Hintergrundinformationen zur Photovoltaik (PV) und zur Energiewende

Letzte Bearbeitung: 17. Oktober 2018


Inhalt:

Hauptsächlich will ich gängige Vorurteile gegenüber der PV ausräumen. Dies versuche ich dadurch zu erreichen, daß ich Fragen zur PV aufgreife und zeige, wo Antworten darauf zu finden sind.

Wichtig: Die eigentlichen Zahlen und Fakten wiederhole ich hier nicht (schon deshalb nicht, um sie nicht ständig aktualisieren zu müssen; ich versuche aber, die Seitenlinks einigermaßen aktuell zu halten), sondern ich setze darauf, daß sie sich jeder selber heraussucht.

0.) Zusammenfassung und allgemeine Hinweise

1.) Wie wird die Energieversorgung der Zukunft aussehen?

2.) Kann die Photovoltaik überhaupt einen erheblichen Beitrag zur Energieversorgung leisten?
– Wieviel Sonnenenergie steht zur Verfügung im Verhältnis zum weltweiten Energiebedarf?
– Wieviel davon kann realistisch zukünftig (groß-)technisch mittels Photovoltaik genutzt werden?
– Benötigen Solarzellen denn nicht mehr Energie für ihre Herstellung, als man mit ihrer Hilfe "ernten" kann?

3.) Kann die Photovoltaik einen kostengünstigen Beitrag zur Energieversorgung leisten?

4.) Worauf beruht die gegenwärtige Energie- bzw. Stromversorgung in Deutschland?

5.) Wie gut kommen wir mit der Energiewende voran? Was wird noch benötigt?
– Über welche zeitliche Perspektive reden wir dabei?
– Wieviel Gewinnungskapazitäten erneuerbarer Energien wurden bzw. werden in Deutschland jährlich neu geschaffen?
– Wie sieht es mit Speichern aus?

6.) Weitere gängige Vorurteile gegenüber der Photovoltaik
– Welchen Wirkungsgrad erreicht die Photovoltaik? Sind diese "paar Prozent" überhaupt der Rede wert?
– Werden nicht die Stromleitungen überlastet, wenn viel Erneuerbaren-Strom eingespeist wird?
– Lohnt sich Photovoltaik in Deutschland wirklich im Vergleich zu anderen Ländern?
– Wie sinnvoll ist ein Sonderweg in Deutschland? Unsere Nachbarn setzen doch weiterhin auf Kernenergie.

7.) Mein persönlicher Vorschlag, um die Energiewende voranzubringen



0.) Zusammenfassung und allgemeine Hinweise

– Die wichtigsten allgemeinen Hintergrundinformationen zur Photovoltaik (PV) gibt es beim Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (kurz: ISE) in dessen "Photovoltaics Report" (siehe https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/photovoltaics-report.html) sowie auf Wikipedia unter https://en.wikipedia.org/wiki/Solar_cell#Declining_costs_and_exponential_growth und https://de.wikipedia.org/wiki/Photovoltaik.

– Tagesaktuelle Vergleichsdaten zu Stromerzeugung und Stromverbrauch in Deutschland liefert das "Agorameter" unter https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/76/Agorameter/. Derartige Daten in anderer Darstellung und weitere Daten und Fakten rund um Stromproduktion und Börsenstrompreise in Deutschland siehe https://www.energy-charts.de/.

– Abkürzung "EEG": Erneuerbare-Energien-Gesetz

– Zu den Größenordnungen elektrischer Leistung: Jegliche physikalisch-technische Leistung (= Energieumsatz pro Zeit) wird in Watt gemessen (Einheitenzeichen: W) und errechnet sich bei einer elektrischen Maschine als Produkt aus Spannung und Stromstärke, d. h. 1 Watt = 1 Volt mal 1 Ampere. Beispiele (Größenordnungen): Wasserkocher: ca. 1 kW (Kilowatt = 1.000 W), Windrad: ca. 1 MW (Megawatt = 1.000.000 W), Kernkraftwerk: ca. 1 GW (Gigawatt = 1.000.000.000 W); es liegt also größenordnungsmäßig jeweils ein Faktor 1.000 dazwischen. (Viele weitere Leistungswerte sind bei Wikipedia verzeichnet: https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%B6%C3%9Fenordnung_(Leistung).)

