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Begrüßungen
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Ich begrüße als Gäste bei unserem
Sommerfest |
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Allen voran unsere Ministerpräsidentin, Frau Heide Simonis |
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Frau Stadtpräsidentin Cathy Kietzer |
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Die Repräsentanten der Ministerien, der Stadtverwaltung und der
Verbände |
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Den Rektor der FH Kiel, Herr Prof. Reimers |
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Die Vorstände und Mitgliedern des Fördervereins, allen voran den
neuen Vorsitzenden, Herrn Rathjens, die uns dieses Fest
ermöglichen. |
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Herrn Friebe, den Chef der Technologie-Stiftung Schlewig-Holstein;
der praktsich vom Krankenbett aus hierher gekommen ist. |
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Die Kollegen und die Vertreter der CAU, allen voran unseren Rektor
Magnifizenz Haensel und den Kanzler, Herrn Neumann |
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Und last not least, unsere Absolventen, Preisträger und,
soweit hier, die zugehörigen Eltern. Wir immer gehört den
Eltern mein ganz besonderer Gruß, denn sie bezahlen letztlich mein
Gehalt. |
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Nun will ich mich als Gründungsdekan und gewählter
Dekan der Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität
nicht mit Rektoren oder gar mit Vorsitzenden von Rektorenkonferenzen
vergleichen - aber neugierig auf meine Landung sind sie jetzt schon,
denke ich mal. |
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Man ist natürlich versucht, bei einem solchen
Anlaß Bilanz zu ziehen - frau, wie ich vermute, auch. Es liegt
nahe, die in der Aufbauphase erbrachten Leistungen gebührend zu
würdigen, noch näher läge, die schlechten Zeitläufte zu
beklagen, die überall verhindern, daß alles noch größer
und schöner wäre als es ohnehin ist. Ich bin natürlich versucht,
genau das zu tun, weil das schöne amerikanische Sprichwort: "The
squeaky wheel gets the grease" - das quietschende Rad wird geschmiert
- auch für weite Bereichen der deutschen Gesellschaft gilt, insbesondere
aber für die Politik. |
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Aber so was ähnliches habe ich schon vor einem Jahr getan.
Damals war der Titel meiner Rede: Technische Fakultät - Quo
vadis? Was soll ich Ihnen nun erzählen? Ohne mich zu wiederholen
und ohne Frau Simonis die Show zu stehlen? |
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Im Titel steht, etwas provozierend, " der Anfang vom
Ende". Dies ist eine deutlicher Hinweis auf Probleme; zunächst
auf die Probleme, die wir alle kennen: Zu wenig Studierende und zu wenig
Geld. Ich möchte heute aber noch einen dritten Problemkreis aufzeigen,
einen Problemkreis, der in meiner Überzeugung für die beiden
erstgenannten Probleme mitverantwortlich ist. Ich will das ein letztes Mal ganz
unwissenschaftlich tun, nämlich polemisch und provozierend
- obwohl ich gar nicht Politiker werden will. |
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Zunächst mal, und damit keine Unklarheiten aufkommen: Das
Ende des Anfangs ist heute nur erreicht, weil sich die Fakultät in
ihrem sogenannten Minimalstrukturprogramm gegenüber der
ursprünglichen Planung selbst so weit zurückgenommen hat, daß
wir heute bei etwa 2/3 des geplanten Ausbaustandes und ohne das
eigentlich verbindlich vorgesehene Fakultätsgebäude auf dem Campus,
eine erste Zäsur in der Besetzung neuer Professuren und der damit
verbundene Mitarbeiter einlegen müssen. Sonst wäre noch
einiges aufzubauen. Um nur eine Zahl zu nennen: Mit Bezug auf die
Gründungsplanung wären noch mehr als 20 Professuren zu
besetzen. Wir haben damit, am Rande bemerkt, dem Land eine Bausumme von ca.
