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Während Sie das lesen, hat Ihr
Körper unzählige Bindungen zwischen einigen seiner Atome und
Moleküle gelöst und dafür andere neu geschlossen. Wenn sich
nichts ändert, passiert auch nichts. Leben, was
immer das ist, beruht darauf, dass auch schon bei Raumtemperatur eine Menge
Chemie ablaufen kann - und das heißt, dass Bindungen sich lösen und
neue eingegangen werden. |
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Leben beruht unter anderem auch
darauf, dass bei Raumtemperatur TRT » 300 K einige Bindungen total stabil sind,
insbesondere die C-C-Bindung. Die stabilen Bindungen kennen wir schon,
aber welche Bindungen haben Energien, die so klein sind, dass bei
TRT was passieren kann? |
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Die Anwort heißt: Die
sekundären Bindungen. Sie
führen dazu, daß sich z. B. die folgenden festen Substanzen bilden
können:
- Edelgas-Kristalle (gibt es für
alle Edelgase außer He bei sehr tiefen Temperaturen). Eigentlich
haben die Edelgase überhaupt keinen Grund, Bindungskräfte zu
entwickeln - sie müßten auch noch bei sehr tiefen Temperaturen
gasförmig sein.
- Eis (gefrorenes Wasser). Was führt
zu Kräften zwischen den H2O-Molekülen, die
eigentlich keine Bindungsarme mehr frei haben?
- DNS. Was hält die beiden Spiralen
der Doppelhelix zusammen - aber nur so stark, daß die Bindungen wie in
einem Reißverschluß bei der Zellteilung leicht zu öffnen sind?
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Eine der beiden wichtigsten Sekundärbindungen
heißt nach ihrem "Entdecker" Van-der-Waals-Bindung. Die Van-der-Waals-Bindung kommt
von den anziehenden Kräften zwischen günstig orientierten elektrischen Dipolen. Zwei Fälle müssen
unterschieden werden: |
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1. Betrachten wir Moleküle, die von Haus aus
Dipolcharakter haben, d.h. in denen die Ladungsschwerpunkte der beteiligten
Atome nicht aufeinander liegen, wird es bei entsprechender Orientierung ein
anziehendes Potential geben, das mit 1/r 6
abfällt. |
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2. Aber auch Atome oder Moleküle, die von Haus aus
kein Dipolmoment haben - z.B. Edelgasatome -, haben nur im zeitlichen Mittel keinen Dipolcharakter. Momentan jedoch werden die Elektronen nicht
kugelsymmetrisch verteilt sein, sondern ihr Ladungsschwerpunkt wird um die
Kernposition herum fluktuieren. |
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Und ein solcher momentaner
Dipol kann ein benachbartes Atom etwas polarisieren - d.h. ein kleines Dipolmoment
induzieren. Im Endeffekt entwickelt sich eine sehr schwache anziehende Kraft
zwischen die den induzierten Dipolen, die
wiederum mit 1/r 6 abfällt. |
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Beide Möglichkeiten sind hier schematisch
gezeigt: |
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Zwei elektrische
Dipole und die
einzelnen abstoßenden
und anziehenden Kräfte.
Bei der gezeigten Orientierung überwiegen
die anziehenden Kräfte. |
Das momentan polarisierte Atom
1 der
negative Ladungsschwerpunkt der (grünen)
Elektronenwolke liegt neben dem pos. Ladungs-
schwerpunkt des Atomkerns ruft in dem benachbarten
Atom 2 durch elektrostatische Wechselwirkung
eine entgegengesetze Polarisation hervor. Es resultiert eine
schwache anziehende Kraft. |
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Zu 2.: Es bleibt noch die
sogenannte Wasserstoffbrückenbindung zu
besprechen. Sie sorgt nicht nur in vielen biologischen Molekülen für
den Zusammenhalt zwischen Teilbereichen, sondern ist insbesondere für die
Bildung von Eis (=gefrorenes H2O) verantwortlich. |
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Am einfachsten stellt man sich die Wasserstoffbrückenbindung als eine Unterart der
Ionenbindung vor. Obwohl der Wasserstoff normalerweise kovalente Bindungen
eingeht, wird er im Gespann mit extrem "elektronegativen" Atomen -
z.B. F, O und N - seines einzigen Elektrons mehr oder
weniger beraubt; dieses wechselt weitgehend zum elektronegativeren Element.