– Zum Vergleich: Ein Mensch hat eine durchschnittliche Dauerleistung von 100 W. Ein typisches PV-Modul, das aus 60 Silizium-Solarzellen besteht, erreicht heutzutage je nach Zellqualität ca. 250 W bis 300 W Spitzenleistung (d. h. bei maximaler Lichtintensität). Die Leistung des Verbrennungsmotors eines PKWs liegt in der Größenordnung von 100 kW. (Frage: Wieviele Solarmodule zu 300 W bräuchte man ungefähr zum Betrieb eines PKWs? Anwort: 100 kW / 300 W = 1000 / 3 = 333. Frage: Welche Fläche würde für diese Module ungefähr benötigt werden? Antwort: Bei ca. 1,5 m2 pro Modul sind das 333 * 1,5 m2 = ca. 500 m2. Zum Vergleich: Ein Fußballplatz ist ca. 7000 m2 groß.)

– Elektrische Energie wird in Kilowattstunden (kWh), Megawattsunden (MWh), Gigawattstunden (GWh) bzw. Terawattstunden (TWh) gemessen, wobei sich das jeweilige Ergebnis aus Leistung mal Laufzeit ergibt. Ein Beispiel für einen Extremfall: Ein Gigawattjahr (GWa) ist die Energie, die ein Kraftwerk mit der Leistung von 1 Gigawatt in einem Jahr bei kontinuierlichem Betrieb liefert. Weil ein Jahr 365 Tage und ein Tag 24 Stunden hat, gilt: 1 GWa = 1 GW * 365 * 24 h = 8760 GWh = 8,76 TWh.

– Die allgemeine Energieeinheit ist dagegen das Joule (Einheitenzeichen: J). Es gilt: 1 J = 1 W * 1 s, d. h. ein Joule ist eine Wattsekunde. Weil eine Stunde 3600 Sekunden hat, ist eine Kilowattstunde = 1 kW * 1 h = 3600 kJ = 3,6 MJ. Das zuvor erwähnte Gigawattjahr sind also 8,76 TWh = 8,76 * 3600 TJ, d. h. rund 31,5 PJ (Petajoule). Zum Vergleich: Der Gesamt-Primärenergieverbrauch in Deutschland betrug 2017 rund 13.500 PJ, d. h. knapp 430 GWa.

– Zur weiter unten zitierten Zeitschrift PHOTON siehe http://www.photon.info/de/photon-das-solarstrom-magazin.

– Unter http://www.energybrainpool.com/analyse/studienverzeichnis.html und https://www.ise.fraunhofer.de/de/daten-zu-erneuerbaren-energien sind weitergehende Studien zur Energiesituation in Deutschland (aus der Perspektive der "Erneuerbaren") zu finden.

– Für Diskussionen und Anregungen stehe ich gern per E-Mail zur Verfügung (Dr. Jan-Martin Wagner: jwa@tf.uni-kiel.de).

– Bitte den Link auf diese Seite im Familien- und Freundeskreis verbreiten!



1.) Wie wird die Energieversorgung der Zukunft aussehen? Es wurde ja immer mal wieder das Ende der Ölversorgung prognostiziert. Wie steht es damit?

– Bisheriger Verlauf und prognostizierte Entwicklung der Ölförderung: http://trendlines.ca/free/peakoil/Scenarios/scenarios.htm



2.) OK; wir haben ein Problem: Das Öl geht zu Ende, Kernspaltung ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr gewollt (und birgt zudem tendenziell eine militärische Komponente), Kohle produziert CO2, das (sehr wahrscheinlich) schlecht fürs Klima ist, Erdgas produziert deutlicher wengier CO2 pro Kilowattstunde, geht aber ebenfalls zu Ende (Kohle irgendwann auch), und ob bzw. wann Kernfusion zu welchen Preisen zur Verfügung steht, ist noch lange nicht klar. Also bleiben über kurz oder lang im wesentlichen die "Erneuerbaren": Wasser, Wind, Sonne, Biomasse. Aber kann die Photovoltaik überhaupt einen erheblichen Beitrag zur (weltweiten/inländischen) Energieversorgung leisten?

2a) Wieviel Sonnenenergie steht zur Verfügung im Verhältnis zum weltweiten Energiebedarf?

