Lehrstuhl für Nanoelektronik

Memristive Bauteile und neuromorphe Schaltungen

Andreas Bourani - Nur in meinem Kopf

Kurzdarstellung

Memristische Bauteile und neurale SystemeMemristive Bauelemente sind Zwei-Polbauelemente mit einer variablen widerstandsbasierten Speicherfunktion. Insbesondere von Interesse sind diese Art von Bauteilen als (nicht-flüchtige) RAM-Speicher, aber auch im Bereich der analogen neuronalen Schaltungstechnik. In der neuronalen Schaltungstechnik eröffnen memristive Systeme die Möglichkeit die derzeitig bestehenden Hürden digitaler Datenverarbeitung im Bereich kognitiver Aufgabenstellungen, wie z.B. der Musterkennung, zu überwinden. Im Mittelpunkt unserer Forschung steht die Anwendung memristiver Bauelementen in analogen elektronischen Schaltungen. Wir orientieren uns dabei an biologischen Systemen.

Basierend auf den fundamentalen Bestandteilen der Datenverarbeitung in Synapsen und Neuronen, wie z.B dem Aktionspotentiale, der Axon-Hillock Schwellwert Logik, oder auch den statischen und dynamischen Komponenten neuronaler Schaltungen werden memristive Bauelemente und technische Schaltungen basierend auf memristiven Bauelementen entwickelt. Im einzelnen umfasst unser Forschungsinteresse die folgenden Punkte:

  • Untersuchung neuer physikalischer Effekte zur technischen Nachahmung neuronaler Funktionalität
  • Herstellung memristiver Bauteile
  • Adaption biologischer Konzepte für nicht-flüchtige Speicheranwendungen und Schaltungstechnik basierend auf memristiven Bauteilen

 

Stand der derzeitigen Forschung

Eine wichtige Aufgabe im Bereich der neuromorphen Ingenieurswissenschaft ist das Nachahmen neuronaler Pfade mittels eleganter technologischer Ansätze, die es zum Ziel haben die bestehende Lücke zwischen biologischer und digitaler Signalverarbeitung zu schließen. Während in digitalen Systemen die von Neumann Architektur auf einer strikten Trennung zwischen der seriellen digitalen Signalverarbeitung und der Datenspeicherung basiert, ist im menschlichen Hirn Datenverarbeitung und Datenspeicherung untrennbar vereint. In der Natur ändern Lern- und Gedächtnisvorgänge fortlaufend die Funktion und Struktur von Neuronen, sowie deren Verbindungsstärke. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der modernen Hirnforschung werden Lern- und Gedächtnisvorgänge in biologischen Systemen durch Stärkung bzw. Schwächung einzelner neuronaler Pfade induziert. Die Herausforderung der neuromorphen Schaltungstechnik besteht dabei darin, einzelne neuronale Vorgänge zu verstehen und in technische Systeme zu übersetzen.

Die neuromorphen Wissenschaften werden heute vor allem durch die Neuroinformatik und durch die analoge VLSI Schaltungstechnik dominiert. Letztere basiert auf der Siliziumtechnologie. Jedoch konnte kürzlich gezeigt werden, dass sich mittels memristiver Bauelemente wichtige Eigenschaften der neuronalen Signalverarbeitung, wie z.B. die spike time depending plasticity (STDP), extrem realitätsnah und technisch einfach emulieren lassen. Insbesondere ist es gelungen assoziative Lernvorgänge (Pawlowscher Hund) und Antizipation elektronisch mittels memristiver Systemen nachzubilden. Memristive Bauteile könnten es damit zukünftig ermöglichen neuronale Schaltungen aufzubauen, die ihrem biologischen Pendant näher kommen als alles vorher entwickelte.

Die Herausforderung der Bauteilentwicklung besteht darin zu memristiven Systemen zu gelangen, die als Basiseinheiten (Neuronen) von neuronaler Netze dienen können. Hierzu wurden kürzlich verschiedene physikalische Konzepte, wie z.B. Ferroelektrizität, Phasenwechselmaterialen und Übergangsmetalloxide als Kandidaten zukünftiger künstlicher Basiseinheiten in neuronalen Systemen untersucht. Ihnen gemeinsam ist das memristive Verhalten, d.h. sie sind elektrische Widerstandsschalter die ihre internen Widerstandszustände speichern abhängig von der Historie der an sie angelegten Spannungen bzw. des durch sie geflossenen Stromes. Insbesondere von Interesse für zukünftige Schaltungsanwendungen könnte der kürzlich entwickelte memristive Betriebsmodus für Floating Gate Transistoren (MemFlash) sein, der die vorherrschende Silizium Technologie mit dem noch recht jungen Feld der memristiven neuronalen Systeme verbindet.

 

Publikationen

  • Martin Ziegler, Karlheinz Ochs, Mirko Hansen, and Hermann Kohlstedt, Appl. Phys. A,  2013, 10.1007/s00339-013-7615-5.
  • M. Ziegler, R. Soni, T. Patelczyk, M. Ignatov, T. Bartsch, P. Meuffels, and H. Kohlstedt, Adv. Funct. Mater., 2012, 22, 2744.
  • M. Ziegler, M. Oberländer, D. Schroeder, W. H. Krautschneider, and H. Kohlstedt, "Memristive Operation Mode of Floating Gate Transistors: A two-terminal MemFlash-Cell", Appl Phys. Lett. 101, 263504 (2012).
  • M. Ziegler, H. Kohlstedt: Mimic synaptic behavior with a single floating gate transistor: A MemFlash synapse, J. Appl. Phys. Volume:114 Issue:19 (2013).

 

Review Paper

  • Doo Seok Jeong, Inho Kim, Martin Ziegler, and Hermann Kohlstedt, RSC Advances 2013, 3, 3169.