Temperatur, Gleichverteilungssatz etc. - die Grundlagen

Was wir wissen sollten

Hier sind nochmal ein paar der wichtigen Erkenntnisse aus MaWi 1 - Kapitel 5, etwas erweitert um Spezifika, die wir hier brauchen können (dann gelegentlich blau markiert)
Wir betrachten ein Gas - oder eine Flüssigkeit. Alles was wir brauchen ist die Fähigkeit, dass sich die elementaren Einheiten des "Materials" - Atome, Moleküle, Elektronen, Neutronen, ... im gegebenen Volumen bewegen können.
Wer bei Elektronen, Neutronen, usw. Vorstellungsprobleme hat, soll sich ein Gas oder eine Flüssigkeit in einem porösen, festen Medium vorstellen - das Grundwasser im Sand, zum Beispiel. Der Sand interessiert nicht, da "er" nur rumsitzt und nichts tut. Das Wasser im Sand benimmt sich aber im wesentlichen wie Wasser im Glas oder in der Wasserleitung. Allenfalls spürt es eineArt größeren "Widerstand" beim Fließen - man denke an eine mit grobem (oder feinem) Sand gefüllte Wasserleitung oder Gasleitung.
Aha! Wer jetzt nicht an "fließende" Elektronen in der mit "Sand" (z. B. Cu Atome) gefüllten Elektronenleitung denkt, und den "Widerstand" den sie erfahren, ist selbst schuld.
Wir schauen mal auf die Teilchen in einem gegebenen Volumen und ignorieren falls vorhanden, den "Sand".
Das Bild dazu mit einschlägiger Prosa hatten wir schon; hier ist es nochmal, der Text ist aber partiell ergänzt um das was uns hier wichtig ist, unwichtigeres ist durchgestrichen
Gas
Dies ist eine Momentaufnahme mit ganz kurzer Belichtungszeit. Die Atome, Moleküle oder Elektronen usw. fliegen mit irgendeiner konstanten Geschwindigkeit (angedeutet durch braune Pfeile) durch den verfügbaren Raum. Wenige Nanosekunden später sehen die Pfeile überall anders aus, da sich durch Stöße die Geschwindigkeit ständig ändert. Die in der Bewegung steckende innere Energie (= Summe der kinetischen Energie der Teilchen) bleibt aber konstant.
Wir führen jetzt Wärme zu (d.h. erhöhen die Temperatur)
Damit erhöht sich die innere Energie durch:
Ausschließliche Erhöhung der kinetischen Energie der Gasteilchen (mit möglichen Energieanteilen in Translation, Rotation und Schwingungen).
Ein 1-atomiges Gas hat 3 Freiheitsgrade, es kann Energie nur durch Bewegung in jede der drei Raumrichtungen aufnehmen. Das gilt natürlich auch für Elektronen
Bei einem 2-atomigen Gas wird es komplizierter: Zu den 3 Freiheitsgraden der Translation kommen im Prinzip noch 2 Freiheitsgrade der Rotation (es kann um zwei Achsen senkrecht zur Bindungsrichtung rotieren) und Freiheitsgrade möglicher Schwingungen.
Die spannende Frage ist jetzt: Welche Geschwindigkeit haben denn die Elektronen in unserem Elektronengas, das wir in unserem Cu-Atom"sand" vorliegen haben?
Der Gleichverteilungsatz gab die Antwort
E  =  ½ · m ·v2
     
