 | Eigentlich genügt ein Satz, um das Wesen der Wärme, und daraus abgeleitete Größen wie
Temperatur, Druck etc. zu beschreiben: |
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Wärme ist ungeordnete (Teilchen)bewegung die
Betonung liegt auf ungeordnet! |
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 | Der Rest ist Mathematik, insbesondere Statistik. In der Physik hat sich die Wärmelehre jedoch anders entwickelt; es gab sie schon in recht weit entwickelter Form,
bevor es Teilchen in der Form von Atomen und Moleküle "gab". |
|  | Seit obiger
Satz als die Basis aller der mit den Begriffen Wärme, Temperatur und Druck verknüpften Erscheinungen erkannt
wurde, nennt man die alte Wärmelehre modern "Thermodynamik", oder
genauer "statistische Thermodynamik" |
 | Für lange Zeit war die Thermodynamik im wesentlichen auf Gase
bezogen. Für Gase läßt sich obige Aussage leicht nachvollziehen, für Festkörper muß
man schärfer nachdenken. |
|  | Die Moleküle oder Atome - allgemein die Teilchen - eines
Gases fliegen völlig ungeordnet durcheinander und wechselwirken nur über
elastische Stöße. Ein Modell mit perfekten Kugeln kommt der
Realität ziemlich nahe. |
|  | Eine geordnete Bewegung eines
Gases in einem Kasten gibt es nicht, es sei denn, daß man den ganzen Kasten bewegt, in dem das Gas eingesperrt
ist, . Dann überlagert sich die geordnete Bewegung - d.h. alle Teilchen haben diesselbe vektorielle
Geschwindigkeit - zur immer noch vorhandenen ungeordneten Bewegung. Für die im Kasten vorhandene Wärme ist
das aber nach obigem Satz egal. |
 | Ein Festkörper aber, so scheint es, führt
nur geordnete Bewegungen aus. Bewegt sich ein Atom in eine bestimmte Richtung,
machen alle anderen notgedrungen dieselbe Bewegung - sonst bricht der Körper auseinander. Das ist zwar
prinzipiell richtig, aber es gibt trotzdem auch noch eine ungeordnete Bewegung im
Festkörper: |
|  | Die ungeordnete Bewegung in Festkörpern resultiert aus den Oszillationen der Atome um ihre Gleichgewichtslage. Die Unordnung besteht darin, daß
sich die Amplitude (in alle drei Raumrichtungen) und (im Maßen) die Frequenz eines einzelnen Atoms ständig
und unsystematisch ändern - es gibt eine statistische und damit ungeordnete Verteilung dieser
Größen. |
 | Mit diesem Basiswissen bewaffnet, lassen sich
Temperatur und Druck, die
Grundgrößen der Thermodynamik, relativ leicht definieren. |
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 | Die Temperatur eines Körpers ist ein Maß für die Energie
der ungeordneten Bewegung der Teilchen, aus denen der Körper besteht. |
|  | Damit müssen wir zunächst die diversen
Möglichkeiten ungeordneter Bewegung diskutieren. |
 | Für ein
einatomiges Gas ist die Sache am übersichtlichsten; man kann obigen Kernsatz
sofort als Formel hinschreiben. Es gilt offensichtlich |
|  | Gesamtenergie der ungeordneten Bewegung = E = const. (es gilt der Energieerhaltungssatz)
und, da die gesamte Energie nur in der (ungeordneten) kinetischen Energie der Atome stecken kann: |
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Mittlere Energie eines Atoms | = <EAtom> = |
1 2 | · m · <v2> |
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|  | Wir benutzen für kurze Zeit den
Unterstrich, um v als Vektor eindeutig zu
kennzeichnen. |
 | Dabei ist wichtig, daß über
das Quadrat der momentanen Geschwindigkeit gemittelt wird. Denn <v2> ist ungleich <v>2 (mal mit zwei Zahlen ausprobieren oder den Link studieren). Für unser Gas gilt sogar <v>2 = 0, denn <v> muß =
0 sein, weil unser Atom im Laufe der Zeit mit gleicher Wahrscheinlichkeit in alle Richtungen fliegt und der
Mittelwert von + v und – v = 0 ergibt. |
|  | Die Temperatur T ist dann folgendermaßen definiert: |
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<EAtom> | =
| 1 2 | · m · <v2> =: | 3 2 | · k
· T |
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|  | Die Größe k tritt hier als
Proportionalitätskonstante auf, sie heißt Boltzmann-Konstante. Man braucht sie, damit die hier definierte Temperatur mit der
"klassischen" Temperatur der Kelvin-Skala übereinstimmt. Die Boltzmann-Konstante hat den Zahlenwert k = 1,381 · 10–23 J ·
