9.3 Plastische Verformung und Bruch

9.3.1 Extreme Temperaturbereiche

Tiefe Temperaturen

Wie verformen sich Polymer plastisch? Versetzungen gibt es nicht, wir brauchen andere Mechanismen. Was passiert beim Bruch - auch für Polymere gilt schließlich der 1. Hauptsatz der Materialwissenschaft!
Relativ klar sind die Extreme - bei Temperaturen weit weg von der Glastemperatur TG .
Für T < TG sind alle Bindungen fest - die Sekundärbindungen zwischen den Ketten genauso wie die kovalenten Bindungen zwischen den C - Atomen.
Da es keineVersetzungen oder andere lokalisierte strukturelle "Defekte" gibt, deren Wanderung durch das Material Verformung erzeugen kann, sind "kalte" Polymere schlicht spröde.
Die Spannungs - Dehnungskurve sieht schematisch so aus:
Sproede Polymere
Alles in allem ist ein Polymer zwar "weicher" als eine harte Keramik (d.h. der E-Modul ist kleiner); möglicherweise gibt sie auch noch ein bißchen nach kurz vor dem Bruch, aber im wesentlichen werden Bindungen "langezogen" und - beim Bruch - Mikrorisse zum Wachstum animiert.
Also nichts neues im Prinzip - wohl aber im Detail. Aber damit wollen wir uns nicht befassen.
 
Hohe Temperaturen
   
Die Verformung bei hohen Temperaturen - immer in Bezug auf die Glastemperatur, also T > TG, - ist ebenfalls relativ klar:
Falls das Polymer nicht vor Erreichen der Glastemperatur "abraucht", also zu den Duroplasten zählt, wird es sukzessive weicher und viskoser; die Konsistenz wird "honigartig"
Und wie verformt sich Honig (oder Streichkäse)? Wie eine Flüssigkeit - nur viel langsamer.
Vom Prinzip her uninteressant - von der Anwendung her natürlich nicht.
Die Möglichkeit der leichten Formgebung durch viskoses Fließen bei Thermoplasten ist natürlich eine der Gründe, warum die moderne Welt durchsetzt ist von billigen Kunststoffgehäusen, Plastiktüten, Packmaterial, usw.
Der Übergang von spröde zu viskos kann in einem relativ kleinen Temperaturbereich erfolgen. Wer jemals (bei Raumtemperatur relativ sprödes) Plexiglas mit einer stumpfen Stichsäge bearbeitet hat weiß das: Die Temperaturerhöhung durch das Sägen reicht aus um das Material viskos zu machen - man sägt munter vor sich hin, aber hinter dem Sägeschnitt ist das Plexiglas viskos wieder zusammengeflossen; der Sägeschnitt ist weg!
Nicht vergessen wollen wir die Komplikationen, die der Elastomerbereich bereiten kann - aber bei genügend hohen Temperaturen werden auch Elastomere weich (oder sie zersetzen sich vorher).
Was bleibt ist der Bereich der Glastemperatur selbst. Hier gibt es neue Verformungsmechanismen, die wir im letzten Unterkapitel behandeln wollen.

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)