– Größenordnung weltweiter Energiebedarf: https://de.wikipedia.org/wiki/Weltenergiebedarf und https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Energiedaten/energiedaten-gesamt-pdf-grafiken.html (inkl. gegenwärtiger Energiemix)

– Globale Einstrahlung der Sonne: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenenergie#Potenzial_der_Sonnenenergie


2b) OK; die Sonneneinstrahlung auf der Erde liefert insgesamt in ca. einer Stunde bereits den gesamten Welt-Jahresbedarf an Energie. Aber wieviel davon wird derzeit wirklich mittels PV genutzt bzw. kann realistisch zukünftig (groß-)technisch mittels PV genutzt werden?

– Weltweit insgesamt installierte PV-Modul-Leistung (Maximalleistung): https://en.wikipedia.org/wiki/Solar_cell#/media/File:PV_cume_semi_log_chart_2014_estimate.svg

– Weltweite jährliche PV-Modul-Herstellung (Maximalleistung): siehe Folie Nr. 13 des "Photovoltaics Report" (https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/photovoltaics-report.html)

– Deutschland hat genügend Fläche für 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien: https://www.pv-magazine.de/2018/10/16/neue-studie-deutschland-hat-genug-flaeche-fuer-100-prozent-strom-aus-erneuerbaren-energien/.


2c) Aber liefert die Photovoltaik überhaupt einen Netto-Energiegewinn? Benötigen Solarzellen denn nicht mehr Energie für ihre Herstellung, als man mit ihrer Hilfe "ernten" kann?

– Letzteres war vor ca. 30 Jahren zwar noch der Fall, aber diese Zeiten sind lange vorbei. Je nach PV-Technologie und Standortbedingung ergibt sich eine Energieamortisationszeit ("energy pay-back time") von einigen Monaten bis wenigen Jahren, siehe Folien Nr. 32 bis 35 des "Photovoltaics Report" (https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/photovoltaics-report.html)

– Außerdem ist diese Frage eine "Nebelkerze": Was ist denn die Energieamortisationszeit eines Kohle- oder Kernkraftwerks? Falsch! Es gibt gar keine, denn ein Kohle- oder Kernkraftwerk vernichtet immer nur den bereits vorhandenen Brennstoff. Nur die "Erneuerbaren" haben eine positive Energiebilanz!



3.) Na gut. Aber kann die Photovoltaik einen kostengünstigen Beitrag zur Energieversorgung leisten?

– Preisentwicklung PV-Modulfertigung der vergangenen Jahrzehnte ("Erfahrungskurve" der PV): https://en.wikipedia.org/wiki/Swanson%27s_law

– Gegenwärtige PV-Preise, wöchentlich aktualisiert (Solarsilizium, Wafer, Zellen, Module): http://pvinsights.com/

– Stellungnahme eines Harvard-Physikprofessors, der lange Zeit gegen die Kosten der PV argumentiert hat: "I was wrong." (http://www.keith.seas.harvard.edu/blog/cheapsolarpower; siehe auch PHOTON 7/2016, Seite 40: "Tatsächlich war das, was Deutschland gemacht hat, nämlich für die bestehende Technologie einen Markt zu schaffen, genau das Richtige.")

– Prognostizierte Preisentwicklung unterschiedlicher Energieträger: siehe die Graphiken in der Zusammenfassung der Fraunhofer-ISE-Studie "Stromgestehungskosten erneuerbare Energien" (siehe https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.html)

– Einfache Abschätzung des Kostensenkungspotentials bei PV-Strom: Die derzeit weltweit installierte PV-Spitzenleistung liegt zwischen 400 und 500 GW. Um den derzeitigen Weltbedarf an Strom zu decken, ist das ungefähr ein Faktor 100 zu wenig. Laut PV-Erfahrungskurve ("Swanson's Law") bedeutet ein Faktor 100 bei den Installationen einen Faktor 0,2 im Preis. Mithin ist es realistisch, daß PV-Strom auf längere Sicht um 80 % billiger werden kann. Für Deutschland würde das nach heutigen Preisen etwa 2 bis 3 Cent pro Kilowattstunde bedeuten, in sonnenreicheren Ländern noch weniger.



4.) OK; der Trend stimmt, und er ist vielversprechend. Wo genau stehen wir jetzt eigentlich, worauf beruht die gegenwärtige Energie- bzw. Stromversorgung in Deutschland?

