6.4 Einfache Bauelemente

6.4.1 Solarzellen

Vorbemerkungen

Aus Sicht der Anwender ist eine Solarzelle ein flächiges Gebilde mit zwei elektrischen Anschlüssen. Fällt Licht auf die Vorderseite der Solarzelle, baut sich zwischen den Anschlüssen eine meßbare Spannung U auf, mit der man einen Strom I durch einen Lastwiderstand R treiben kann.
Damit wird Energie umgesetzt; aus hn aller Photonen, die in der Zeit Dt auf die Solarzelle treffen, wird U · I · Dt.
Es stellt sich automatisch die Frage nach dem Wirkungsgrad h = Eraus / Erein = (U · I · Dt) / (Shn), der absoluten Leistung pro Flächeneinheit und dem Preis für die kWh.
Aus Sicht der Materialwissenschaft ist eine Solarzelle eine Diode – ob pn-Kontakt-Diode oder Schottky-Diode, ist erstmal egal. Damit stellen sich viele Fragen:
1. Wie funktioniert das generell?
2. Welche Eigenschaften des verwendeten Halbleitermaterials (z.B. Si oder CuInSe2) nehmen Einfluß auf den Wirkungsgrad? Warum? Wie genau?
3. Welche Eigenschaften der mit einem gegebenen Halbleiter hergestellten Diode (inkl. Kontakte, Antireflexschicht,etc.) nehmen Einfluß auf den Wirkungsgrad? Wie genau?
4. Mit den Antworten auf die Fragen 2. und 3. kann man den Wirkungsgrad optimieren. Es bleibt die vielleicht wichtigste Frage:
5. Wie optimiert man das Preis-Leistungs-Verhältnis?
Die Rekapitulation der in den letzten 20 Jahren gemachten Anstrengungen zur Beantwortung der Frage 4. und 5. füllt locker ein 100.000 Seiten starkes Buch (die "Proceedings" der jährlichen internationalen Solarkonferenzen füllen alleine einige 1.000 Seiten); wir wollen hier so gut wie nicht darauf eingehen.
Einige Anmerkungen zu einem kleinen Unterthema finden sich im Link.
Weiter Daten und Informationen finden sich im Hyperskript "Semiconductor Technology" im Kapitel 8. Dort finden sich auch allgemeine Daten und Bemerkungen zum Thema "Du und Dein Energieverbrauch".
     