120 Mio DM und jährliche Kosten von ca. 10 Mio DM erspart.
Nicht unbedingt gern, aber halt doch. |
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Aber jetzt zum zum Anfang. Wir wollen mal ehrlich sein:
Bei der Gründung der Technischen Fakultät spielte es auch
eine Rolle, daß Hamburg sich eine TU gegönnt hat, daß andere
Aktivitäten, zum Beispiel die Gründung des ISiT in Itzehoe geradezu
nach einer Ergänzung durch eine Technische Fakultät verlangten, oder
daß Lübeck und Flensburg eine Chance sahen, ihre
Bildungsinfrastruktur auszubauen. Auch gab es die gar nicht so ganz
klammheimliche Hoffnung, daß eine neue, von der Vergangenheit und den
Traditonen unbelastete Fakultät, vielleicht auch etwas frischen Wind in
die ehrwürdige, aber möglicherweise etwas unbeweglich gewordene Alma
Mater bringen würde. |
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All diese, etwas versteckten Gründe, mögen
mitgespielt haben, aber wirklich wichtig waren folgende Punkte: |
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1. |
Der angestrebter Wandel der Wirtschaftsstruktur -
gekennzeichnet durch das Schlagwort Technologiestandort Schleswig-Holstein -
brauchte Ingenieure. |
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2. |
Landeskinder sollten nicht zwangsweise außerhalb des
Landes studieren müssen, falls sie den Ingenieurberuf ergreifen wollten,
denn sie kamen viel zu selten zurück, und gründeten ihre Firmen
woanders! |
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3. |
Das Land sollte als Standort für High-Tech Firmen attraktiver werden -
die berühmten Standortfaktoren brauchten Verbesserungen im technischen
Bildungsbereich. |
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In einem Satz: Man erhoffte sich, daß auch in
Schleswig-Holstein, um die Technische Fakultät herum, blühende
Landschaften entstehen würden; das Beispiel der Stanford University, die
ja als Keimzelle der heutigen Informations- und Kommunikationsindustrie in den
USA und damit der Welt gesehen wird, spukte und spukt noch in manchen
Köpfen herum. |
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Und damit erhoffte man sich
Arbeitsplätze, und Steueraufkommen, und damit vor allem
Ruhe beim Verfolgen der wichtigen Dinge, z.B. bei der Etablierung von noch
ein paar Beauftragten - auf der Personalwunschliste der Universität stand
jahrelang an erster Stelle ein - ich zitiere -
"Beauftragter für biologische
Sicherheit des Rektorats der CAU". Der Schutz des Wachtelkönigs,
so man ihn denn finden konnte, war wichtig. Die Bedeutung einiger alter
Betonbrocken im Kieler Hafen mußte aus historischer, ästhetischer,
psychosoziologischer und sonstiger Sicht gebührend gewürdigt werden,
und insbesondere mußten auf dem Altar der Chancengleichheit bis ins hohe
Alter noch einige Opfer dargebracht werden, zum Beispiel die Mathematik in der
Oberstufe. |
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Probleme wurden keine erwartet, denn schließlich
würde die Nachfrage nach Ingenieuren stetig steigen. Deutschland war ja
schließlich ein Hochtechnologie-Standort, und Schleswig-Holstein hatte
beschlossen, sich da mit einzubringen. Ingenieure sind da irgendwie
nützlich und werden gebraucht. Genügend Geld würde es auch
geben, schließlich waren wir, weil technisch führend, ein reiches
Land, Exportweltmeister und die Musterknaben Europas. |
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Das war so um 1990- 1993. Von großem Optimismus
getragen, und mit berechtigtem Stolz, wurde per Kabinettsbeschluß und
Universitätssatzung 1990 die Technische Fakultät
gegründet - der Konsens war allgemein. Dazu eine kleine Geschichte: Ich
habe im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Persönlichkeiten getroffen,
die, um es mal ganz überspitzt auszudrücken, stolz darauf waren -
meistens auch mit einem gewissen Recht - daß sie die Technische
Fakultät fast ganz alleine gegen große Widerstände durchgesetzt
haben. Interessanterweise haben ich jedoch damals nie einen bekennenden
Widerständler getroffen noch - ich muß geschlechtsneutrale Sprache
walten lassen - eine bekennende Widerständlerin .
