4.1.6 Volumendefekte

Was gibt es an Volumendefekten, d.h. dreidimensionalen Defekten? Das kann man sich nun leicht vorstellen:
1. Löcher oder Hohlräume - man sagt dazu aber auf gut Englisch immer "Voids", denn das Wort "Löcher" ist in der Materialwissenschaft schon vergeben (für fehlende Elektronen in Halbleitern).
So ein Hohlraum im Kristall kann sehr klein sein (Durchmesser im nm Gebiet) oder auch ziemlich groß (Durchmesser im µm, wenn nicht gar mm Gebiet).
Vielleicht ist der Hohlraum mit Vakuum, vielleicht aber auch mit einem Gas unter mehr oder weniger großem Druck gefüllt.
So ein Void kann eher kugelförmig sein oder länglich. Oft hat es eine geometrische Form, die der Kristallstruktur angepaßt ist (z.B. ein Oktaeder). Dann werden offenbar Oberflächenergien minimiert. Ist das Void sehr flach, nennen wir es Mikroriß (und betrachten es dann wieder al zweidimensionalen Defekt), vor allem wenn es bis zur Kristalloberfläche reicht. Beispiele für ein hübsches kleines Void und Mikrorisse zeigen die elektronenmikroskopischen Aufnahmen im Link
Voids entstehen z.B. direkt bei der Herstellung, insbesondere beim Sintern von Keramiken (d.h. "Zusammenbacken" kleiner Keramikkriställchen zu einem großen Körper), durch die Zusammenballung vieler Leerstellen, durch den Aufstau vieler Versetzungen (das gibt dann Mikrorisse), durch die Agglomeration von ins Gitter (als extrinsische atomare Defekte) eingebaute Gasatome (vor allem Wasserstoff; führt ebenfalls zu Mikrorissen) und insbesondere durch Bestrahlung eines Kristalls mit Teilchen aller Art.
Voids sind zwar wichtige Defekte, aber bei weitem nicht so wichtig wie:
2. Ausscheidungen, oder Präzipitate (engl. "precipitate")
Ausscheidungen sind einfach vollständig in die Matrix des Wirtskristalls eingebettete andere Phasen, sozusagen mit Festkörpern (gelegentlich auch Flüßigkeiten) gefüllte Voids. Wie Voids kommen auch Ausscheidungen in allen Größen und Formen vor, auch dazu sind einige elektronenmikroskopische Bilder im Link.
In der Regel unterstellt man mit dem Wort "Ausscheidung", daß sie sich im Kristall erst gebildet hat, z.B. durch Diffusion und Agglomeration von Fremdatomen beim Abkühlen. In anderen Worten: direkt nach dem Erstarren einer Schmelze sind Ausscheidungen noch nicht vorhanden.
In den Kristall eingebettete Teilchen, die schon immer da waren (weil sie z. B. schon in der Metallschmelze herumschwammen und beim Erstarren einfach in das Kristallgitter eingebaut wurden), heißen eher Dispersionspartikel.
Ausscheidungen können also wachsen und schrumpfen - je nachdem, ob die beteiligten Atome zur Ausscheidung hin- oder von ihr wegdiffundieren.
Einige Beispiele:
  • SiO2 Partikel im Si
  • CuAl2 im Al
  • C (Graphit) im Gußeisen
Ausscheidungen spielen bei vielen Materialeigenschaften eine sehr wichtige und positive Rolle. Auf ihnen beruhen praktisch alle hochfesten Metallegierungen; wir werden das in Kap. 8 noch näher kennenlernen.
Auscheidungen können aber auch sehr schädlich sein: Einige wenige winzig kleine NiSi2 Ausscheidungen im Si einer integrierten Schaltung sind tödlich. Könnte man bestimmte Frematome im Magnesium davon abhalten, sich beim Abkühlen eines Mg-Gußstücks auszuscheiden, wäre Mg viel korrosionsresistenter als wir es kennen.
Mehr muß hier nicht dargestellt werden. Wesentlich interessanter als eine Zoologie der verschiedensten Ausscheidungstypen ist ihre Wachstumsdynamik: Wie und warum wachsen und schrumpfen sie? Dazu müssen wir uns im nächsten Unterkapitel die Beziehungen zwischen den verschiedenen Defekttypen ansehen.
Fragebogen
Multiple Choice Fragen zu 4.1.6

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)