9.4 Der pn-Übergang

9.4.1 Grundsätzliches

Das Banddiagramm im Gleichgewicht

Der pn-Kontakt oder pn-Übergang ist ein Kontakt zwischen einem p- und einem n-dotierten Halbleiter derselben Sorte.
Also ein Kontakt p-Si/n-Si oder p-GaAs/n-GaAs , nicht jedoch z.B. ein Kontakt p-Si/n-GaAs – das gibt es auch, wir nennen es aber einen Heteroübergang.
Und das ist gut so! Heteroübergänge sind nämlich schwierig, und pn-Übergänge sind einfach – vergleichsweise jedenfalls.
Wenn man überlegt, was uns das 20. Jahrhundert so alles beschert hat, wird der Transistor (und damit der pn-Übergang) als "Paradigma" in jeder Liste ziemlich weit vorne stehen – beim Kühlschrank, der Atombombe, dem Flugzeug, der Antibabypille, dem Automobil und den Antibiotika.
Damit verbunden sind die Namen John Bardeen (1908–1991), Walter Brattain (1902–1987) und William Shockley (1910–1979); alles Physik-Nobelpreisträger; einer sogar ein zweifacher (welcher wohl und warum?).
Wir benutzen jetzt einfach unser Rezept zur Konstruktion beliebiger Kontakte und konstruieren uns das Banddiagramm eines pn-Übergangs:
Konstruktion p-n-Kontakt; 
Schritt 1
  1. Zeichne die Fermienenergie als horizontale Linie; markiere den Kontakt.

Konstruktion p-n-Übergang; 
Schritt 2
  2. Zeichne "weit" links vom Kontakt das schematische Banddiagramm von Material 1 und weit rechts das von Material 2 – immer relativ zu der zuvor festgelegten Fermienergie.
  Links ist hier also p-Si, rechts ist n-Si. Die Dotierung links und rechts ist ähnlich, angedeutet durch gleich viele Majoritätsladungsträger.