Zwischenruf Frau Simonis: "ich war dagegen!" |
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Das war, denke ich, so ungefähr die Motivation und die
Erwartungshaltung bei der Fakultätsgründung. Und, um das jetzt und
klar auszusprechen: Es waren gute Gründe, damals wie heute. Der
Stolz war und ist berechtigt. |
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Erste Professoren wurden berufen, die Gebäude des
Standortes, in dem sie sich befinden, wurden ruck-zuck gekauft. Der Tiger
hat zum Sprung angesetzt, und alle, alle haben wohlwollend zugeschaut.
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Wie hat denn aber der Tiger, also die hierher berufenen
Professoren, diese Phase empfunden? Was war unsere Erwartungshaltung?
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1. |
Wir gingen, erstens, damals wie auch heute, ganz
selbstverständlich davon aus, daß die Technische Fakultät als
Teil einer Universität gewollt war, und nicht nur als ein
technisches Dienstleistungszentrum für die berühmten kleinen und
mittleren Unternehmen, oder gar als Schnellbrüter für
Kleinstfirmengründungen, sozusagen als eine Art Edeltechnologiezentrum.
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2. |
Und mit diesem Anspruch war und ist uns, zweitens, die Einheit
von Forschung und Lehre wichtig. Ich erinnere daran, daß wir im
Gegensatz zu den Kollegen an den Fachhochschulen nicht nur forschen dürfen
oder vielleicht sogar sollen, nein, wir müssen! Und wenn die
Einheit von Forschung und Lehre in der Universität überhaupt noch
wichtig ist - und ich meine sie ist es - dann ist sie nirgends wichtiger als in
der Technik. Denn den größten Teil dessen was wir lehren, gab es vor
wenigen Jahren noch gar nicht - unsere Lehre kommt unter allen Disziplinen
einer Universität am unmittelbarsten aus der Forschung! Sie ist
übrigens auch universal - sie gilt nämlich im ganzen
Universum - und nicht nur regional, wie zum Beipiel die Jurisprudenz
oder die Theologie. |
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3. |
Ansonsten haben wir auch, drittens, als selbstverständlich
vorausgesetzt, daß es genügend Studierende geben würde, und
daß genügend Mittel vorhanden waren, um die Fakultät auch
aufbauen zu können. |
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Das war unsere Erwartungshaltung. Wir wollten uns ins Biotop
der Universität voll einbringen, und uns gleichsam mit den Löwen,
Bären, Adlern und Haifischen der anderen Fakultäten, an der Spitze
der kulturellen Nahrungskette tummeln, an den Grenzen der Erkenntnis, am Quell
der Zivilisation und der Kultur. |
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Wie war es nun in der Praxis, in welcher Lage befanden sich die
Akteure die die Fakultät aufbauen mußten. Nun, man muß
Tiger gut behandeln, wir konnten: |
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1. |
Erstens: Viele wichtige Entscheidungen - z.B. beim Aufbau der
Fakultät, in der Forschung und Lehre - in voller Freiheit und in eigener
Verantwortung selbst treffen - selbstverständlich immer innerhalb der
Spielregeln des öffentlichen Dienstes und der CAU. Naja vielleicht
nicht immer, aber doch oft, zumindest ab und zu. |
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2. |
Wir konnten auch, zweitens, einige mehr oder weniger fest
vorgegebenen Dinge ändern und für uns günstig gestalten -
manchmal zwar nur im Nahkampf und mit einer Blutspur - aber immerhin. Dazu
gehörte vor allem die Gründung der Technomathematik, die Öffnung
des Internets, die Optimierung der Studiengänge - trotz der zahlreichen
Regularien - oder auch die Gestaltung unseres internen
Bewirtschaftungssystems. |