Maximaler Wirkungsgrad und absolute Energieproduktion
   
Photonen mit einer Energie größer als die Bandlücke werden im Halbleiter absorbiert. Sie befördern ein Elektron aus dem Valenzband ins Leitungsband, generieren also ein Elektron-Loch-Paar.
Den grundlegenden Prozeß der Absorption haben wir bereits ausführlich betrachtet; hier ist nochmals das zugehörige Bild:
Band-Band-Übergänge
Wie auch immer die Solarzelle funktioniert, wir erkennen sofort wichtige grundsätzliche Beschränkungen für den Wirkungsgrad:
1. Alle Photonen mit hn < EG werden nicht absorbiert; die in diesem Anteil des Sonnenspektrums enthaltene Energie ist verloren. Das spricht natürlich dafür, ein Material mit relativ kleiner Energielücke zu wählen.
2. Die Differenz hn  –  EG von Photonenenergie und Energielücke geht als Wärme ans Gitter, da die generierten Ladungsträger sich durch Thermalisierung sehr schnell zur Bandkante begeben. Das spricht natürlich dafür, ein Material mit relativ großer Energielücke zu wählen.
Wir haben ein klassisches Dilemma (griechisch; Zwangslage; Wahl zwischen zwei Übeln). Politiker vermeiden in so einem Fall eine Entscheidung und fangen zur Ablenkung einen Krieg an (oder zerreden das Problem bis zur Unkenntlichkeit); Theologen postulieren, dass durch göttliche Intervention irgendwie doch beides gleichzeitig geht (Kinder haben und Jungfrau bleiben!). Ingenieure wissen, daß jetzt nur noch die Optimierung hilft: Wir machen das Beste daraus.
Dazu muß man aber erstmal die Zusammensetzung des auf die Solarzelle fallenden Lichtes kennen, also das solare Spektrum für terrestrische Anwendungen (als Abgrenzung zur Raumfahrt) so wie es bei uns auf dem Grund des Luftozeans ankommt.
Das ist natürlich bekannt; in einem Illustrationsmodul kann es in allen Details betrachtet werden
Letztlich erhält man folgendes Ergebnis:
1. Die optimale Bandlücke EGopt liegt bei ca. 1,4 eV (also gerade noch im Infraroten); GaAs würde als Material gut passen.
2. Der zugehörige maximale Wirkungsgrad ist hmax(EGopt) » 30%. Mehr ist aus einer Solarzelle aus einem Optimalmaterial nicht herauszuholen.
3. Für Si mit einem nicht optimalen Bandgap von 1,1 eV erhält man hmax(Si) » 28% .
Real erzielbare Wirkungsgrade in einer Massenproduktion sind niedriger. hreal(Si) » (15 - 17) % kann derzeit (2009) als guter Wert gelten. (Nachtrag: Im Jahr 2016 gilt ein Wirkungsgrad um die 20 % als Standard.)
Die absolute Leistungsdichte der Sonnenstrahlung (Äquator, "high noon", keine Wolken) liegt ganz grob (und leicht zu merken) bei 1 kW/m2. Daran wird auch noch soviel Forschung nichts ändern. Allenfalls die Zerstörung der Ozonschicht (O3) bringt hier Fortschritte, wie ein Blick ins Spektrum zeigt; aber zu Risiken und Nebenwirkungen sollten sie hier wirklich dringend ihren Arzt und Apotheker befragen (und eventuell ihren Politiker schlagen)!
Der maximale Output einer Solarzelle mit h = 10% liegt demnach (Faustregel!) bei 100 W/m2.
Da aber auch am Äquator nachts die Sonne nicht scheint und in höheren Breiten noch ein cos des Breitengrades einberechnet werden muß, wird man als Mittel über alles (Tag/Nacht, Sonne/Regen, Sommer/Winter, Tropen/Arktik) ganz ganz grob allenfalls 10 % der Peakleistung im Jahresmittel ernten, also gerade mal 10 W/m2.
Das sind aber alles glattte "Zehnerzahlen" zum Merken; in Wahrheit liegen wir günstiger; derzeit (2006) etwa bei mittleren 13 W/m2.
Es kann also nur darum gehen, das prinzipiell Mögliche erst mal überhaupt, und dann auch noch billig zu erreichen.
Es wird Zeit für eine Übungsaufgabe
Übung 6.4-1
Solarenergie quantitativ
 
Grundsätzliche Funktionsweise einer Solarzelle
   
Wie macht eine Diode Strom aus Licht?
Zunächst produzieren wir durch die Photonen zusätzliche Elektron-Loch-Paare, d.h. wir erhöhen im Gebiet der Lichtabsorption die Generationsrate.
Damit erhöhen wir insbesondere die Minoritätsladungsgträgerkonzentration signifikant gegenüber der Gleichgewichtskonzentration; bei den Majoritäten wird es (prozentual) sehr viel weniger ausmachen.
Diese zusätzlichen Minoritätsladungsträger diffundieren im Halbleiter herum; nach der Zeit t werden sie per Rekombination wieder verschwinden – falls sie nicht an die Kante der Raumladungszone gelangen und als zusätzlicher Feldstrom jFeld(solar) den Abhang hinunterfallen (bzw. bei Löchern hinauf). Denn da wir eine Diode haben, haben wir auch immer eine RLZ.
Wir halten fest:
Der Anteil an photogenerierten Minoritätsladungsträgern, der per Zufallswanderung an die Kante der Raumladungszone gelangt, erzeugt einen zusätzlichen Feldstrom, der zunächst nicht durch einen entsprechend großen Durchlaßstrom kompensiert wird.
Dieser Anteil wird von der Absorptionstiefe und der Diffusionslänge der Minoritäten im betreffenden Material abhängen: Minoritäten, die tief im Inneren des Halbleiters generiert werden, haben keine große Chance, innerhalb ihrer Lebensdauer bis an die Raumladungszone zu gelangen – es sei denn, die Diffusionlänge L ist entsprechend groß.
Damit wird der schon einmal kurz eingeführte Materialparameter "Absorptionskoeffizient" a interessant. Die mittlere Tiefe, in der ein Photon der Wellenlänge l in einem Halbleiter absorbiert wird, kann für Licht mit Energien in der Nähe der Bandkante relativ hoch sein – insbesondere beim indirekten Halbleiter Si. Wir brauchen also große Diffusionslängen (= perfektes, teures Material), um die photogenerierten Ladungsträger überhaupt zur RLZ zu bekommen.
Es ist inzwischen hoffentlich auch ohne direkten Hinweis klargeworden, daß nur der zusätzliche Feldstrom jFeld(solar) = jPhoto als externer Strom zur Verfügung steht.
Das schauen wir uns jetzt etwas genauer an:
 

