4.1.3 Zusammenfassung Kapitel 4.1

Falls man im Modell des freien Elektronengases ein periodisches Potential einbaut, kann man weiterkommen indem man:
  1. Die zugehörige Schrödingergleichung löst - sofern man das kann - und dann eine vollständige quantitative Beschreibung des Verhaltens der Elekronen erhält.
  2. Das Wissen um die Beugung von Elektronenwellen an periodischen Potentialen einsetzt und dann einige fundamentale Erkenntnisse sowie eine qualitative Beschreibung der Unterschiede zum freien Elektronengas mit konstantem Potential gewinnt
Hier wird der zweite Weg beschritten. Dazu muß man sich zunächst klar machen, dass die exp(ikr) Elektronenwellen des freien Elektronengases genauso an einem Gitter/Kristall gebeugt werden wie von außen "hineingeschossene" und ebenfalls durch exp(ikr) beschriebene ebene Wellen.
Für ein sich im Zustand k befindliches und dann durch exp(ikr) beschriebenes Elektron des Kristalls gibt es jetzt zwei Möglichkeiten:
  1. Es erfüllt für irgendeine Ebenenschar {hkl} des jetzt vorhandenen Gitters die Beugungsbedingung kk' = Ghkl, dann wird es an dieser Ebenenschar gebeugt (d.h. reflektiert) und macht damit etwas was im Modell des freien Elektronengases nicht vorkommt.
  2. Es erfüllt keine Beugungsbedingung, dann spürt es das jetzt vorhandene Gitter überhaupt nicht und verhält sich weiterhin wie ein Elektron des freien Elektronengases.
Die erste wichtige Schlußfolgerung ist damit, daß wir unser altes Modell für die meisten k-Zustände weiterhin quantitativ verwenden können; nur eben nicht mehr für die Untermenge derjenigen Zustände kB (k "Bragg", nicht zu verwechslen mit kB, k Boltzmann!), für die eine Beugung auftreten wird. Die Schlüsselfrage ist jetzt:
Wie kann man diese "speziellen" Zustände kB aussortieren? Die Antwort gibt die Brillouin Konstruktion der Beugung:
Wir tragen alle Zustände k in das reziproke Gitter des betrachteten Gitters ein; dann werden nur diejenigen kBr "gebeugt", die auf den Mittelhalbierenden eines reziproken Gittervektors enden (man darf den Index "B" also auch als "k Brillouin" lesen; aber hier nie als "Boltzmann"!)
Die Mittelhalbierenden in einem dreidimensionalen reziproken Gitter sind Flächen; die Gesamtheit dieser Flächen bildet ein System geschachtelter "Polyeder", die nach Größe durchnumerierbar sind.
Der kleinstmögliche Polyeder heißt 1. Brillouinzone (BZ); der nächstgrößte 2. BZ usw.
Bei näherer Betrachtung der gebeugten Elektronenwellen (besonders einfach falls kB, kB' und G kolinear sind; dann muß kB = G/2 gelten) erkennt man, dass wir jetzt eine Überlagerung von hin- und rücklaufenden Elektronenwellen haben, da auch die exp–(ikBr) Welle automatisch dieselbe Bragg-Bedingung erfüllt wie die hinlaufende Welle und durch Reflektion wieder zu exp(ikBr) wird.
Es gibt grundsätzlich zwei Arten der linearen Überlagerung; für den einfachen Fall der Kolinearität alle Vektoren sind das
y+  µ   exp æ
ç
è
i · G
2
· x ö
÷
ø
 +  exp æ
ç
è
– i · G
2
· x ö
÷
ø

y  µ   exp æ
ç
è
i · G
2
·x ö
÷
ø
   exp – æ
ç
è
– i · G
2
· x ö
÷
ø
Es ergeben sich zwei stehende Wellen, mit Maxima am Ort der Gitterpunkte /Atome oder genau dazwischen.
Da das periodische Potential an diesen beiden Positionen per definitionem verschieden ist, hat der Zustand mit kBr = G/2 jetzt zwei Energiewerte. Das gilt ganz allgemein für alle Zustände die auf den Rändern einer Brillouin Zone liegen.
Wir erwarten also für die Dispersionskurve E(k) eine Aufspaltung überall dort, wo die "alte" Parabel eine Brillouinzone schneidet. Das kann nur so aussehen:
Energieaufspaltung an BZ
Dabei haben wir stillschweigend angenommen, daß auch in der Nähe einer Brillouin Zone Abweichungen vom idealen freien Elektronengas zu erwarten sind - ziemlich wahrscheinlich, denn es gibt in der Natur eher keine echten Singularitäten.
Wichtig ist außerdem, dass die Kugelsymmetrie des freien Elektronengases nicht mehr vorhanden ist. Die Dispersionskurve sieht in jeder Richtung des (reziproken) Raumes anders aus - die Aufspaltung ist bei jeweils anderen Werten, wobei jetzt aber die Symmetrie des reziproken Gitters auftauchen wird.
In der Grafik ist das symbolisch durch zwei verschiedene Äste dargestellt: Rechts in die(100) Richtung, links in die (111) Richtung des reziproken Raums; d.h. senkrecht zu den (100) bzw. (111) Ebenen des realen Raumes.

Mit Frame Zurueck Weiter als PDF

© H. Föll (MaWi 2 Skript)