Rede zur Promotion von Herrn Lippik und Herrn Ottow

Im Leben eines Professors gibt es einige herausragende Tage; zu nennen wäre zum Beispiel der Moment, wo er seine Urkunde in Empfang nimmt (und damit finanziell ausgesorgt hat), der Tag an dem er seinen ersten wissenschaftlichen Mitarbeiter - in der Regel einen Doktoranden bzw., es läuft mir schon fast ganz selbstverständlich von den Lippen, eine Doktorandin so er sie denn findet - einstellt, den Moment, wo er in einer Vorlesung was erzählt was er selbst nie so ganz verstanden hat und merkt, daß der Assistent das merkt, der Tag, wo ihm die Studierenden eine Sammlung seiner Sprüche präsentieren, der Augenblick in den seltenen Momenten wo er seine Mitarbeiter, wie es so schön heißt, zum wissenschaftlichen Arbeiten anleitet und feststellt, daß die inzwischen die Materie viel besser beherrschen als er selbst, und schließlich der Tag, wo er seinen ersten Doktorand, oder wie in meinem Fall seine beiden ersten Doktoranden, erfolgreich zum Ziel geführt hat, wobei wir mal noch dahin gestellt lassen, ob der Erfolg wegen oder trotz der Führung eintrat.
  Es ist ungefähr so, wie wenn man die Kinder endlich ohne größere Unfälle durch die Schule gebracht hat, sich freut, und dann feststellt, daß sie jetzt dann bald - leider, aber auch hoffentlich - ausziehen werden.
Lieber Hr. Lippik, lieber Hr. Ottow, es ist mir eine persönliche Genugtuung sowohl in meiner Eigenschaft als Doktorvater, als auch in meiner Funktion als Dekan, sie beide als die ersten Doktoranden der neuen Fächer der Technischen Fakultät beglückwünschen zu dürfen. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt und viel von Ihnen und meinen anderen Mitarbeitern profitiert, dafür möcht ich mich ganz herzlich bedanken.
Ich bin mir nie ganz klar darüber geworden, ob der heutige Erfolg nun trotz, oder vielleicht doch eher wegen der weitgehend fehlenden Betreuung erzielt wurde - auf jeden Fall mußten sie beide, wie auch der hart geprüfte Rest der Truppe, schnell einiges lernen: Nicht nur ganz allgemein wie man Probleme löst, sondern wie man das unter Zeitdruck und immer exakt auf Deadline macht.
Ich nutze die Gelegenheit, um das mal ganz deutlich zu sagen, daß meine Tätigkeit als Dauerdekan der TF sehr viel schwerer gewesen wäre wenn nicht gar unmöglich, wenn mir meine Mitarbeiter nicht in vorbildlicher Weise in großen Bereichen der Lehre den Rücken freigehalten hätten und dabei - das ist das wichtigste - immer unbedingt verläßlich, selbstständig und einsatzfreudig gewesen wären.

Im Gegenzug hat die Gruppe offenbar gelernt, Probleme optimal zu lösen. Der schlagende Beweis wurde auf dem letzten Fakultätsausflug bei der Rallye im Tierpark Eckholt erbracht, als alle anderen - darunter auch ich - wie die Wahnsinnigen durch den Tierpark tobten um die Hinweise zur Lösung der gestellten Fragen zu finden, während meine Mitarbeiter sich den Führer durch den Tierpark kauften, sich ins Gartencafe setzten, und bei einem bzw. mehreren Glas Bier in aller Seelenruhe die Aufgaben mit dem Buch lösten und prompt den ersten Preis bekamen.