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Ich habe diese beiden Punkte als sehr positiv empfunden. Ich
erkenne ausdrücklich an, daß Land und Universität hier viel
Entgegenkommen gezeigt haben, was ja auch nicht immer leicht fiel, und ich bin
sehr dankbar dafür. |
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3 |
Wir mußten dann aber, drittens, lernen, daß wir
letztlich nicht den gleichen Status hatten wie die klassischen
Fakultäten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir Ingenieure haben
nützlich zu sein - Kultur machen andere. In anderen Worten, und um bei
der gewählten Metapher zu bleiben: |
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Die freie Wildbahn - vielleicht zwar auch mit Zaun, aber weit,
weit draußen - die freie Wildbahn bleibt den anderen vorbehalten, den
Kulturträgern, den Löwen und Adlern, aber vor allem den Sphinxen,
Pegasoi und Einhörnern, die lateinisch oder sogar
altgriechisch parlieren können! Versuchen sie doch mal einem
Theaterintendanten - um mal einen anderen, aus dem so unterhaltsamen
öffentlichen Leben in Kiel gegriffenen Bereich zu bemühen - versuchen
sie doch mal einem Theaterintendanten oder einer Intendantin zu sagen, er oder
sie möge nützlich sein und a) das bringen was das Publikum
gerne sehen möchte, und b) auch noch so inszeniert, daß es
den Leuten gefällt. |
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Der Rechnungshof sieht das, verkürzt gesagt genau so. Er
meint, es braucht die Technische Fakultät eigentlich nicht, wenn sie
für die kleinen und mittleren Unternehmen des Landes nicht unmittelbar
nützlich sei. |
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Ich frage sie, ob sinngemäße Aussagen für
andere Fakultäten einer Universität vorstellbar sind. Man könnte
dann auch der Agrarwissenschaftlichen Fakultät vorhalten, daß die
Bauern des Landes zwar dümmer, die Kartoffeln jedoch nicht dicker geworden
seien. |
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Und damit bin ich bei dem Grund, der mir bei der
Gründung der Technischen Fakultät fehlte und der mir immer noch
fehlt: Der intrinsische Wert der Technik in Forschung und Lehre einer
Universität! Denn Technik prägt nicht nur unser aller Leben;
wir sind ohne Technik gar nicht mehr lebensfähig. Technik ist ein
integraler Bestandteil unserer Kultur. Und wer Technik nur unter
Nützlichkeitsgesichtpunkten sieht, oder gar nur die dunkle Seite, die
Gefahren wahrzunehmen vermag, der zerstört seine eigene Identität als
europäischer Kulturmensch, auch wenn er es nicht gleich merkt. Und ein
Land, das sich seine Universitäten zwar ohne Technik, nicht aber ohne
Mediavistik, Chemie, Archäologie, Mineralogie oder Philosophie vorstellen
kann - um nur mal willkürliche Beispiele zu wählen - sollte sich
nicht nur seinen Riemen enger schnallen, sondern auch seinen geistigen Horizont
nicht mit dem Fernglas suchen. Der ist dann nämlich auch mit unbewaffnetem
Auge schon deutlich sichtbar. |
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Vor wenigen Tagen hatte ich mal wieder ein
Schlüsselerlebnis. Bei einer Podiumsdiskussion, organisiert von den
Ingenieurverbänden an der Fachhochschule Kiel; einer Posiumsdiskussion,
die erklärtermaßen dazu dienen sollte, die Oberstufenschüler
der Gymasien im Kieler Einzugsgebiet mit dem Berufsbild des Ingenieurs vertraut
zu machen, bei dieser Veranstaltung waren ca. 15 Schüler da;
immerhin einer für jeweils zwei der anwesenden Experten. |
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Die Schüler - Schülerinnen gab es
keine - erklärten, sofern sie überhaupt etwas sagten, daß sie
leider keinerlei Informationen über den Ingenieurberuf hätten und
