Kristallisation von Gläsern

Es gibt viel Sorten von Glas - vom Obsidian und Jade als Naturstoff aus vulkanischer Produktion, über das antike Kunstglas bis hin zum heutigen Fensterglas, dem "Bleikristall" der stolzen Hausfrau (der aber kein Kristall sondern ein Glas ist) und den zahlreichen Spezialgläsern für z.B. optische Anwendungen.
Den meisten Gläsern gemeinsam ist die SiO2 Grundstruktur, in die verschiedene "Glasbilder" - z.B. Na, K, B, ... eingebaut sind. Alle sind metastabil; der kristalline Zustand wäre praktisch immer günstiger.
Um zum kristallinem Zustand zu kommen, muß eine Energiebarriere überwunden werden, die je nach Glassorte verschieden hoch sein kann.
Manche Gläser sind deshalb recht stabil (Obsidian hält offensichtlich Jahrmillionen), manche kristallisieren langsam aber sicher (viele Gläser aus der Antike sind schon ziemlich weit), und bei manchen geht es recht zügig.
Bei vielen Gebrauchsgläsen reichen schon milde Temperaturerhöhungen auf » 80 oC um innerhalb eines Jahres sichtbare Effekte zu erzeugen - an dieser Stelle beginnt das schöne Wörtchen "spülmaschinenfest" Sinn zu machen.
Störend ist dabei nur, daß die kleinen Kriställchen, die sich überall im Volumen bilden, das Licht streuen - das Glas sieht trübe aus und wird schließlich ganz weißlich. Da ein Weinglas in der Regel aber nicht stark mechanisch belastet wird, sind die kleinen Mikrorisse, die sich dabei bilden können, nicht so wichtig. Fällt es runter oder wirft man es an die Wand bricht es immer, egal ob neu oder alt.
Bei anderen Gläsern ist das anders. Die Fenster im Düsenjet sind mechanisch stark belastet; ein Bruch hätte katastrophale Folgen. Die Bildung von Mikrorissen, die sich langsam vergrößern, muß auf jeden Fall vermieden werden.
Die Kristallisation läßt sich sowohl genau vorherbestimmen - als thermisch aktivierter Prozeß kann über den Boltzmannfaktor von Test bei höheren Temperaturen recht zuverlässig auf die Kinetik bei Betriebstemperaturen geschlossen werden - als auch durch geeignete Materialwahl verhindern.
Kritischer sind die Diamantringe der Passagiere, die absichtlich oder unabsichtlich Kratzer verursachen können, und - hier beginnt es spannend zu werden - manche organische Substanzen (besser gesagt Körperöle), die die Struktur von Glas negativ beeinflussen können.
Fenster in Flugzeugen bestehen deshalb zwar aus Glas, das die mechanische Belastung aushält und - bei Fenstern wichtig - trotzdem durchsichtig sind; das Glas wird aber durch eine Kunststoffscheibe vor dem Einfluß der Passagiere geschützt!
 

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)