3.2 Einige wichtige Kristalle

3.2.1 Dichteste Kugelpackungen

Dichteste Kugelpackungen sind uns schon mehrfach begegnet. Sie sollten automatisch auftreten, falls Atome der gleichen Sorte ungerichtete Bindungen eingehen. Wir haben auch schon gesehen, dass eine dichteste Kugelpackung in zwei Varianten vorkommt:
Hier schauen wir uns diese beiden Varianten schnell noch etwas genauer an.
Wir verwenden eine neue Methode, um einen dicht gepackten Kristall zu bilden: Wir arrangieren seine Bausteine (die Basis) erst mal in einer Ebene (hier also schlicht Atome derselben Sorte), und wir packen sie gleich noch so dicht als möglich.
Das sieht ohne Zweifel so aus wie unten links gezeigt.
Dichteste Kugelpackung 1 Dichteste Kugelüackung 2
Dicht gepackte Atomlage auf einer Ebene Die zweite dicht gepackte Atomlage
Danach legen wir einfach die nächste Atomlage auf die schon vorhandene erste Lage. Die Atome wollen möglichst dicht zusammenhocken; damit sitzen die Atome der 2. Lage ganz natürlich in den Kuhlen der 1. Lage; so wie oben rechts gezeigt.
Um die Lagen auseinanderhalten zu können, nennen wir die erste Lage die "A"-Lage, die zweite Lage die "B"-Lage.
Und so weiter. Die 3. Lage kommt auch wieder "auf Kuhle".
Ja, schon – aber auf welche? Wenn wir genau hinschauen, gibt es jetzt zwei grundsätzlich verschiedene Kuhlensorten, wie unten links gezeigt.
Dichteste Kugelpackung 3 Dichteste Kugelpackung 4
Die zwei Kuhlensorten der zweiten Lage Die zwei möglichen Stapelfolgen
Unterhalb der "hex-Kuhlen" liegt ein Atom der A-Lage, unterhalb der "fcc-Kuhlen" liegt eine Kuhle der A-Lage. Wenn wir das nicht berücksichtigen, sondern einfach an verschiedenen Stellen mal ein Atom der dritten Ebene draufpacken (wie oben rechts gezeigt) und dann weitermachen, wird es ein Problem geben – wie oben rechts gezeigt.
Falls wir Atomlagen, die exakt übereinandersitzen, den gleiche Buchstanben geben, haben wir die Stapelfolgen ABA... und ABCAB... realisiert, denn im Bild oben links müssen wir den grünen Atomen einen eigenen Buchstaben als Lagenkennzeichnung geben; sie liegen nicht über den A- oder B-Lagenatomen.
Wie geht's weiter? In Prinzip könnte man jede Stapelfolge machen, die eine Kopf-auf-Kopf-Situationen vermeidet, also zum Beispiel ABCABACBABCABAC...; nicht aber zum Beispiel ABCAABCCB.... Das ist dann aber möglicherweise kein Kristall mehr, falls es "nach oben" keine Periodizität mehr gibt. (Mit unterschiedlich großen Perioden kommt sowas in der Natur aber durchaus vor, siehe z.B. die vielen Polytypen des SiC [vgl. hier]!)
Mutter Natur hat es oft (aber nicht immer) einfach und ordentlich und macht deshalb (fast) nur diese Stapelfolgen:
  • ABABABAB... = "Hexagonal close packed" (hcp): Kristall gebildet aus dem hexagonalen Gitter mit zwei Atomen in der Basis (bei (0,0,0) und bei (S,S,½ )).
  • ABCABCABC... = fcc-Gitter mit einem Atom in der Basis.
Es ist automatisch klar, dass die Packungsdichte (= durch Kugeln besetztes Volumen der Elementarzelle in %) in beiden Fällen exakt gleich ist - es sind 74 %. Mehr geht nicht – weniger schon. Ein bcc-Kristall mit einem Atom in der Basis liegt zum Beispiel bei 68 %.
Wer die Übungsaufgabe schon gemacht hat, weiß, warum das so ist. Wer die Aufgabe nicht gemacht hat, schaut sich das Bild unten an und kommt selbst zum Schluss, dass die ABCABC...-Stapelfolge wie oben gezeichnet nichts anderes ist als ein Blick auf die {111}-Ebenenschar des fcc-Kristalls.
Fcc Kristall und dichteste 
Kugelpackung
Mit einem Atom in der Basis des fcc-Gitters, das dann auf den Ecken und Seitenmitten des Würfels sitzt, kristallieren z.B. Al, Ni, Cu, Pd, Ag, Pt, Au sowie alle Edelgase. Das deckt etwas weniger al 30 % der Elemente ab. Etwa 35 % aller Elemente kristallisieren in einem hcp-Kristall, darunter beispielsweise Mg, Re, Co, Zn, Cd, C (als Graphit), aber auch z.B. N bei tiefer Temperatur.
Das ist eigentlich klar, denn z.B. alle Metalle sollten wegen ihrer ungerichteten Metallbindung automatisch in einer dichtesten Kugelpackung kristallisieren.
Zwei Fragen dürfen sich jetzt aufdrängen:
  1. Warum tun das nicht alle? Was hindert die ca. 30 % der Elementmetalle im Periodensystem (z. B. K, Rb, Cs, V, Nb, Ta, Cr, Mo und W) daran, in einer dichtesten Kugelpackung zu kristallisieren?
  2. Nach welchen Kriterien wählt Mutter Natur zwischen den beiden dichtesten Kugelpackungen aus? Warum hat Nickel (Ni) die fcc-Struktur, das sehr ähnliche Kobalt (Co) aber die hexagonale?
Die Antwort ist nicht einfach – wir werden später darauf zurückkommen. Es hat etwas mit Entropie zu tun, dem Grad der Unordnung, und damit auch etwas mit der Temperatur.
Mutter Natur macht die Sache sogar noch spannender: Nicht ganz wenig Metalle ändern ihre Kristallstruktur mit der Temperatur. Zwei Beispiele:
  • Eisen (Fe): Schmelzpunkt (1535 oC) – 1402 oC: bcc;
    1402 oC – 910 oC: fcc;
    910 oC – 273 oC: bcc.
  • Kobalt (Co): Schmelzpunkt (1495 oC) – 440 oC: fcc;
    440 oC – 273 oC: hcp.
Das ist nicht nur "interessant", sondern hat gewaltige technische Konsequenzen für die "metal bending industry"! Da uns die aber nicht so toll interessiert, gehen wir hier nicht darauf ein.
 
Hier noch eine etwas anspruchsvollere Übung zur dichtesten Kugelpackung im fcc-Gitter:
Übungsaufgabe
Aufgabe 3.2-1
Fragebogen
Schnelle Fragen zu 3.2

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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)