damit auch sonst nie in Berühung kämen. Studieren würden sie
Jura oder Germanistik. Mich hat das geschockt. Das sagen junge Leute, die zwar
mit Technik vom feinsten aufwachsen und auch wie selbstverständlich damit
umgehen, aber gleichzeitig offenbar davon ausgehen, daß PCs,
Handys, Airbusse, Computertomographen oder meinetwegen auch Motorräder,
auf Bäumen wachsen. Komischerweise sehen sie als Studierende die Sache
anders. In der ganzseitigen Anzeige,
die Studierende der CAU beim Streik 1997 am 6.12 in den
Kieler Nachrichten veröffentlichten, ist zum Thema der Wichtigkeit viele
Studierender hauptsächlich die Thematik der Technsichen Fakultät
angeführt - offenbar fällt den Damen und Herren Studierenden der
Kultur- und Geisteswissenschaft dazu nicht viel ein. |
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Wir haben uns dann nach Kräften bemüht, den
Schülern klar zu machen, wie toll die Berufsaussichten jetzt sind, und wie
nützlich die Tätigkeit der Ingenieure für die Gesellschaft ist.
Daß unsere Wirtschaft unbedingt der technischen Intelligenz bedarf, und
was Tiger, die durch jeden Reifen springen den man ihnen hinhält,
dem Nachwuchs halt sonst noch gerne erzählen. Ein Schüler nach dem
anderen hat sich heimlich still und leise davon geschlichen. |
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Mir wurde klar: Wir beackern das falsche Feld. Wie
wichtig für die Wirtschaft, und wie nützlich für die
Gesellschaft die Ingenieurinnen und Ingenieure sind, müssen wir vielleicht
der Regierung oder den Grünen erzählen; die Abiturienten interessiert
das nicht. Wir können auch nicht im Ernst erwarten, daß sich die
Oberstufenschüler und -schülerinnen zusammen tun und sagen:
"Laßt uns die deutsche Wirtschaft retten und Ingenieurfächer
studieren". |
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Und die jetzt mal wieder guten Berufsaussichten. Ich will nicht
sagen, daß die deuschen Abiturienten an den Berufsbildern hinter den
Studiengängen nicht interessiert sind; aber nicht sonderlich, das gilt
insbesondere für Abiturientinnen. Das manifestiert sich nicht nur im
totalen Desinteresse an allen Informationsveranstaltungen zum Thema, sondern in
der real existierenden Studienfachwahl. Wären die zukünftigen
Berufsaussichten so wichtig, würden sie nicht alle in Massen Germanistik,
Jura, Politologie und Soziologie studieren; von Pädagogik mal ganz zu
schweigen. |
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Ich habe mich dann zu Wort gemeldet und etwa folgendes gesagt:
"Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten und getrennt
darstellen. |
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Die eine Seite ist die Wichtigkeit der Ingenieure für die
Gesellschaft, die Berufsaussichten, der Arbeitsmarkt. Nur diese Seite wurde
bisher bis zum Abwinken dargestellt. Und nur diese Seite war bei der
Gründung der Technischen Fakultät wichtig. Sie ist wichtig,
insbesondere für die Gesellschaft, aber es ist nur eine Seite der
Medaille. |
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Die andere Seite, die für mich, für das Individuum viel
wichtigere Seite, ist die Schönheit des Berufs. Die tiefe innere
Befriedigung, Zusammenhänge verstanden zu haben, endgültige
Wahrheiten zu erkennen, neues finden und vor allem umsetzen zu
können. Kreativ zu sein . Etwas Nichttriviales machen zu
können, das auch funktioniert. Und zwar fast immer so, wie man es
sich vorher ausgerechnet hat. |
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Man muß das mal mit anderen Berufen vergleichen, zum
Beispiel mit dem armseligen Berufsleben eines
Pädagogik-Wissenschaftlers