K–1. Sie ist eine der fundamentalen physikalischen Konstanten des Universums. |
|  | Der Faktor 3/2 hat eine spezifische Bedeutung, die sofort klar werden
wird. |
 | Betrachten wir jetzt ein zweiatomiges Gas. |
|  | Ungeordnete
Energie kann wie beim einatomigen Gas in der Translationsbewegung des Schwerpunktes
liegen (3 Möglichkeiten für die drei Raumachsen), aber auch in Rotationsbewegungen (2 Möglichkeiten für die zwei Achsen senkrecht zur
Verbindungslinie der Atome). |
|  | Dagegen ist die Verbindungslinie
der Atome keine Rotationsachse des zweiatomigen Moleküls. (Bitte selber kurz
darüber nachdenken, warum das so ist!) |
|  | Darüberhinaus kann das Molekül noch schwingen. |
|  | Jede dieser unterscheidbaren
Möglichkeiten Energie aufzunehmen, heißt Freiheitsgrad f des
Systems. Jeder Freiheitsgrad eines Systems kann unabhängig von den anderen Energie aufnehmen. |
 | Ein wichtiger Satz der klassischen statistischen Thermodynamik (der Äquipartitionssatz oder Gleichverteilungssatz) sagt nun, daß die verfügbare Energie (das ist
die (ungeordnete) Gesamtenergie des Systems) sich auf alle Freiheitsgrade des Systems gleich verteilt. |
|  | In anderen
Worten: In jedem Freiheitsgrad steckt (im Mittel) gleich viel Energie <EFG>, und für <EFG> gilt |
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|  | Damit gilt für die mittlere Energie eines
Teilchens in einem "Ensemble" (z.B. Atome, Moleküle, Basis eines Kristalls, usw.) eine sehr wichtige
allgemeine Beziehung: |
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<ETeilchen> |
= | 1 2 | · f · kT |
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 | Soweit so gut. Die große Überraschung für die frühen Thermodynamiker war, daß
die Formel oft nicht stimmte! Ein zweiatomiges Gas hat mindestens (noch ohne die
Schwingungen) 5 Freiheitsgrade; es benimmt sich aber meist so, als ob es nur 3 hätte. |
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Das läßt sich leicht messen durch die Bestimmung der spezifischen
Wärme c einer Substanz. |
|  | Weiß man, wieviele
Teilchen das gegebene System umfaßt, weiß man auch wieviel Wärmeenergie in
ihm steckt - man braucht ja nur über die mittlere Energie der Teilchen zu summieren. |
|  | Hat der Körper die Masse M und liegt die Teilchenmasse bei m,
enthält er offenbar M/m Teilchen; damit muß die mittlere Energie multipliziert werden,
um den gesamten ungeordneten Energieinhalt zu bekommen. |
|  | Wir definieren zunächst die
Wärmekapazität C als den Quotienten der Änderung des Energieinhalts eines Körpers
(= DE) geteilt durch die dazu notwendige Änderung der Temperatur DT: |
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C | = | DE DT | = | M m |
· | f 2 | · k |
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|  | Dividiert man durch die Masse M des Körpers,
erhält man die spezifische Wärmekapazität c, sie ist c = f ·
k/(2m). |
 | Ein einfaches Ergebnis, das leicht
überprüft werden kann, da die spezifische Wärme einfach zu messen ist. Es besagt insbesondere,
daß |
|  | die spezifische Wärme proportional zur der Zahl der
Freiheitsgrade ist, und daß |
|  | die spezifische Wärme umgekehrt proportional zur
Teilchenmasse (i.d.R. also Atommasse) ist. Beziehen wir sie nicht auf eine Masseneinheit, sondern auf 1 mol
einer Substanz, ist sie für alle Körper eine Konstante mal der Zahl der Freiheitsgrade. In Zahlen
ausgedrückt, gilt |
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cmol | = | f · 4,15 mol–1 ·
K–1 |
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|  | Das ist die Regel von Dulong und Petit. |
 | Wir müssen mal kurz innehalten, um uns der Ungeheuerlichkeit dieser Sache bewußt zu
werden: |
|  | Wir behaupten nicht mehr und nicht weniger, als daß eine der
wichtigsten Eigenschaften aller Materialien - Gase, Flüssigkeiten,
Festkörper aller Arten (wir sind hier nicht auf Kristalle beschränkt!), einfach alles, eine extrem einfach zu berechende Größe ist, in der nur die Art der Atome
(über die Mol-Definition) und ihre allgemeine gegenseitige Beziehung (über die Freiheitsgrade) eingeht!
