). |
|  | Im Moment könnten wir statt "Austrittsarbeit" auch Fermienergie sagen - aber wir werden
noch sehen, daß das Konzept der Fermienergie tiefer geht als die Definition einer Meßgröße
– denn mehr ist die Austrittsarbeit erst mal nicht. |
|  | Die Austrittsarbeit bezieht sich auf einen Kristall, und die Ionisierungsenergie bezieht
sich auf die einzelnen Atome der Basis
des Kristall; die Zahlenwerte werden also unterschiedlich sein – aber wohl nicht sehr! Damit kennen wir die Größenordnung der Fermienergie in einem
System mit der Vakuumenergie als Nullpunkt der Energieskala (und dem "Pfeil" der positiven Energierichtung
nach unten): Sie wird so zwischen (2 ... 25) eV liegen. |
 | Zum Schluß betrachten wir noch die Zustandsdichte bei der Fermienergie; auch dafür haben wir
bereits die passende Formel. |
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|  | Wir haben N0 in
der Formel weil eben bei der Fermienergie alle N0 Elektronen untergebracht sind. |
© H. Föll (MaWi 2 Skript)