1.2.2 Was wir lernen wollen

Das Umfeld

Was müssen Bachelor der Elektrotechnik und Informationstechnik über Materialwissenschaft wissen? Das weiß niemand so genau - Erfahrungswerte liegen noch nicht vor. Beim alten Diplomstudiengang gab es eine klare Vorgabe: Alles was in den folgenden Hyerskripten steht:
Das sind 8 SWS Vorlesungen und 3 SWS Übungen. Dazu kam - je nach Vertiefungsrichtung - noch um die 6 SWS "Halbleitertechnologie" und möglicherweise noch 3 SWS "Sensorik".
Für Bachelor sind es jetzt 3 SWS Vorlesung und 2 SWS Übungen. Einschränkungen gegenüber dem alten Umfang sind unvermeidlich
Um einen ersten Eindruck über den prinzipiellen Lernstoff zu geben, sind hier die Inhaltsverzeichnisse der obigen Hyperskripte aufgeführt.
MaWi I MaWi II Elmat
1. Einleitung 1. Einleitung 1. Introduction
2. Vom Atom zum Festkörper 2. Elektronen in Festkörpern 2. Conductors
3. Perfekte Kristalle 3. Struktur von Kristallen 3. Dielectrics
4. Reale Kristalle 4. Periodisches Potential und Bänder 4. Magnetic Materials
5. Thermodynamisches Gleichgewicht 5. Halbleiter 5. General Silicon Technology
6. Kinetik 6. Halbleiterkontakte und Bauelemente 6. Materials and Processes for Silicon Technology
7. Mechanische Eigenschaften I    
8. Plastische Verformung von Kristallen    
9. Amorphe Materialien    
10. Materialalterung    
Was davon ist nicht wirklich wichtig für einen ET&IT Studierenden?
OK - wir streichen "Mechanische Eigenschaften" weitgehend. Dann noch "Materialalterung", obwohl das eigentlich ein heißes Thema der ET ist (Wie lange "leben" die derzeit nagelneuen OLED Fernseher?)
Wir werden Quantentheorie, Thermodynamik und Kinetik nur streifen, aber nicht ganz weglassen, und uns bei "perfekten und realen Kristallen " stark einschränken, ähnlich bei Elektronen in Festkörpern, Struktur von Kristallen und periodisches Potential und Bänder.
Wir werden diese Themen aber nicht ganz weglassen, denn ein gewisses Verständnis der fundamentalen Prinzipien ist uns wichtiger als eine reine Rezeptesammlung.
 
Beispiele zum Nachdenken
   
Wir betrachten ein beliebiges Produkt der Elektrotechnik und fragen uns was passiert wenn wir es nicht bei Raumtemperatur betreiben, sondern bei sehr tiefen oder sehr hohen Temperaturen T.
Wir übergehen die trivialen Dinge, wie das Schmelzen von Lötzinn und stellen fest, dass ein gutes altes Röhrenradio eigentlich auch bei Temperaturen T = 0 OC ± 200 oC noch laufen würde, währen alle Produkte mit Halbleitern schon längst vor Erreichen der Extremtemperaturen ihren Geist aufgegeben hätten. Warum? Weil Halbleiter in ihren Eigenschaften im Großen und Ganzen exponentiell auf T reagieren, die altmodischen Materialien in der Regel aber nur linear.
Warum ist das so? Weil wir hier das Wirken der Thermodynamik (zusammen mit einem wichtigen Prinzip der Quantentheorie ) erleben. Wir können moderne Produkte und Komponenten der ET nicht mal ansatzweise verstehen, wenn wir diese beiden Fundamente der Materialwissenschaft komüplett weglassen.
Ist ein flacher Bildschirm ein Produkt der ET? Wenn man diese Frage bejaht, hat man zumindest Teile der Optik in die ET integriert.
Ist eine LED, eine "light emitting diode" ein Produkt der ET? Wenn man diese Frage bejaht...
Gehören "Lichtleitfasern " oder optische Kommunikation ganz allgemein, zur ET&IT? Wenn man diese Frage bejaht...
Was verknüpft Optik (gekennzeichnet durch Materialien mit einem Brechungsindex n) mit MaWi und ET?
Ganz schlicht die Beziehung n(w) = [er(w) ]½ mit er = "Dielektrizitäts"konstante" des Materials. Wir haben schon berücksichtigt, dass er nicht wirklich konstant ist, sondern eine Funktion der (Kreis) Frequenz w des elektrischen Feldes, das auf's Material einwirkt.
Nehmen wir noch dazu, dass er (w) = e'r(w ) + ie''r(w) eine komplexe Funktion ist, die dann " dielektrische Funktion " heißt, enthält e r (w) alles was man über das Verhalten des Materials in elektrischen Feldern jeder Frequenz (also auch für Licht; w im 1015 Hz Bereich) wissen muss.
Die Frage ist natürlich: Können wir die dielektrische Funktion für ein gegebenes Material ausrechnen oder zumindest Grundsätzliches dazu aussagen? Die Antwort ist: Wir können - aber nur wenn wir erstmal sehr grundsätzlich den atomaren Aufbau der Materie anschauen.
Ist die Solarik, die Erzeugung elektrischer Energie, Teil der ET?
Wenn man diese Frage bejaht, hat man nicht nur (wie bei Chips und LED's) die Halbleiterphysik, -technologie und -produktion (also die Halbleiter MaWi) in die ET intergriert, sondern auch die Thematik "Wie produziere ich > 1 m2/ min Solarzellen zu geringen Kosten?
Neuartige Prozesse und Materialien ("CIS", CdTe, ...) tauchen auf. Warum? Wieso ist man nicht mit Si und den bekannte Technologien zufrieden?
Die Antwort führt uns zurück auf den allerersten Modul. Wir brauchen sehr spezielle Eigenschaften der Solarhalbleiter, die das Grundmaterial zwar haben könnte, aber nicht unbedingt hat. Es geht darum, die notwendigen Eigenschaften billig herzustellen.

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© H. Föll (MaWi für ET&IT - Script)