oder einer Soziologin, wenn nicht gar eines Politikers. Seit Jahrzehnten wird
an immer neuen Theorien und Modellen gebastelt: Wie man Kindern das kleine und
große Einmaleins am besten beibringt, wie man Strafgefangene
resozialisiert, wie man einen Haushalt ausgleicht. Noch nie, noch nie
hat irgendwas funktioniert, höchsten aus Zufall. Vorne wird mit der Stange
im Nebel gestochert, ohne was zu finden, und nach hinten wird Nebel geworfen,
damit´s keiner merkt" |
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Das habe ich gesagt, und siehe da: Zum ersten
Mal gab es Beifall! Etwas Interesse war geweckt; die paar verbliebenen
Schüler stellten Fragen. Bevor eventuell anwesende Pädagogen und
Soziologen nun auf mich anlegen: Dieser interessante Vergleich stammt nicht von
mir, sondern von dem Nobelpreisträger Richard Feynman; er ist mir nur noch
rechtzeitig eingefallen. Und damit man mir nicht ganz allein abwegige
Meinungen, oder gar Beschimpfungen der Geisteswissenschaft vorwerfen kann; noch
schnell ein Zitat: |
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"Das grundlegende Problem bleibt: Der Ingenieurberuf ist nicht mehr
attraktiv. Zu seinem Image gehören, zu Unrecht, der Lötkolben und der
Öldreck unter den Fingernägeln. Der Ingenieur muß hart
studieren, tüchtig arbeiten - und verdient doch weniger als der
Finanzprofi. Er baut das Handy, das der Yuppie an sein Ohr preßt und
über das der Geistesmensch lacht. .... Mehr noch, Technik steht
grundsätzlich unter Soupçon, bei den Gebildeten sogar noch mehr als
bei den Ungebildeten. Es ist der akademische Normalfall geworden, daß
solche Theoretiker, die Technik "dekonstruieren", die vermutlich noch
nie ein Radio auseinandergebaut haben". (Gero von Randow). |
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Das war aus der "Zeit", die nicht unbedingt im Verdacht steht,
den Ingenieurwissenschaften besonders nahe zu stehen. |
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Ingenieur- und Naturwissenschaften gehören primär an
eine Universität um ihrer selbst willen, aus ihrer kulturtragenden Rolle
heraus - wie die anderen Fächer auch. Und deswegen studiert man sie als
Individuum an einer Universität. Dann, und erst dann, kommt für das
Individuum ihr überragender Nutzen für die Gesellschaft. |
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Und nur aus der Freude aus dem Umgang mit Technik, aus der
daraus resultierenden Kreativität des einzelnen, kommen Innovationen,
kommt etwas neues. Die zahlreichen Kampagnen zu Themen wie Innovationen,
Technologietransfer, Patentstrategien, Existenzgründungen, mit denen seit
ein paar Jahren die Universitäten überzogen werden, all diese
Kampagnen zielen praktisch nur auf die naturwissenschaftlich-technische Seite
der Universitäten, denn dort, und nur dort, wird daran geforscht, und nur
aus Forschung kommen echte Innovationen. Die Botschaft ist klar: |
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Natur- und Ingenieurwissenschaft, die ausschließlich aus
Nützlichkeitsgesichtspunkten betrieben wird, ist im wahrsten Sinne des
Wortes steril, sie wird keine Früchte mehr tragen und keinen Nachwuchs
mehr haben. Und Ingenieure, die sich in diese Rolle drängen lassen, die
sich fast dafür enschuldigen, daß sie Spaß an der Technik
haben, mögen zwar ein einfacheres Leben unter den argwöhnischen Augen
der Gebildeten führen, um nochmal "die Zeit" zu bemühen,
sie erweisen aber letztlich ihrem Land, ihrer Gesellschaft einen
Bärendienst, um die Metaphern auch noch zu mischen. In anderen
Worten: |
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Ich glaube, daß wir an diesem Punkt ansetzen müssen,
um unsere beiden unmittelbaren Probleme - die fehlenden Studierenden und das