Solarzelle
Das (infra-)rote Licht dringt tief ein; das generierte Elektron im (p-dotierten) Volumen der Diode kann per Rekombination im Volumen oder an der Rückseite "sterben". Es kann aber auch bis zur Vorderseite gelangen und dort als Photostrom ausgekoppelt werden, falls die Diffusionslänge groß genug ist. Das violette Licht wird dagegen in oder dicht unter der (dünnen, ca. 0,5 µm) n-Schicht absorbiert und trägt dann fast immer zum Photostrom bei. Der Photostrom ist immer ein zusätzlicher Sperr- bzw. Feldstrom mit der Abkürzung jSC.
Was geschieht mit dem zusätzlichen Feldstrom jSC? Wir können das auf zwei Weisen betrachten: Qualitativ oder quantitativ. Letzteres jetzt sogar ohne noch groß nachzudenken – mit Hilfe der Diodengleichung. Aber wir beginnen noch mal qualitativ:
Dazu stellen wir uns jetzt vor, daß wir die Diode kurzschließen. Der zusätzliche Feldstrom wird dann durch den äußeren Stromkreis zur Rückseite der Diode fließen und dort mit den zurückgelassenen Majoritäten rekombinieren – denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht, die Minoritäten wieder mit den Majoritäten zusammenzubringen.
Wir haben damit einen wichtigen Solarzellenparameter definiert: Den Kurzschlußstrom jSC ; "SC" steht für "short circuit".
Im anderen Extremfall lassen wir den Stromkreis offen. Damit stören wir die Ladungsverteilung des Gleichgewichts. Da kein Strom fließen kann, wird sich ein neues Gleichgewicht einstellen, indem sich im Beispiel die n-Seite so lange negativ auflädt (ihr Potential erhöht und die Energieschwelle erniedrigt), bis der dann zunehmende Durchlaßstrom den zusätzlichen Feldstrom wieder exakt kompensiert.
Die dazu notwendige, über die Kontaktspannung hinausgehende Potentialdifferenz ist jetzt als äußere "Leerlaufspannung" UOC meßbar ("OC" steht für "open circuit"), da sie nicht mehr durch die Summe der anderen Kontaktspannungen kompensiert wird.
Viele Worte – quantitativ ist es viel einfacher.
 
Quantitative Betrachtung
   
Wir müssen nur den zusätzlichen Feldstrom jFeld(solar) – in unsere Gleichungen schreiben und sind fertig.
Wir erhalten als Diodengleichung bei Beleuchtung:
j(Uex)  =   æ
ç
è
e · L · nMin(L)
t
+ e · L · nMin(V)
t
ö
÷
ø
· æ
ç
è
exp ( eUex
kT
)  –  1 ö
÷
ø
 –  jFeld(solar)
Wir müssen nur immer jFeld(solar) abziehen, denn alles andere bleibt unverändert. Damit kann man sofort loslegen und rechnen; einfacher ist es zunächst, sich die resultierende Kennlinie graphisch anzuschauen.
Wir nehmen einfach die alte Zeichnung und ziehen – je nach Lichteinfall – einen mehr oder weniger großen konstanten Photostrom ab. Das sieht dann so aus:
Kennlinie 
Solarzelle
Alles ist klar und berechenbar; wir erhalten sofort die wesentlichen Solarzellenparameter.
Leerlaufspannung, Kurzschlußstrom, was immer wir wollen, wir können es ausrechnen als Funktion der Material- und Technologie Parameter sowie der Temperatur.
Zum vollständigen Glück fehlt uns nur noch jFeld(solar) selbst, der zusätzliche beleuchtungsinduzierte Feldstrom. Der ist aber nicht so ganz einfach zu packen.
Er hängt zunächst ab von der Tiefenverteilung der generierten Minoritäten, und damit vom Lichtspektrum und dem Absorptionskoeffizienten.
Dann von der Diffusionslänge, die uns sagt wie groß die Chance ist, die Entfernung bis zum pn-Übergang zurückzulegen.
Weiterhin sind Technologieparameter wichtig; ein Beispiel dazu: Wird die Minorität "reflektiert", falls sie zufällig an der Solarzellenrückseite vorbeikommt (und hat damit eine Chance doch noch nach vorne zu kommen), oder wird sie dort rekombinieren? Das hängt davon ab, wie man den Rückseitenkontakt macht.
Wie auch immer: Wir kennen den maximalen Wert jFeldmax(solar): maximal ein Ladungsträger pro absorbiertem Photon fließt ab. Das ist die notwendige (aber nur sehr schwer zu erreichende) Voraussetzung für den maximalen Wirkungsgrad hmax.
Und wir wissen: jFeldmax(solar) erhalten wir nur, falls die Diffusionslänge L sehr groß wird – deutlich größer jedenfalls, als die Absorptionslänge für die langwelligste Strahlung, die wir noch "mitnehmen" wollen.
Für Si bedeutet das dann Diffusionslängen von einigen 100 µm – gigantische Distanzen für ein kleines Elektron!
Wir haben wieder mal ein schönes Beispiel für praxisorientierte Ausbildung. Die Wirkungsweise der Solarzelle wird einfach und berechenbar mit Hilfe – und nur mit Hilfe – der "Theorie".
 
