7.1.2 Das Koinzidenzgitter ("Coincidence Site Lattice; CSL") und seine Bedeutung

Dieses Kapitel ist im englischen Skript ausführlicher!
Wenn man zwei (zunächst zweidimensionale) Gitter aufeinander projeziert und (gedanklich) eines gegen das andere rotiert, fallen bei bestimmten Winkeln einige Gitterpunkte des einen Gitters genau auf Gitterpunkte des anderen Gitters
Abbildung: Zwei Gitter, die relativ zueinander rotieren
Für die Zwillingskorngrenze kann man das leicht sehen:
Hier sind die beiden Teile des Zwillings (einmal grün, einmal gelb) ineinandergeschoben; Koinzidenzplätze sind rot markiert.

Hier das ganze nochmal vereinfacht mit nur den Atomen eines einfachen flächenzentrierten Gitters.Die Atome auf Koinzidenzplätzen spannen ein neues Gitter auf, das "Koinzidenz Site Lattice", abgekürzt CSL.
Eine mögliche Elementarzelle des CSL ist rot eingezeichnet, die beiden EZ der Kristallgitter sind ebenfalls gekennzeichnet.
Definition: Das Verhältnis von Gitterplätzen des Kristalls zu Gitterplätzen des CSL heißt S (Sigma)
Die Zwillingskorngrenze hat demnach (zweidimensional) ein S=3 Verhältnis und das gilt für diesen Fall auch im Dreidimensionalen. Man redet von einer S3 - Korngrenze.
Man kann sich leicht vorstellen, z.B. durch ausprobieren oder, noch besser, durch rechnen, daß es viele mögliche Orientierungen gibt, bei denen eine größere oder kleiner Zahl von Gitterpunkten "in Koinzidenz" sind.
Abbildung:Symmetrische S5 Korngrenze und ihr CSL
Ein Verdacht drängt sich auf:
Haben Korngrenzen mit CSL - Geometrie, insbesondere solche mit kleinen S Werten, besonders kleine Energien?
Die Antwort ist Ja, aber... .
Im Prinzip ist die Aussage richtig, aber nicht unbedingt mit klaren Zusammenhängen. Zum Beispiel wächst die Energie nicht monoton mit S; auch gibt es "rigid body translations", die die Koinzidenz zerstören. (Dabei wird in einer Koinzidinzlage ein Kristall gegenüber dem anderen um einen Vektor verschoben, der keine besondere Relation zu den Gittern hat).
Die theoretische Erwartungen (aus zwar sehr nvolvierten, trotzdem aber nicht allzu präzisen Theorien), die experimentell nur äußerst schwierig zu verfizieren sind, zeigt die in einem Beispiel die Abbildung:
Berechnete Korngrenzenenergien über Drehwinkel
Berechnete Korngrenzenenergie bei 0 Kelvin für symmetrische Kipp-Korngrenzen in Al:
a) Für die [100] Rotationsachse
b) Für die [110] Rotationsachse.
Die Unterschiede beim gleichen S beziehen sich auf verschiedene Ebenen der Korngrenze (immer in der Mitte des Kippwinkels).
Trotz aller experimentellen Schwierigkeiten findet man aber relativ häufig: Korngrenzen mit kleinen S-Werten. Sie haben oft nicht nur kleine Energien, sondern auch andere herausragende Eigenschaften (vgl. die nächste Abbildung). Daß sie bevorzugt sind, zeigt sich experimentell am ehesten daran, daß der Kristall sogenannte sekundäre Korngrenzendefekte einführt, um eine "Korngrenze nahe kleinem S" auf eine "Korngrenze exakt kleines S" zu transformieren.
Abbildung: Kritischer Strom durch einen Hochtemperatursupraleiter mit Korngrenze als Funktion der KG-Orientierung
Im nächsten Kapitel betrachten wir die formale Definition der Defekte, die diese Transformation bewirken können.

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