Rede zur Promotion von Herrn Prange

Ein Professor hat einmal gesagt, daß der Tag, an dem er einen Doktoranden oder eine Doktorandin - es läuft mir schon so selbstverständlich von den Lippen, es ist ein Graus - also eine DoktorIn mit großem I verabschiedet, das sei ein bemerkenswerter Tag, fast so herausragend wie der Tag, an dem man zum Professor ernannt wird oder der Tag an dem man merkt, daß der Assistent merkt, daß man das, was man in der Vorlesung verzapft, selbst nicht so ganz beherrscht.

Und wie recht hatte ich doch! Es ist ja schon ein Risiko, wenn man eine Doktorarbeit ausgibt; man weiß nie, was daraus wird. Es ist fast so, wie beim Installieren eine neuen Programms auf dem PC. Wer weiß schon wie es laufen wird? Welche Systemressourcen es bindet? Wie oft es abstürzt oder Viren einschleppt. Ob es auch nur entfernt das tut was man will oder das überhaupt kann? Ob man es jemals wieder 100% de-installiert bekommt? Selbst wenn man schon einige Erfahrungen mit einem Programmtyp hat, ist jeder neue Upgrade doch immer wieder voller Überraschungen. Das neue Word, beipielsweise, kann plötzlich den Stone Fond nicht mehr lesen - und die neue Doktorandengeneration kann plötzlich ohne PC keine einzige Messung mehr machen. Wenn alle Stricke reißen, kauft man bei Programmen einen neuen PC und startet von vorne - bei Doktoranden wechselt der Professor die Uni. Jetzt habe ich aber ein Betriebsgeheimnis verraten, das eigentlch nur die Systemadministratoren kennen sollten und höre lieber auf.

Leider kommen Doktoranden, im Gegensatz zu neuen Programmen, ohne feste Buttons, die auf Knopfdruck Standardoperationen durchführen. Wünschenwert wäre zum Beispiel der "Schnelle Folie" - Button, der "Übungsassistent" - Button, oder der "Prüfungsfragen" - Knopf. Bei unserem Herrn Prange war das aber kein Problem; er hatte die entsprechenden Makros ziemlich festverdrahtet und absturzsicher mitgebracht - sie wurden dementsprechend oft aufgerufen.

Herr Prange, ganze Generationen von Studis verdanken vor allem Ihnen, daß sie in der Matwiss I und II, trotz meiner amateurhaften Ablenkungsversuche in der Vorlesung, auch ein paar harte Fakten gelernt haben; darauf dürfen Sie stolz sein!

Der Herr Prange hat aber nicht nur Übungen und Praktika betreut, sondern auch noch geforscht. Und zwar mit Erfolg, er hat eines der großen Rätsel der Menschheit gelöst, auch wenn die Menschheit von diesem Rätsel kaum was wußte. Dank seiner Forschung sehen wir heute klarer bei stochastischen Prozessen die zu Oszillationen führen. Mit Glück, und mit entsprechenden Programmen von Herrn Carstensen, lassen sich damit vielleicht sogar die wirklich großen Fragen angehen, zum Beispiel warum die Anfängerzahlen in den Ingenieurwissenschaften immer oszillieren, warum es in der Kieler Woche regelmäßig regnet oder warum aus der Regierung nur noch grüngefärbtes Rauschen kommt, aber keine makroskopischen Aktionen mehr.

Nun erwartet die Wirtschaft oder sonstwer von unseren Absolventen nicht nur fachliche, sondern vor allen auch soziale Kompetenz. Das Wort soziale Kompetenz ist, das muß mal gesagt werden, ein Euphemismus dafür, daß die Anfänger auch die Arbeit des jeweiligen Vorgesetzten gleich miterledigen können; wenn´s geht sogar ein bißchen besser als der Herr Hierarch.

Herrn Prange, Ihnen sowie den anwesenden Mitarbeitern wird jetzt rückwirkend hoffentlich schlagartig klar, daß ich keine Mühe und kein Opfer gescheut habe, sie mit entsprechend hoher sozialer Kompetenz auszurüsten - von Dankesbezeugungen bitte ich aber abzusehen.

Nun kommt ein großer Schritt, der Eintritt in einen richtigen Beruf. Die Welt steht Ihnen offen. Sie können Forscher, Manager, Politiker, wenn nicht sogar Unternehmensberater werden. Mit letzteren hatte ich gestern mal wieder zu tun - seit 8 Monaten analysieren die Typen die Technologie Transfer Landschaft des Landes - und wurde an den alten Spruch erinnert: Ein Unternehmsberater ist jemand, der zwar 49 Positionen, aber kein einziges Mädchen kennt. Widerstehen Sie also den Sirenenklängen der McKinseys und lernen Sie erst mal Mädchen kennen. Oder, um es mit Karl-Heinz Kaske, dem früheren Siemens Chef zu sagen: "Aus guten Naturwissenschaftlern werden häufig gute Betriebswirte und Manager; das Umgekehrte ist jedoch noch nie passiert".

Auch Mobilität ist Teil der sozialen Kompetenz. Sie wird leicht zur Last - wer fährt schon gern nach San Diego, wo die Leute komische Sachen essen, wenn Amrum so nahe liegt - muß aber sein, da muß man durch. Hier bei uns an der Ostsee essen die Leute auch komische Sachen die sie im Meer finden, nur der Herr Prange und ich nicht. Ich bin nämlich aus der Stuttgarter Gegend und der Herr Herr Prange ist auch Allergiker. Das ist manchmal unheimlich praktisch, weil man immer eine Entschuldigung hat wenn man die Schweinereien, die im Zeitalter der Globalisierung auf den Tisch kommen, nicht essen möchte - wobei erschwerend hinzukommt, daß diese Schweienreien gar nicht aus Schwein gemacht sind, sondern zum Beispiel aus den Gebärmüttern von Seeigeln.

Beim letzten Anlaß dieser Art habe ich die fehlende Betreuung noch mit meiner Dauerdekansrolle entschuldigt. Beim Herrn Prange geht das auch noch, bei der nächsten Doktorandengeneration geht es nicht mehr, da muß ich mir was neues einfallen lassen.

Lieber Herr Prange, auch sie haben es trotz, wegen, mit oder durch meine Minimalbetreuung geschafft, sich durch ein Thema durchzubeißen, an dem schon viele gescheitert sind. Gleichzeitig haben Sie soziale Kompetenz im erwähnten Sinne bewiesen, indem Sie mir willig und kompetent den Rücken freigehalten haben; dafür bin ich dankbar und das erkenne ich an. Wenn Sie sich demnächst, um in der Eingangsmetapher zu bleiben, sich hier de-installieren, wird auch Ihnen das, wie so häufig, nicht ganz gelingen. Sie haben im Betriebssystem des Lehrstuhls Spuren hinterlassen, die man nicht mehr rauskriegen wird, und das ist auch gut so.

An der Körpersprache der Anwesenden erkenne ich, daß ich jetzt aufhören soll sie noch länger im Belaberungszustand zu halten; ich will es auch tun. Ich habe fertig, und komme jetzt zur Flasche leer! In diesem Sinne: Herr Prange: Auf Ihre Zukunft!

© H. Föll