Konstruktion p-n-Übergang; 
Schritt 3
(Hinweis: In dieser Abbildung sind die Teilströme noch englisch beschriftet: Diffusionsstrom = forward current jF, Feldstrom = reverse current jR)
  3. Verbinde Leitungs- und Valenzband durch eine "gefühlsmäßig" gezeichnete Bandverbiegung.
  Die Elektronen und Löcher sind beweglich, sie können jetzt im Prinzip von einer Seite zur anderen fließen (nicht jedoch die ortsfesten geladenen Dotieratome). Sie tun das auch – unser "Rezept" beruht ja gerade darauf, daß sich Ladungen verschieben.
  Aber auch nachdem die notwendigen Verschiebungen stattgefunden haben, werden Elektronen und Löcher noch von einer Seite zur anderen fließen – sie diffundieren schließlich ziellos durch die Gegend und "wissen" nichts von einem pn-Übergang; sie spüren nur das damit verbundene elektrische Feld.
  Es fließen als ständig Ströme. Das ist im Bild schon berücksichtigt; wir haben Strompfeile eingemalt, die andeuten sollen, daß es sich um ein dynamisches Gleichgewicht handelt, wie schon besprochen. Auch die Weite der Raumladungsgzone (= Bereich der Bandverbiegung) ist angegeben.
Soweit das Rezept. Wir haben damit relativ schmerzlos das Banddiagramm eines pn-Übergangs konstruiert. Aber was ist denn eigentlich physikalisch passiert? Welche Ladungen sind in der Raumladungszone? Wie soll man sich das Ganze vorstellen?
Nun – genauso wie beim Kontakt zwischen Volumen und Oberfläche, nur daß die vielen Elektronen des n-Si jetzt überall im p-Si viele freie, energetisch tiefer liegende Plätze finden, nicht mehr nur in einer dünnen Schicht wie zuvor. Für die Löcher des p-Si ist es genau umgekehrt.
Die Möglichkeit, durch Besetzung der energetisch tiefer liegenden Plätze Energie zu gewinnnen, ist also genauso da wie beim Oberflächen-Volumen Kontakt, und das kann man als treibende Kraft für das Eindringen der jeweiligen Majoritätsladungsträger in die andere Si-Hälfte betrachten.
Daß im Bereich der Raumladungszone keine (als Symbol für sehr wenige) Elektronen und Löcher eingezeichnet sind, hat zwei Gründe:
  1. Die Fermienergie ist weiter weg von den Bandkanten, damit geht die Gleichgewichtskonzentration exponentiell runter und erreicht etwa in der Mitte den (kleinen) Wert ni.
  2. Majoritätsladungsträger, die von weiter weg in die RLZ hineinwandern, werden durch das große elektrische Feld schnell wieder hinausgepült – das ist der eingezeichnete Strom!
Wir können die Situation aber auch ein bißchen weniger pauschal und ein bißchen mehr aus Sicht der Ladungsträger betrachten. Das ist sehr nützlich zum tieferen Verständnis und für spätere Berechnungen.
Dazu müssen wir und klar machen, daß Elektronen und Löcher ziemlich beschränkt sind – sie wissen nichts von Konzentrationen und Konzentrationsgradienten, von freier Enthalpie und Plätzen niedrigerer Energie, von ihrer Sterblichkeit via Lebensdauer oder wie, wann, wo und weshalb sie generiert wurden – es ist also ein bißchen so wie bei Erstsemestern oder Geisteswissenschaftlern.
Ein Elektron (und ein Loch genauso) läuft nur ziemlich stur durch den Kristall und stößt sich mit dieser und jenem. Falls diese oder jener gerade paßt, rekombiniert es mit ihm. Ansonsten spürt es allenfalls noch vorhandene elektrische Felder, die in seiner Bewegung wie Bergauf- oder Bergab-Situationen wirken.
Warum dann der Drang zu den energetisch tieferen Plätzen?
Einfach: Weil dort beim pn-Überagng weniger Kollegen sind. Und jede Zufallsbewegung produziert nun mal ganz automatisch einen Diffusionsstrom in Richtung der kleineren Konzentration, obwohl jedes Teilchen für sich völlig "random" läuft. Das haben wir uns ausführlich angesehen!
Kollektivphänome sind eben nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Teilchen oft nicht aus dem Verhalten einzelner Mitglieder einer Gruppe unmittelbar zu erkennen. Und auch bei Ladungsträgern muß man genau darauf achten, ob man die Einzelgänger oder das Kollektiv betrachtet.
Es ist also nur der Konzentrationsgradient, der die Elektronen ins p-Gebiet (und die Löcher ins n-Gebiet) treibt. Hätten wir neutrale Atome, also ein typisches Diffusionsproblem, wäre nach einiger Zeit die Konzentration ausgeglichen und hätte überall denselben Wert. Bei unseren geladenen Teilchen verhindern dies aber zwei Faktoren:
1. Falls sich ein Elektron ins p-Si begibt, gibt es dort keine Ladungskompensation für die zusätzliche negative Ladung, denn positiv geladene Donatoren gibt es im p-Si eben nicht. Zwar haben wir viele positiv geladene Löcher, aber die sind bereits mit den negativ geladenen Akzeptoren austariert und können keine Zusatzladungen kompensieren.
Wir haben jetzt zuviel negative Ladungen im p-Si und, wegen der Symmetrie mit den Löchern, zuviel positive Ladungen im n-Si . Wiederum verschieben sich die Potentiale, und wir bauen ein elektrisches Feld auf. Die Diffusion erfolgt jetzt "bergauf", irgendwann käme sie zum Stillstand.
2. Die ins p-Si gewanderten Elektronen und die ins n-Si gewanderten Löcher sind dort Minoritätsladungsträger, sie addieren sich zu den bereits vorhandenen Minoritäten, die in der jeweiligen Gleichgewichtskonzentration vorliegen.
Wiederum gilt aber: Alle Ladungsträger sind gleich, sie werden also genau wie die bereits vorhandenen Minoritäten nach Ablauf ihrer Lebensdauer t rekombinieren und weg sein – sie verschwinden einfach; der Berg wird flacher, Nettodiffusion kann wieder stattfinden.
Selbstverständlich wird sich jetzt ein Gleichgewicht einstellen, und es werden genauso viele Elektronen und Löcher per Diffusion nachgeliefert, wie per Rekombination verschwinden. Denn die Generationsrate, die uns sonst die Minoritäten produziert, hat keinen Grund sich zu ändern.
Der letzte Satz enthält einen tiefen Gedanken, dem wir hier aber nicht weiter nachgehen wollen – wer tiefdenken will, betätigt den Link.
Es fließt also ein ständiger Strom an Elektronen vom n-Si ins p-Si, und der muß – immer im Gleichgewicht – durch einen entgegengesetzt gleichgroßen Strom kompensiert werden, soviel ist klar (denn sonst läge kein Gleichgewicht vor).
Man könnte natürlich auch sagen: Was soll's – der Gesamtstrom ist = 0, das wissen wir; warum die ganze Philosophie um gleichgroße Hin- und Rückströme und so weiter?
Das ist zwar nicht falsch, aber genauso ungeschickt wie zu sagen: Solange sich mein Kontostand nicht ändert, findet kein Geldtransfer statt, es wird nichts eingezahlt und abgehoben. Das wäre nicht nur in der Regel nachweislich falsch, es wäre auch eine kurzsichtige Denke; inbesondere, wenn Einzahlungen und Abhebungen recht groß sind.
Denn auch wenn sie sich im Gleichgewicht genau kompensieren – eine kleine Störung, und die Effekte werden sofort drastisch. Es ist schon besser, die Teilströme immer im Auge zu behalten.
Das wird uns noch ausführlich beschäftigen, jetzt wollen wir aber erst mal ein Ortsdiagramm des pn-Übergangs anschauen.
p-n-Übergang 
im Ortsraum
In Grunde ist alles wie gehabt – aber, wie schon gesagt, die Ströme werden uns noch ausführlich beschäftigen.
Um genauere Aussagen über das Banddiagramm zu bekommen, müssen wir natürlich wieder die Poisson-Gleichung lösen. Qualitativ ist das wieder ganz einfach; es ist in einem eigenen Modul behandelt. Quantitativ bringt es gegenüber der alten Übung nur mehr Rechenarbeit, aber nichts wirklich Neues. Was wir aber auch so mit großer Gewißheit vermuten können, ist:
Die Form wird sich wohl aus Parabeln zusammensetzen lassen. Aber das ist eigentlich ziemlich egal, denn die Form einer Energiebarriere – und um eine solche handelt es sich ja – hat uns noch nie besonders interessiert.
Die Gesamtausdehnung dRLZ wird wohl wieder mit (1/N D)½ skalieren – nur für die Dotierkonzentration ND, die ja links und rechts verschieden sein kann, müssen wir wohl eine Art Mittelwert verwenden. So ist es; was herauskommt, ist einfach
d RLZ  =   1 
e
æ
ç
è