fehlende Geld - zu bewältigen. Sicher, Studierende fehlen überwiegend
wegen dem schlechten Arbeitsmarkt der letzten Jahre; aber warum sind
unsere zukünftigen Ingenieure und Naturwissenschaftler so empfindlich
auf diesen Faktor geworden? Warum scheren sich die Interessenten anderer
Studiengänge viel weniger um ihre Arbeitsmarktchancen? Weil sie sich nicht
nur über ihre Nützlichkeit für andere definieren. |
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Ich glaube auch, daß wir hier
eine der Ursachen für das fehlende Geld in den Staatskassen haben, will
aber nur soviel dazu sagen: In den USA ist das Steueraufkommen inzwischen so
hoch, daß die Regierung keine
Schulden mehr machen muß und die USA sind mit großem
Abstand führend auf den Wachstumsmärkten moderner Technologien
und die Ingenieure sind zunehmend die Strahlemänner im
öffentlichen Bewußtsein, die Helden der Nation. Ob nun die
"Und" in diesem Satz aufzählende oder logisch verknüpfende
Konjunktionen sind,das mag sich jeder selbst beantworten. |
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Ich werde zukünftig nicht mehr nur die
Nützlichkeit der Ingenieure betonen wenn ich an Schulen gehe, ich werde
die Befriedigung, die damit verbundene Lebensqualität herausstellen, die
diese Ausbildung, die dieser Beruf bringt. Ich werde betonen, daß ich
einen kreativen Beruf habe, daß ich Neues finden und umsetzen kann,
daß ich die Welt verstehe und mir untertan machen kann. Ich werde
erforschen was mir Spaß macht und ich werde durch keine Reifen mehr
springen, die irgendjemand hochhält - außer ich will das selbst. Und
mit dieser Einstellung, da bin bin ich ganz sicher, mit dieser Einstellung
werde ich mehr für unser Land tun als mit dem Springen durch Reifen, die
andere hochhalten. |
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Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Das
heißt nicht, daß ich keine Patente mehr anmelden werde, daß
ich keine Produkte mehr entwickeln werde, keine Technologien mehr transferiere
oder keine Firmengründungen mehr initiiere. Es heißt auch nicht,
daß ich unsere Studiengänge, unser internes System so lassen
möchte wie sie sind. Aber ich werde mich nicht mehr über die
Nützlichkeit für andere definieren. Und ich werde noch mehr als
bisher unserem Nachwuchs nicht nur gehobenes Handwerk vermitteln, sondern vor
allem die Freude an eigenständiger Forschung, an kreativem Umgang mit der
Technik und vor allem Stolz auf die eigene Leistung und auf den eigenen
Stand |
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Wenn wir diese Botschaft verbreiten und vorleben, wenn wir das
tun, dann werden wir auch wieder genügend Nachwuchs bekommen und die
Staatskassen werden sich wieder füllen. Denn der Anfang vom Ende ist nicht
nur für die Technische Fakultät am Horizont vage sichtbar, sondern
für uns alle, für unsere Gesellschaft, für unsere Staatsform,
für unsere Freiheit und Demokratie. Es geht nicht um unser Ende,
sondern um unser aller Ende. Es wird dieses Ende nicht geben, wenn wir
uns wieder auf unsere Grundwerte als Ingenieure und Wissenschaftler besinnen,
diese Werte nach außen selbstbewußt vertreten, und aufhören,
uns dauernd dafür zu entschuldigen, daß wir gelegentlich beim
erzwungenen Sprung durch diesen oder jenen Reifen auch mal
danebenspringen. |
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Und damit schließt sich der Kreis. Ich
bin gar nicht nicht als Tiger gesprungen. Ich bin durch den Reif gesprungen,
ich war ein Papiertiger. Ich bin es nicht mehr. Richtig und
vollständig muß es also heißen: |
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© H. Föll