– Zum Vergleich: Gesamt-Energiemix in Deutschland 2011 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Energiemix_Deutschland_2011.png) und 2017 (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Infografiken/Energie/Energiedaten/Energiegewinnung-und-Energieverbrauch/energiedaten-energiegewinnung-verbrauch-03.html)

– Derzeitiger Strom-Energiemix in Deutschland: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Erneuerbare-Energien/erneuerbare-energien-auf-einen-blick.html und https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/entwicklung-der-stromerzeugung-in-deutschland

– Momentaner (tagesaktueller) Strombedarf und zugehöriger Energiemix: https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/76/Agorameter/

– Momentane (tagesaktuelle) PV-Leistung in Deutschland: http://www.sma.de/unternehmen/pv-leistung-in-deutschland.html

– Derzeit installierte Gewinnungskapazitäten (Maximalleistung, nicht tatsächlicher Ertrag) erneuerbarer Energien in Deutschland:
* Wind: https://www.wind-energie.de/infocenter/statistiken/deutschland/installierte-windenergieleistung-deutschland (onshore/offshore: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Strommarkt-der-Zukunft/zahlen-fakten.html)
* Photovoltaik: http://www.sma.de/unternehmen/pv-leistung-in-deutschland.html und http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1421/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergien/Photovoltaik/DatenMeldgn_EEG-VergSaetze/DatenMeldgn_EEG-VergSaetze_node.html#doc405794bodyText3
* Biomasse: http://de.statista.com/themen/616/bioenergie/
* Wasserkraft: http://www.wasserkraft-deutschland.de/wasserkraft/installierte-leistungstromproduktion.html



5.) Tja, wir sind also schon mittendrin in der Energiewende – zumindest beim Strom; es fehlen noch Heizung und Verkehr. Wie gut kommen wir mit der Energiewende voran? Was wird noch benötigt?

5a) Über welche zeitliche Perspektive reden wir dabei?

– Siehe dazu Abbildung 1.1 (auf Seite 3) der Dissertation von Dr.-Ing. Andreas Schütt, zu finden auf http://macau.uni-kiel.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dissertation_derivate_00005981/ (PDF-Datei von ca. 50 MB); sie umfaßt den Zeitraum bis ins Jahr 2040.

– Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berteibt ein umfassendes Monitoring der Energiewende; darin geht es meistens um das Erreichen der für das Jahr 2020 gesteckten Ziele, manchmal auch um die Perspektive bis ins Jahr 2050.

– "Agora Energiewende" hat im Oktober 2018 eine Studie mit dem Titel "65 Prozent Erneuerbare bis 2030 und ein schrittweiser Kohleausstieg" vorgelegt; siehe dazu auch https://www.pv-magazine.de/2018/10/01/agora-energiewende-win-win-situation-bei-mehr-erneuerbaren-und-weniger-kohle/.


5b) Wieviel Gewinnungskapazitäten erneuerbarer Energien wurden bzw. werden in Deutschland jährlich neu geschaffen?

– Wind: https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/

– Photovoltaik: http://volker-quaschning.de/datserv/pv-deu/index.php und https://1-stromvergleich.com/strom-report/photovoltaik/

– Biomasse: eher unbedeutend, da nur wenige 100 MW pro Jahr neu hinzukommen (https://de.wikipedia.org/wiki/Biogasanlage#Entwicklung_in_Deutschland).

– Wasserkraft: Das Ausbaupotential für Wasserkraft ist in Deutschland nahezu erschöpft (http://www.regenerative-zukunft.de/joomla/wasserkraft).


5c) Wie dumm aber, daß der PV-Strom nur fließt, wenn die Sonne scheint. Wie sieht es mit Speichern aus?

– Pumpspeicherkraftwerke können im Prinzip dafür genutzt werden, aber die Kapazitäten sind eher gering: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Pumpspeicherkraftwerken#Deutschland und http://rettetdenrursee.de/energiewende/wie-viele-pumpspeicherwerke-braucht-deutschland/

– In der Kombination mit der Elektromobilität können sich in der Zukunft einige Möglichkeiten zur (Zwischen-)Speicherung elektrischer Energie in Lithium-Ionen-Akkus ergeben (http://www.sma.de/newsroom/aktuelle-nachrichten/news-detail/news/15854-intelligente-einbindung-elektrofahrzeuge-mindern-netzschwankungen.html). An der TF der CAU Kiel werden seit einiger Zeit neuartige Elektrodenmaterialien entwickelt, die eine wesentlich höhere Speicherkapazität ermöglichen, als es sie derzeit gibt (http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2018-114-siliziumakku).