Die Praxis
   
Nutzbar zur Energieerzeugung ist nur der 3. Quadrant der Kennlinie - nur dort entsteht eine photogenerierte Spannung. Das schauen wir uns etwas genauer an
 
Die ausgekoppelte Leistung ist Strom mal Spannung; sie ist Null für maximalen Strom oder maximale Spannung
Füllfaktor einer Solarzelle
Wir müssen also einen optimalen Arbeitspunkt suchen, bei dem die abgegebene Leistung maximal wird.
Die Leistung ist für jeden Arbeitspunkt direkt gegeben durch die Fläche des "eingeschriebenen" Rechtecks; sie wird maximal in der Nähe des blauen Arbeitpunkts
Wir können also gar nicht den maximal verfügbaren Strom nutzen; denn wir wir müssen auch eine Spannung aufbauen.
In den maximalen Wirkungsgrad hmax geht aber die (fiktive) maximale Leistung ISC · UOC ein; in der Praxis haben wir aber nur IMPP · UMPP; mit MPP bezeichnen wir den optimalen Arbeitspunkt maximaler Leistung (egl. maximum power point).
 
Das Verhältnis (IMPP · UMPP)/(ISC · UOC), also das Verhältnis der beiden Flächen, bezeichnet man als Füllfaktor der Solarzelle.
Der Füllfaktor ist ein typischer Technologieparameter; er ist von großer Bedeutung in der Praxis.
Er ist offenbar durch die Form der Diodenkennlinie bestimmt – bei idealen, der Theorie gehorchenden Dioden, wäre er ein für allemal fest gegeben.
Reale Dioden, vor allem welche mit großen Flächen auf billigem Material, die mit minimalem Aufwand gemacht wurden (eine Solarzellenfabrik muß typischerweisde eine (156 × 156) mm2 große Solarzelle pro Sekunde produzieren), haben aber keine ideale Kennlinie – und das wirkt sich immer negativ auf den Füllfaktor aus.
Besonders schlecht sind zum Beispiel zu große Serienwiderstände – z. B. weil die Kontaktfinger möglicherweise zu dünn waren; machen wir sie aber dicker, schatten sie größere Bereiche der Oberfläche ab – auch nicht so gut. (Was genau ein Kontaktfinger ist, wird in einem Extra-Modul erklärt.)
Wiederum haben wir ein Optimierungsproblem – und so geht das immer weiter.
Letztlich sind Solarzellen ein schönes Beispiel für angewandte Materialwissenschaft. Die Physik dazu ist komplett verstanden.
Es geht ausschließlich darum, den Preis herunterzubringen – also gute Solarzellen schnell und billig herzustellen.
Fortschritte darin sind mühsam, und sie sind immer das Ergebnis des Schweißes von Leuten, die ihre Theorie gelernt haben. Kein noch so genialer "Tüftler" hat bisher in seiner Garage irgendeinen Beitrag zur Thematik geleistet.
Ein winzig kleiner Ausschnitt aus der laufenden Solarenergieforschung findet sich im Link; hier sind dann noch weiterführende Betrachtungen und einige wirtschaftliche Daten. Wie wichtig das alles ist, wird anhand von Hintergrundinformationen zur Photovoltaik und zur allgemeinen Energiesituation deutlich (sehr empfehlenswert; bitte diesen Link im Familien- und Freundeskreis verbreiten).
Fragebogen / Questionaire
Multiple-Choice-Fragen zu 6.4.1

Mit Frame Zurueck Weiter als PDF

© H. Föll (MaWi 2 Skript)