Sonst nichts! |
|  | Das ist schon gewaltig! Schauen Sie um sich: Was immer Sie sehen -
das Wasser im Glas, das Glas, die Luft, aber auch die Freudin oder den Freund, die Topfpflanze, der Stuhl: Die
spezifische Wärme dieser und aller anderen Materialien birgt kein Geheimnis mehr; es ist glasklar, was
dahintersteckt und wie es zu berechnen wäre. |
|  | Und das alles bekommt man durch
die harmlose Definition der uns so vertrauten Temperatur als Maß für die im Köper steckende
ungeordnete Energie. |
 | Daß die Formel experimentell oft nicht
stimmte, war unerklärlich; sie war definitiv richtig. |
|  | Wir haben hier einen der
berühmten Stolpersteine der klassischen Physik zu
Beginn des 20. Jahrhunderts, der erst mit der Quantentheorie restlos beseitigt werden konnte. |
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 | Was ist Druck? Kraft pro Fläche; in Ordnung. Aber woher kommt die Kraft, die
auf die Innenseite der Fläche eines Köpers drückt, wenn darin ein Gas eingesperrt ist? Und warum nimmt
sie zu, sobald die Temperatur erhöht wird? |
|  | Einfach: Teilchen des Gases werden gelegentlich auf die Wand prallen, dort (per
Stoßgesetz) reflektiert werden, und dabei ihren Impuls p =
mv (aber nicht die Energie ½ mv2) ändern. |
|  | Die Impulsdifferenz geht an die Wand, und
da die Änderung eines Impulses eine Kraft
F darstellt, erfährt die Wand fortwährend kurze "Kraftstöße". In
Formeln haben wir |
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F = m · a = m · | dv dt | = | d(m · v)
dt | = | dp dt |
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 | Betrachten wir nicht nur ein, sondern N Teilchen, die mit der Dichte n das Volumen
V0 bevölkern (d.h. N = n · V0),
müssen wir für den Druck den Gesamteffekt aller Teiclhen betrachten. |
|  | Ständig knallen Teilchen gegen jede
beliebige Wand, die wir uns vorstellen können. Jedesmal ergibt es einen kurzen Kraft/Druckstoß - falls wir
genügend viele Teilchen haben, z.B. 6 · 1023 in irgendeinem Mol Gas - werden im Mittel pro
Zeiteinheit ziemlich viele und ziemlich genau gleichviele Stöße
stattfinden - wir beobachten einen konstanten Druck. |
 | Wieviele Teilchen knallen pro Zeiteinheit t auf eine Wand mit der Fläche
A, die z.B. senkrecht zur x-Achse des Koordinatensystems steht? |
|  | Einfach: Alle, die es innerhalb
t schaffen, von ihrem derzeitigen Aufenhaltsort bis zur Wand zu kommen, d.h. alle, die in einem Abstand
s = vx · t zur Wand zu finden sind. vx ist dabei
die x-Komponente der Teilchengeschwindigkeit v. |
|  | In anderen Worten: Es sind alle Teilchen
in dem Volumen Vx = A · s = A · vx ·
t. Mit der gegebenen Dichte n haben wir damit: |
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Zahl Stöße auf Wand pro t | = | n ·
Vx t | = | n · A ·
vx · t t | = n · A
· vx |
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 | Bei jedem Stoß wird das Teilchen
reflektiert, d.h. vx ändert sich zu – vx; der Impuls entprechend von
m · vx auf – m · vx. Die gesamte Impulsänderung dp/dt
ist also 2 · m · vx pro Teilchen. |
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 | Die gesamte auf die Wand in der Zeitenheit t ausgeübte Kraft
ist als |
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F | = | Zahl stoßender Teilchen ·
Impulsänderung pro Teilchen | | | |
| = | n · A · vx ·
2 · m · vx |
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 | Der Druck p ist nun
Kraft pro Fläche, falls wir unsere Gleichungen so wie sie sind nutzen,
erhalten wir |
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p = | F A | = 2 · n
· m · vx2 |
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|  | Das war jetzt etwas zu naiv;
es steckt noch eine Ungenauigkeit in der Sache, über die man schon mal nachdenken kann; wir kommen gleich
drauf. |
 | Trotzdem nicht schlecht; bleibt nur
noch zu klären, was genau vx2 in diesem Zusammenhang bedeutet. |
|  | Denn die realen Teilchen haben eine
Verteilung von Geschwindigkeiten, sowohl nach Richtung als auch nach Betrag. Unser
vx muß damit ein sinnvoll definierter Mittelwert sein.