– Mit Hilfe des Wind- oder PV-Stroms können Wasserstoff bzw. Methan synthetisiert werden ("Power to gas"; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Power-to-Gas) und dieses Gas kann gespeichert werden (auch langfristig; siehe http://www.energybrainpool.com/fileadmin/download/Studien/Studie_2016-02-23_Minimaler_Windgasbedarf_GreenpeaceEnergy_EnergyBrainpool.pdf). Ferner kann aus dem Gas in weiteren Schritten flüssiger Brennstoff synthetisiert werden ("Power to liquid"; https://de.wikipedia.org/wiki/Power-to-Liquid); dieser flüssige Brennstoff hat die höchste Energiedichte in der Speicherung.

– Im September 2018 hat der "Bundesverband Energiespeicher" unter der Überschrift "Power-to-X: Flexible Speicherlösungen für die Sektorenkopplung" konkrete Lösungsansätze zur Kopplung der Bereiche Strom, Wärme und Mobilität (= Sektorenkopplung) in Verbindung mit Speichertechnologien erläutert. Zitat: "Viele PtX-Systeme sind bereits heute kommerziell und industriell verfügbar. Trotz ihrer Systemvorteile werden in Deutschland aufgrund der regulatorischen Bedingungen nur sehr wenige Speicher und Power-to-X-Anlagen gebaut."



6.) Nun, die Energiewende ist offenbar prinzipiell machbar, aber bei der Speicherung wird sich wohl erst noch einiges tun, bis es paßt. Was zu bereinigen bleibt, sind weitere gängige Vorurteile gegenüber der Photovoltaik:

6a) Welchen Wirkungsgrad erreicht die Photovoltaik denn; sind diese "paar Prozent" überhaupt der Rede wert?

– Weil der Temperaturunterschied zwischen der Sonne und der Erde so groß ist, ist theoretisch mit der PV ein Wirkungsgrad bis zu 85 % möglich (https://de.wikipedia.org/wiki/Solarzelle#Thermodynamisches_Limit_I).

– In der Praxis ginge das aber nur mit erheblichem technischen Aufwand; die Richtung, die man dabei einschlagen muß, wird von den Tandemzellen (Tandem: "Two junction"-Zelle) gewiesen: https://pveducation.org/pvcdrom/tandem-cells und https://www.researchgate.net/publication/305001056_Techno-Economic_Analysis_of_Tandem_Photovoltaic_Systems

– Zu den bislang erzielten Wirkungsgrad-Rekorden (im Labor; sowohl von "Single junction"- als auch von "Multi junction"-Zellen) siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Photovoltaics#/media/File:Best_Research-Cell_Efficiencies.png

– Details zum derzeitigen Status (neueste Rekordwerte aller PV-Technologien): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/pip.2978

– Zum Vergleich: Die Photosynthese der Pflanzen erreicht ca. 1 bis 2 % Wirkungsgrad (https://de.wikipedia.org/wiki/Photosynthese#Nettoprim.C3.A4rproduktion).


6b) Aber werden nicht die Stromleitungen überlastet, wenn viel Erneuerbaren-Strom eingespeist wird?

– Würde der Strom direkt vor Ort vom Erzeuger selbst genutzt und nicht ins Netz eingespeist werden (wie es aber für EEG-geförderten Strom verlangt wird), gäbe es diesbezüglich weniger Probleme.

– Na, dann sollte doch der Eigenverbrauch gefördert werden! Tja, die Politik ist gerade dabei, den Eigenverbrauch nicht nur mit der EEG-Umlage zu belasten, sondern demnächst auch noch die Stromsteuer draufzuschlagen (siehe PHOTON 7/2016, Seite 44, sowie http://www.photon.info/de/news/bmf-gesetzentwurf-okosteuer-auf-selbst-genutzten-sonnenstrom; außerdem http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stromsteuer-wer-sich-selbst-mit-strom-versorgt-soll-kuenftig-zahlen-1.3003463).

– Würden konventionelle (Groß-)Kraftwerke im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten heruntergeregelt, wenn viel Erneuerbaren-Strom erzeugt wird, gäbe es weniger Probleme. Die Kraftwerksbetreiber tun das aber nicht immer, obwohl das EEG eine solche Abregelung vorschreibt (siehe dazu PHOTON 7/2016, Seite 14, sowie https://www.greenpeace.de/files/publications/kurzanalyse_grosskraftwerke.pdf). Dabei ist der Regelungsbedarf sehr gut zu planen, denn der anfallende Wind- und PV-Strom kann drei Tage im voraus mit hoher Sicherheit ermittelt werden (siehe z. B. https://www.enercast.de/ und https://www.solarwebservices.ch/).