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Im Extremfall eines möglichen
Gedankenexperiments läge dann eine Ionenbindung vor, bei der der positiv
geladene Partner - nämlich das nur noch aus dem sehr kleinen Kern
bestehende Wasserstoffion - zwei der riesigen negativen Ionen binden kann. |
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Wir erhalten folgende Schemazeichnung: |
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Ein extrem kleines
H+-Ion mit zwei
angelagerten F-Ionen |
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Klar ist, daß das
H+-Ion allenfalls zwei
der Riesen binden kann für ein drittes F
oder auch O-Ion ist einfach kein Platz mehr. |
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Der Extremfall der totalen Ionisierung des
Wasserstoffs wird zwar in der Realität nicht vorkommen; es reicht aber
auch eine nicht 100%-ige Verschiebung des Wasserstoffelektrons, um die
Effekte der Wasserstoffbrückenbindung zu erhalten. |
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Überall, wo Wasserstoff an F,
O oder N hängt, gibt es damit noch die Möglichkeit,
eine relativ schwache Bindung auf der anderen Seite des H-Atoms
einzugehen - es bildet sich eine "Wasserstoffbrücke". |
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Dabei ist die Geometrie der Bindungen durch die
Form der Moleküle vorgegeben. In biologischen Substanzen sind es oft
Wasserstoffbrücken, die den langen Eiweißketten ihre typische
Knäuelform geben, denn die Stellen in der Kette, an denen
Wasserstoffbrücken gebildet werden können, müssen durch richtige
Faltung aufeinandertreffen. |
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Auch das gewöhnlich Eis, das jeden Winter
die Umsätze der Autoreparaturwerkstätten nach oben treibt, verdankt
seine Kristallstruktur der Wasserstoffbrückenbindung. Die Moleküle
des Wassers in ihrer typischen Gestalt passen nur in ganz spezifischer Weise
aneinander; sie formen einen Kristall. |
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Allgemeiner Bindungsfall |
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Ionenbindung, kovalente Bindung und Metallbindung
in der behandelten Art sind Idealisierungen, Extremformen der realen Bindungen. Es gibt zwar viele Moleküle
und Festkörper, in denen diese Bindungen weitgehend in Reinkultur
vorliegen, im allgemeinen Fall jedoch sind Bindungen gemischt. Beispiele dafür: |
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Mischung von Metallbindung und kovalenter Bindung. |
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Bei Metallen kann trotz vorherrschender Metallbindung noch
eine kovalente Komponente vorliegen, damit kommen bei der Anordnung der Atome
zu einem Festkörper gerichtete Kräfte ins Spiel - z.B. beim Eisen
(Fe); das hat Konsequenzen für die resultierende Kristallstruktur:
Sie ist nicht mehr unbedingt dichtest gepackt! |
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Mischung von Metall- und
Ionenbindung. |
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Bei Metallen, die aus zwei Atomsorten bestehen (man nennt das
Legierungen oder intermetallische Verbindungen),
treten in der Regel ionische
Bindungskomponenten auf, insbesondere wenn sich die Metalle in ihrer
Elektronegativität stark unterscheiden. Denn dann wird ein gewisser
Elektronentransfer zum elektronegativeren Element erfolgen; die Atome
unterscheiden sich dann in ihrem Ladungszustand. |
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So haben beispielswiese Al-Li-Legierungen eine starke
ionische Komponente, wohingegen Al-V-Legierungen nur metallische
Bindungen aufweisen. |
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Mischung von kovalenter
und ionischer Bindung. |
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Nichtmetalle (z. B. Oxide wie SiO2) oder
Halbleiter und Halbmetalle (wie GaAs oder SnO2)
besitzen kovalente und ionische Anteile.
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Im Quarz (SiO2), einem
extrem wichtigen Material der ET&IT, sind die ionischen und
kovalenten Bindungsanteile etwa gleich stark. Die Konsequenz ist, daß die
Richtungsabhängigkeit der kovalenten Bindung im SiO2 die
Kristallstruktur bestimmt. |
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Hier die Fragen: |
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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)