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|  | Die notwendigen
Mittelwertbildungen sind durchaus ein bißchen trickreich; wie genau man hier mittelt ist in einem eigenen Modul im Detail erklärt. Hier eine
Kurzversion: |
 | Wir gehen davon aus, dass alle
Richtungen für v gleich wahrscheinlich sind; und für die Beträge gibt es irgendeine
Verteilung mit einem Maximum (eine Maxwell-Boltzmann Verteilung, um genau zu sein). Das sieht dann schematisch so aus
wie unten links gezeigt. |
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|  | Mittelt man über die vektorielle
Geschwindigkeit v, bekommt man als Mittelwert <v> = 0. Das sieht man sofort, falls man sich alle Geschwindigkeitsvektoren von einem
gemeinsamen Nullpunkt aus aufgetragen denkt wie links gezeigt. |
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|  | Betrachten wir aber nur den vektoriellen Mittelwert in die spezielle
+x Richtung, fällt die Hälfte aller Vektoren erstmal weg, den ihre
Komponente in die gewünschte allgemeine Richtung hat das falsche
Vorzeichen |
| |  | Das ist zum Beispiel für unser vx wichtig, denn nicht nur die Teilchen
in positive x-Richtung üben Druck aus, sondern auch die in
negative x-Richtung. Sie würden eine Platte, die einfach nur so
ein einem Gas hängt, auf der anderen Seite treffen und damit einen
entgegengesetzt gleichgroßen Druck ausüben - der Gesamtdruck wäre Null. Das ist es, was wir oben naiv
übersehen haben. |
| |  | Der Mittelwert <v> der Beträge
aller Geschwindigkeiten ist natürlich ein Skalar; sein Zahlenwert ist größer als
v+x, für dessen Bestimmmung wir ja die y- und z-Komponent des
Vektors "weggeworfen" haben. |
 | Was wir nun als eigentliche
Ausgangsgröße haben ist <v>, denn das
steckt in der kinetischen Energie der Teilchen, die wiederum die Temperatur
bestimmt. |
|  | Wie bestimmt sich
v+x, das wir brauchen, aus <v>,
das wir haben? Das ist relativ einfach auszu-x-en, wir brauchen nur die kinetische Energie anzuschauen,
und die läßt sich immer folgendermaßen in die Beiträge der Raumrichtungen aufgliedern (mal
darüber nachdenken!) |
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Ekin = | ½ m · <v>2 = ½ m · (<vx>2 + <vy>2 + <vz>2) |
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|  | Dabei ist
"natürlich" <vx> =
0, aber <|vx|> = <|v+x|> = <|v –x|> = <vy> = <vz> - wie gesagt: Kurz nachdenken! |
 | Damit gilt nun einfach <vx2> = 1/3 · <v2>, und unter Berücksichtigung des
zu streichenden Faktors 2 um den "Rückseitendruck" auszuschalten, erhalten wir für den Druck
auf eine Gefäßwand (d.h. Teilchen prallen nur von einer Seite auf): |
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p = | 1/3 · n · m · v2 = 2/3 ·
n · Ekin = 2/3 · n · ½ · 3 · kT =
n · kT |
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 | Nimmt man noch dazu, daß folgende
simple Beziehungen gelten: |
| | - Zahl der Teilchen N = n · V
-
Zahl z der enthalten Mole = N / AV (AV = Avogadrokonstante)
- k · AV = Gaskonstante R,
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|  | erhalten wir nach entsprechender
Umformung das allgemeine Gasgesetz |
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|  | Und damit haben
wir eigentlich die "Thermodynamik" der Gase hinreichend erschlagen! Nicht schlecht für einen im Grunde
sehr einfachen Ansatz! |
 | Und auch wenn das alles beim ersten
Durchgang noch etwas verwirrt, ist doch vielleicht klar geworden: |
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 | Die Natur von Temperatur und Druck sowie das
allgemeine Gasgesetz folgen unmittelbar, und mit im Grundsatz simpelster Mechanik, aus der Primärhypothese: |
|  | Wärme ist ungeordnete (Teilchen)bewegung - die Betonung liegt auf ungeordnet!. |
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© H. Föll (MaWi 1 Skript)