– Und wer sagt denn, daß die Energie in Form von Strom transportiert werden muß? Statt dessen kann mit Hilfe des Erneuerbaren-Stroms Wasserstoff bzw. Methan synthetisiert werden (siehe oben: "Power to gas") und dann das Gas transportiert werden; das bereits vorhandene Gasnetz hat enorme Transport- und Speicherkapazitäten, die wirken noch lange nicht begrenzend.

– Außerdem könnten lokale Gemeinschaftsspeicher die Lage entspannen, aber derzeit würden bei der Wiederentnahme der Energie Abgaben fällig, als ob man den Strom frisch bezöge. Das ist so, als ob man bei der Entnahme von Geld, das auf dem Sparkonto liegt, Einkommensteuer zu zahlen hätte (siehe dazu das Editorial der PHOTON 1/2017).


6c) Lohnt sich Photovoltaik in Deutschland wirklich im Vergleich zu anderen Ländern? Wäre es nicht viel besser, die PV-Module dort hinzustellen, wo es viel mehr Sonnenschein gibt als hierzulande?

– Solarzellen funktionieren um so besser, je kälter es ist (vgl. https://pveducation.org/pvcdrom/solar-cell-operation/effect-of-temperature), und die Module müssen regelmäßig von Sand und Schmutz befreit werden.

– In Gegenden mit viel Sonneneinstrahlung ist es auch heiß, so daß man dort nur unterproportional mehr PV-Strom bekommt als in Deutschland. Außerdem regnet es dort typischerweise weniger, so daß man einen höheren Aufwand bezüglich der Säuberung der Module hat. Dieser Effekt ist in südlichen Ländern besonders gravierend, weil dort die Module wegen des höheren Sonnenstands zur besseren Ausnutzung des Sonnenlichtes flacher geneigt montiert werden, wodurch Sand und Schmutz viel leichter darauf liegen bzw. haften bleiben.

– Und außerdem könnte der Strom von dort nur mit unvermeidbaren Leitungsverlusten nach Deutschland gelangen; nicht umsonst hat sich DESERTEC nach Nordafrika und in den arabischen Raum zurückgezogen.

Fazit: Das kühle, regenreiche Deutschland ist trotz der nicht besonders üppigen Sonneneinstrahlung ein sinnvoller PV-Standort.


6d) Wie sinnvoll ist ein Sonderweg in Deutschland? Unsere Nachbarn setzen doch weiterhin auf Kernenergie.

– Wie sinnvoll ist es, auf Kernenergie zu setzen, ohne über ein sicheres (End-)Lager für die hochradioaktiven Abfälle zu verfügen? In Frankreich und Tschechien gibt es Endlager nur für schwach- und mittelradioaktive Abfälle; die Problematik der (End-)Lagerung sämtlicher Arten hochradioaktiver Abfälle ist weltweit noch nicht gelöst.

– Es stimmt nicht, daß alle Nachbarländer auf Kernenergie setzen:
* Dänemark entschied sich 1985 mit einem Parlamentsbeschluß endgültig gegen die Nutzung der Kernenergie.
* In Österreich wurde 1978 wurde per Volksentscheid die Inbetriebnahme des allerersten, bereits fertiggestellten Kernkraftwerks Zwentendorf verhindert; 1999 wurde das Atomsperrgesetz in den Verfassungsrang erhoben.
* In der Schweiz sind derzeit zwar noch mehrere Kernkraftwerke in Betrieb, jedoch wird es keine Neubauten geben: Am 21. Mai 2017 wurde in einer Volksabstimmung ein Bewilligungsverbot neuer Atomkraftwerke im Rahmen der "Energiestrategie 2050" von 58 Prozent der Stimmen angenommen.


6e) Für alle weiteren Fragen zur PV in Deutschland siehe "Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland" (siehe http://www.pv-fakten.de/).


7.) Mein persönlicher Vorschlag, um die Energiewende voranzubringen: Wechsel zu einem Stromanbieter, der sowohl ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom vertreibt als auch nicht an nuklearer oder fossiler Energiegewinnung beteiligt ist (Hinweise dazu auf https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/haeufige-fragen-zur-energiewende unter "Ökostrom").


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Dr. Jan-Martin Wagner
Institut für Materialwissenschaft
Technische Fakultät der CAU zu Kiel
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