Zerfall angeregter Zustände

Radioaktiver Zerfall

Eine Vielzahl physikalischer Erscheinungen fällt unter das Stichwort "Zerfall angeregter Zustände"; und es ist sehr nützlich das zugrundliegende Prinzip einmal verstanden zu haben.
Das "Paradigma" zum Zerfall angeregter Zustände ist der radioaktive Zerfall; wir haben folgende Situation:
Zum Zeitpunkt to haben wir No Atome, die "radioaktiv" sind, d.h. sie zerfallen in eine andere Atomsorte unter Aussendung irgendwelcher Strahlung.
Es ist vollkommen unmöglich (aus prinzipiellen Gründen), eine Ausage über das Verhalten eines einzelnen Atoms zu machen, z.B. wann exakt es zerfallen wird. Nur statistische Aussagen sind möglich, z.B. wieviel Atome im Mittel in einem gegebenen Zeitintervall zerfallen werden.
Zwischen dem Zeitpunkt t und t + Dt verringert sich die Zahl der radioaktiven Atome von N(t) auf N(t + Dt); die Zahl der Zerfälle in Dt ist also
Zahl der
Zerfälle    
 =   N(t)  –  N(t + Dt)
Dt
 =  d N(t)
d t
Die Gesetzmäßigkeit beim Wüten blinder Statistik ist nun einfach: Die Zahl der Zerfälle ist notgedrungen proportional zur Zahl der noch vorhandenen unzerfallen Atome, d.h. proportional zu N(t). In Formeln haben wir
d N(t)
d t
 µ N(t)  =  – l · N(t)
Die Proportionalitäts- (oder Zerfallskonstante) l ist (neben den Anfangsbedingungen) also die einzige systemspezifische Größe, die man kennen muß um den Zerfall vollständig zu beschreiben Wir verwenden ein Minuszeichen, weil sich damit die Endformel vereinfacht.
Wir haben eine sehr einfache Differentialgleichung, die Lösung (mit den oben gegebenen Anfangsbedingungen) ist offenbar:

N(t) 

 =  No · e
l · t
Die Zerfallskonstante l hat die Dimension [l] = 1/s; 1/l ist (etwas unpräzise) die Halbwertszeit des Zerfalls, denn für t = 1/l erhalten wir N(t) = No . 1/e » 0,368 · N(t), d.h die Anfangskonzentraion ist auf 1/e abgeklungen ).
Großzügig gesehen ist das etwa die Hälfte; die exakte Halbwertszeit wäre im übrigen thalb = (1/l) · ln( 0,5)» 0,69/l .
 

Verallgemeinerung

Radioaktive Atomkerne kann man ohne weiteres als eine energetisch angeregte Form oder einen energetisch angeregten Zustand des stabilen Atom(kerns) betrachten. Sie sind jedenfalls nicht im thermodynamischen Gleichgewicht.
Da diese angeregten Atomkerne ihre Überschußenergie nicht augenblicklich abgeben, gibt es wohl Hindernisse, die überwunden werden müssen, z.B. Potentialbarrieren gegen die irgendwas anlaufen muß. Damit kommt ein stochastisches Element ins Spiel, wir müssen Wahrscheinlichkeiten betrachten.
Unser Ansatz von oben sagt nun nicht mehr und nicht weniger, als dass die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen Umständen etwas passiert, proportional zur Zahl der "Probanden" ist. Das ist nun sehr allgemein und sehr naheliegend.
Wir können damit diese allgemeine Betrachtung auf viele "Dinge" übertragen, bei denen die beiden Grundvoraussetzungen gegeben sind:
  1. Es gibt einen angeregten Zustand des "Dings", der mit irgendeiner Wahrscheinlichkeit in den Grundzustand übergehen kann.
  2. Die Übergangsrate ist proportional zur Zahl der angeregten Dinge.
Eine weitere Abstraktion betrifft "wo" genau der Übergang stattfindet:
Bisher war der "Ort" des Geschehens die Zeit; wir haben "vorher" - "nachher" Situationen betrachtet.
Wir können aber genauso gut "hier" und "dort" betrachten;: Die Zahl der angeregten "Dinge" ändert sich dann mit einer Koordinate.
Dazu nun einige Beispiele
 

Beispiel für "Zerfall angeregter Zustände"

Beginnen wir mit einem alltäglichen Ereignis das jeder und jede kennt: Der Zerfall einer "Schaumkrone" auf einen entsprechenden Getränk, z.B. Bier.
Schaum ist grundsätzlich ein angeregter Zustand der jeweiligen Flüßigkeit, bedingt durch die große Oberfläche und die damit große Oberflächenenergie, hat ein gegebenes Volumen Flüßigkeit im Zustand "Schaum" sehr viel mehr innere Energie als der "Grundzustand".
Damit gilt alles bisher gesagte unmittelbar: Die Zahl der Schaumbläschen (und damit die Höhe der Schaumkrone in einem zylindrischen Glas) folgt dem exponentiellen Zerfallsgesetz von oben.
Weitere Beispiel, die wir aber nicht mehr detailliert ausführen, sind
"Zerfall" = Rekombination von Elektron-Lochpaaren
Die Probanden rennen "statistisch" durch die Gegend. Für eine Rekombination müssen sie sich treffen und noch diverse Bedungung erfüllen. Die Zahl der "Treffer" = Rekombinationsrate wird proportional zur Zahl der Anläufe sein, und damit proportional zur Teilchendichte.
Eindringtiefe von Licht (in Halbleiter oder jedes andere Material)
Das Photon muss in einem "statistischen" Gewusel von freien und gebunden Elektronen eines finden, bei dem gerade alles "stimmt". Statistischer Vorgang proportional zur Zahl der Gelegenheiten, d.h. zur Tiefe des Eindringens.
Abklingen der Ladung in einem Kondensator mit Kapazität C.
Die Ladung fließt über den immer vorhandenen Widerstand R (es reicht eine nie perfekte Isolation) allmählich ab; sie "zerfällt" oder der Kondensator relaxiert in den energetsch tieferen (= ungeladenen) Zustand. Die Spannung ändert sich entsprechend mit Uout (t) = U0exp– t–1t. Die Zeitkonstante ist t = RC; in einem "Flash" Speicher (vulgo USB oder memory Stick) muss R entsprechend groß sein um bei den notwendigerweise kleinen Kapzitäten ein t > viele Jahre zu ermöglichen.
Abkühlen heißer Körper
Heiß sein bedeutet, dass die Atome heftiger wackeln als sie sollten; vornehmer ausgedrückt, die Phononen sind angeregt. Zerfall dann wie gehabt.
Es fällt aber noch viel mehr in diese Systematik; ruhig mal selbst nachdenken
Wärmeleitung, Relaxation von Dipolen, die in einem (elektrischen, magentischen, ..) Feld ausgerichtet wurden nach Abschalten des Felds in eine statistische Verteilung, ...
 

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© H. Föll (MaWi 2 Skript)