2 ·e Si · e0 · DE F · æ
è
1
NA
 +   1
ND
ö
ø
ö
÷
ø
½
Wie groß ist nun so eine Raumladungszone unter realistischen Umständen? Nun – man kann's mit der Formel leicht ausrechnen, man kann aber auch die Illustration anschauen.
Wir merken uns nur: Sie kann im Extremfall im 100 µm oder auch nur 10 nm breit sein. Der typische Wert ist aber um 1 µm.
Bevor wir uns jetzt den Strömen widmen, wollen wir aber noch schnell die Konzentrationen der Ladungsträger im Gleichgewicht qualitativ anschauen.
Wir beginnen wieder mit dem fertigen Bild, und schauen ob wir per Bildbetrachtung eine sinnvolle Interpretation hinbekommen.
Ladungsträgerkonzentration 
über einen p-n-Komtakt
Links gibt es viele Löcher und wenige Elektronen; das ist eindeutig das p-dotierte Gebiet.
Rechts ist entsprechend das n-Gebiet. Da die Elektronenkonzentration im n-Gebiet höher ist als die Löcherkonzentration im p-Gebiet, ist die n-Seite höher dotiert als die p-Seite; der pn-Übergang ist also asymmetrisch.
In der Raumladungszone gehen die Konzentrationen "irgendwie" vom hohen auf den niedrigen Wert. Unvermeidlich werden sie sich aber in einem Punkt schneiden. Dieser Punkt ist mit "ni" markiert, also mit der intrinsischen Ladungsträgerkonzentration. Warum? Weil wir immer noch Gleichgewicht haben und damit das Massenwirkungsgesetz immer gilt. Gleichheit von Elektronen- und Löcherkonzentration kann damit nur bei n i vorliegen.
In der Raumladungszone sind immer noch alle Dotieratome vorhanden, aber nicht mehr durch eine entsprechende Anzahl von Majoritätsladungsträgern elektrisch neutralisiert.
Im Grunde ergeben sich natürlich alle Konzentrationen aus dem Abstand der Fermienergie zu den jeweiligen Bändern; der Abstand ergibt sich aus der Bandverbiegung, und diese aus der Lösung der Poisson-Gleichung – wer will, kann sich ans Werk machen, mit oder ohne Näherungen, für jede Temperatur.
Viel Spaß! Aber was wollen wir eigentlich ausrechnen? In erster Linie eigentlich die Strom-Spannungs-Kennlinie eines pn-Übergangs.
Das bekommen wir aber mit dieser Art von Rechnung gar nicht. Stromfluß heißt nämlich Nichtgleichgewicht – wir müssen erstmal wieder scharf nachdenken!
Das tun wir jetzt aber erst im nächsten Unterkapitel.
Fragebogen
Schnelle Fragen zu 9.4.1

Mit Frame Zurueck Weiter als PDF

© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)