Das gilt nun ganz besonders für den guten Wollo, den Hrn Dr.-Ing. Wolfgang Lippik, der als Mann der ersten Stunde - er war die Nr. 5 der TF (Nr. 1 und 2, nebenbei bemerkt, war Dr. Paul und die unvergessene Fr. Schneider bzw. Edle von Röthlin; Nr. 3 und 4 war dann schon Hr. Dirks und ich) - seit Dez. 91 so manches mitgemacht und mitgestaltet hat. Unvergeßlich - wahrscheinlich auch für die Versuchskaninchen unseres ersten Jahrgangs - bleibt die erste Vorlesung die ich gehalten habe, denn weder wußte ich so genau was ich nächste Woche erzählen werde, noch wußte Hr. Lippik, was er für Aufgaben stellen sollte und, so er dann welche fand, wie die Lösung aussah.
Jetzt muß ich aufpassen, daß ich nicht zu viel erzähle, auch könnte es die Moral der Studierenden aushöhlen, wenn man zu genau auf Interna der Vorlesungen, Übungen und Prüfungen eingeht. Der Lippik mußte jedenfalls ne Menge lernen, aber warum soll es dem Assistenten besser gehen als dem Prof?
Der Hr. Ottow hatte es nun viel besser. Erstens kam er erst Mitte 93 zum Team, als Hr. Lippik die ersten großen Überschwemmungen schon hinter sich hatte, und zweitens setzte er sich sofort zum Siemens nach München ab, wo er in Ruhe forschen konnte, weil ihn sein Prof. nicht dauernd für die Lehre brauchte, oder für Nachhilfe beim Umgang mit dem PC. Mit der damit verbundenen Hin- und Herfahrerei kam er dann auf den Geschmack und entwickelte sich mit steigender Tendenz zum sogenannten Reiseforscher. Mit wachsender Erfahrung hat er inzwischen auch gelernt, daß Zeit kostbar ist, und man sich die Konferenzen sorgfältig nach rein wissenschaftlichen Kriterien aussuchen muß, vor zwei Wochen war er beispielsweise in Paris, während er früher noch in Gegenden fuhr, die kein Mensch kennt und wo man ja auch nicht erwarten kann, daß dort gute Konferenzen stattfinden.
Aber auch Lippik durfte ins Ausland, nämlich nach Mailand. Daß Auflandsaufenthalte ungeheuer weiterbilden hat sich prompt bestätigt, denn während ihm vor dieser Mailand Episode noch die Einsicht fehlte, daß der Professor immer recht hat, z.B. auch bei der Wahl des Fortbewegungmittels, kehrte er aus Italien geläutert, wenn auch lädiert zurück. Seitdem fährt er Fahrrad.
Beide haben eines gemeinsam: Sie sind Multis. Der Hr. Ottow ist inzwischen Multi- interdisziplinär mit steigender Tendenz, und der Lippik wird Multimedial. Daß er dafür geeignet ist hat er mehrfach bewiesen. Nicht nur hat er Fr. Schneider einen Schreck fürs Leben versetzt, indem er ihren PC manipulierte, so daß ihr eines Morgens ein vertrautes aber unerwünschtes Gesicht entgegenstarrte, und den Server der Mat.-Wiss in die Knie gezwungen, nein, er ist praktisch ab sofort seine eigene Multimedia Firma und wird unseren Studis helfen, die Föllschen Vorlesungen mal richtig zu verstehen.
Der Hr. Ottow hingegen muß weiterforschen. Nachdem er schon die Fa. Siemens und seine dortigen Vorgesetzten Volker Lehmann - der vor Jahren auch schon von mir in die Methodik des kreativen Chaos eingewiesen wurde und dies nach Kräften weitergibt - überlebt hat und dort Halbleitertechnologie gelernt hat, mischt er jetzt hier kräftig mit, pflegt syrische, physikalisch-chemische und industrielle Kontakte - alle mit leichter Neigung zum Chaos - und entwickelt sich weiter zum Festkörperphysiker mit Hang zur Photonik - bald wird er souveräner Großmeister des interdisziplinären drei- wenn nicht gar Multisprungs sein.
Es wird mal wieder Zeit, daß ich aufhöre. Ich schließe deshalb mit einem alten Sprichwort aus der Champagne und sage:
 

Was lange gärt, wird endlich gut!

Laßt uns anstoßen und trinken auf die beiden frischgebackenen Doktores Lippik und Ottow!

PS: Diese Rede wurde heute, um exakt 14:28 fertig (15:00 war Fälligkeit)

(Die Disputationen begannen um 14:30)


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H. Föll, erstellt am 16.05.97

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