   =  ½ · f · kT 
     
   =  3/2 · kT

für Elektronen
Wir nehmen das mal so hin, obwohl wir später lernen werden, dass das für Elektronen (= Fermionen) so nicht ganz richtig ist.
Was wir mal genauer betrachten wollen ist, was genau wir eigentlich mit "Geschwindigkeit" meinen ? Da gibt's viele Möglichkeiten:
Den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit eines Teilchens. Davon dann vielleicht den Mittelwert über hinreichend lange Zeiten? OK - ist mal ein Ansatz.
Aber welchen Mittelwert genau?
Den vektoriellen, also <v(t)>, das Mittel über v(t)? Der wäre für ein Gas in einem geschlossenen Behälter (kein "Fließen"!) per definitionem = 0, da das Teilchen im Mittel nirgendwo hingeht.
Falls aber ein Fluß vorliegt (der Wasserhahn wird aufgemacht) müßte der vektorielle Mittelwert genau der Fließgeschwindigkeit in Flussrichtung entsprechen. Es ist aber immer noch ein Mittelwert - das Teilchen hört nicht auf sich "hin-und-her" zu bewegen, nur weil es jetzt fließt.
Fließen ist ja auch relativ. In der geschlossen Bierflasche fließt sicher nichts, trotzdem rennen die Bierteilchen (überwiegend Wasser und Alkohol Moleküle) wild durch die Gegend - mit einer mittleren Geschwindigkeit, die über den obigen Gleichverteilungssatz eindeutig durch die Temperatur geben ist. Wenn wir die Bierflasche jetzt in die Satteltasche des Fahrrads legen und losfahren, haben alle Bierteilchen jetzt eine zusätzliche "Fließ"geschwindigkeit in die Fahrtrichtung. Die Elektronen in den Metallteilen des Fahrrads übrigens auch.
Ist das Bier jetzt wärmer? Sicher nicht - die Kopplung von Energie an die Temperatur bezieht sich immer nur auf den "ungeordneten" Teil der Bewegung!
Aha - damit haben wir eigentlich eine schöne Unterscheidungsmöglichkeit: Was sich bei der zeitlichen Mittelung der vektoriellen Geschwindigkeit eines Teilchens ergibt, ist die (mittlere) Fließgeschwindigkeit, die wir jetzt mal Driftgeschwindigkeit vD nennen wollen. Was man erhält, hängt natürlich von der Wahl des Koordinatensystems ab.
Über die Temperatur und die damit verbundene mittlere Energie des Teilchens wissen wir aber damit gar nichts. Um kinetische Energien auszurechnen brauchen wir aber v2 also das Quadrat des Betrags.
Es ist damit notwendig, jetzt den Mittelwert des Betrags = <|v(t)|> = <(v2)½> zu nehmen. Dieser Mittelwert ist nicht Null, selbst wenn kein Fließen vorliegt, also vD = 0 gilt.
Wie geht das konkret? Wie erhält man diese Mittelwerte? Für Elektronen?
Einfach: Den thermischen bedingten ungeordneten Anteil erhalten wir aus ½ · m · vT2 = 3/2 · kT (solange wir die Elektronen klassisch betrachten); vD beschreibt das "Fließen", muss also mit dem per Ampèremeter zu messenden Strom I oder besser der Stromdichte (Strom pro Quesschnittsfläche) j zusammenhängen. Wie wir im Rückgrat lernen, gilt ganz einfach j = –e · n · vD; e ist die Elementarladung, n die Konzentration der Elektronen.
Damit können wir die beiden wesentlichen mittleren Geschwindigkeiten vT und vD in ihren Beträgen auseinanderhalten.
Eine spannende Frage bei allem was so fließt ist nun: Wie sind die Relationen zwischen dem Betrag der mittleren thermischen Geschwindigkeit vT und vD?
Wenn wir fließendes Wasser oder Gas betrachten (z.B. einen Windstoß), haben wir das Gefühl, dass vD >> vT ist. Aber Gefühle trügen häufig. Haben wir eigentlich ein Gefühl für z.B. die mittlere thermische Geschwindigkeit vT(RT) von Gasmolekülen bei Raumtemperatur? Nein haben wir nicht. Also ausrechnen! Oder intelligent raten. Wie schnell breitet sich z.B. eine lokale Störung in einem Gas aus, vielleicht ein lokaler Druckstoß in der Luft, weil wir jetzt frustriert aufschreien?
Genau! Mit Schallgeschindigkeit, also ca. 300 m/s. Aber der Druckstoß muss ja von Molekül zu Molekül übertragen werden, und das geht allenfalls so schnell wie die Moleküle sich bewegen. Aha! Könnte es sein, dass die Schallgeschwindigkeit nichts weiter ist, als die mittlere thermische Geschwindigkeit der Luftmoleküle? Könnte nicht nur sein; ist so! Das heißt aber, dass vT viel größer ist als "normale" vD!
Nochmal Aha! Könnte es sein, dass die mittlere thermische Geschwindigkeit der Elektronen auch viel größer ist als die Fließgeschwindigkeit im Draht, wenn wir den Schalter drücken. Nochmal ja! Ist so! vT ist sogar ungeheuer viel größer als vD (zum Teil aus Gründen, die wir hier noch gar nicht eingebracht haben).
Also aufpassen! Die Intuition nützt hier nichts. Wir könnten "mit bloßem Auge" überhaupt nicht unterscheiden, ob das Gewusel von Elektronen in einem Draht gar nicht weiter tut, oder ob in dem Draht ein gewaltiger elektrischer Strom fließt. Die ganze Elektrotechnik ist so gesehen nur eine winzig kleine Störung des thermischen Gleichgewichts!
Wer's nicht glaubt (und unbesehen sollte man sowas nicht glauben) schaut sich diese Übungsaufgabe an.
Wir sind aber noch gar nicht fertig! Bisher haben wir "nur" das zeitliche Verhalten eines Teilchens (von typischerweise 1022 oder so) betrachtet - wir haben das Zeitmittel diskutiert.
Wir hätten ja aber auch vektoriellen oder skalare Geschwindigkeitsmittelwerte erhalten können, indem wir die zu einem Zeitpunkt vorliegenden Geschwindigkeiten der einzelnen Teilchen gemittelt hätten - man nennt sowas dann das Scharmittel.
Nach dem obigen Rezepten könnte man wieder "leicht" ein vT(Schar) und ein vD(Schar) ausrechnen. Was ist denn nun "richtig"?
Gottseidank gilt die "Ergodenhyothese": Zeitmittel = Scharmittel. Im MaWi I Hyperskript gab es dazu den per Link erreichbaren "Advanced" Modul.
Wir sind jetzt aber fortgeschritten und nehmen deshalb zur Kenntnis: In "normalen" Systemen (= alle normalem Materialien) ist die Ergodenhypothese keine Hypothese sondern Gewissheit.
Das ist ja auch so zu erwarten: Wenn was ein Teilchen tut, alle anderen (im Mittel) auch tun, dann muss wohl Zeitmittel aund Scharmittel auch gleich sein.
Mehr muss man eigentlich nicht wissen, um dem Kapitel 2.1 folgen zu können.
Wer sich jetzt schon mal genauer ansehen will, wie man die diversen Mittelwerte wirklich berechnet, betätigt den Link
 

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gehe zu 2.1.1 Ohm's Law and Materials' Properties

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gehe zu Exercise 2.1-1: Derive and discuss numbers for µ and vD

© H. Föll (MaWi 2 Skript)