Neue Materialien und Sensoren: Uni Kiel doppelt erfolgreich im europäischen Wettbewerb für Technologietransfer

Kieler Professorinnen Martina Gerken und Christine Selhuber-Unkel aus den Nanowissenschaften erhalten je einen EU-Proof-of-Concept-Grant 

Sie forschen an der Entwicklung neuer Materialien unter anderem für die Gefäßchirurgie oder an optischen Sensoren, die als mobile Diagnosetechniken aufwendige Blutanalysen im Labor ersetzen könnten: Für ihre Projekte erhalten Professorin Christine Selhuber-Unkel und Professorin Martina Gerken von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) je einen mit 150.000 Euro dotierten, sogenannten ERC-Proof-of-Concept-Grant. Gleich zwei der insgesamt sieben Förderungen für Projekte aus Deutschland gehen damit an den Forschungsschwerpunkt Nanowissenschaften und Oberflächenforschung nach Kiel. Die Förderung des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) soll Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei unterstützen, Ergebnisse auf Pioniergebieten der Forschung in die Anwendung zu bringen und so den Technologietransfer stärken. Voraussetzung ist, dass die Bewerberinnen und Bewerber für ihr Forschungsvorhaben bereits eine „ERC-Grant“-Förderung erhalten haben. Sie gilt als eine der höchsten Auszeichnungen der EU für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere.


Projekt „VASCUGRAFT“: Neue Materialien ahmen das mechanische Verhalten natürlicher Blutgefäße nach

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland und der Europäischen Union. Ihre Behandlung ist allerdings mit Risiken und hohen Kosten verbunden. Bei Verengungen wichtiger Blutgefäße, die zu Schlaganfällen oder Infarkten führen können, bleibt oft keine andere Möglichkeit, als Blutgefäße zu transplantieren, zum Beispiel im Rahmen einer Bypass-Operation. Da geeignetes Gewebe, entweder aus dem eigenen Körper oder von Spenderinnen und Spendern, nur begrenzt zur Verfügung steht, werden synthetische Materialien als mögliche Alternativen erforscht. Künstliche, relativ starre Blutgefäße können allerdings zu Komplikationen führen. Ihre mechanischen Eigenschaften unterscheiden sich stark von denen natürlicher Körpergefäße. Sie reagieren daher unter anderem anders auf mechanische Belastungen wie den Blutdruck.   

In ihrem vorangegangenen ERC-Starting Grant Projekt „CELLINSPIRED“ (2013-2018) hat Christine Selhuber-Unkel, Professorin für Biokompatible Nanomaterialien am Institut für Materialwissenschaft, eine Materialstruktur entwickelt, die das mechanische Verhalten natürlicher Blutgefäße nachahmt. Mithilfe ihres jetzt bewilligten Proof-of-Concept-Grants „VASCUGRAFT“ will sie diese Materialien nun im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten in der Gefäßchirurgie weiterentwickeln und einen ersten Prototypen erstellen. „Wir hoffen, dass wir so gemeinsam mit Unternehmen oder im Rahmen einer Ausgründung unsere Erkenntnisse auf den nationalen und internationalen Markt bringen können“, so Selhuber-Unkel.

Projekt „BEAMOLED“: Nanostrukturierte OLEDs für Biosensoren

Für technologische Herausforderungen wie die Vernetzung verschiedener elektronischer Systeme unter dem Schlagwort „Internet der Dinge“ und „Industrie 4.0“ oder für mobile Labordiagnostiken müssen physische, chemische und biomedizinische Daten in Echtzeit erfasst und verarbeitet werden. Dafür braucht es effiziente und wartungsarme Sensoren. Durch den vielfältigen Einsatz von optischen Messtechniken verbreiten sich optische Mini-Sensoren immer mehr. Leuchtdioden (kurz LEDs), die auf organischen Halbleitermaterialien basieren, lassen sich für jede sichtbare Wellenlänge maßschneidern. Zurzeit werden außerdem kostengünstige Herstellungsprozesse basierend auf sogenannten Rolle-zu-Rolle-Verfahren entwickelt, mit denen sich flexible Materialien großflächig beschichten lassen. Damit wäre ein Einsatz organischer Leuchtdioden (OLEDs) auch in Sensoren möglich. In mobilen Laboren im Chipformat könnten sie zum Beispiel als Lichtquellen eingesetzt werden.  

In ihrem vorangegangenen ERC-Starting-Grant-Projekt „PhotoSmart“ (2012-2018) hat Martina Gerken, CAU-Professorin für Integrierte Systeme und Photonik, bereits intelligente Oberflächen für Biosensoren entwickelt: Sie besitzen verschiedene lichtempfindliche Eigenschaften, die sich mit Licht aus OLEDs schalten lassen. Im darauf aufbauenden Proof-of-Concept-Projekt „BEAMOLED“ will sie OLEDs auf einer fluoreszierenden Schicht aufbringen, die sich auf Nanoebene gezielt strukturieren lässt. Auf diese Weise lassen sich die Leuchteigenschaften der OLEDs für verschiedene Anwendungen optimal festlegen. „Wir wollen unseren Ansatz mit Blick auf die Anwendung in Sensoren weiter testen, Marktbedarfe ermitteln und die Patentsituation prüfen. Unser Ziel ist eine Ausgründung“, fasst Gerken die Pläne für ihr neues Projekt zusammen.

Projektübersichten:

ERC-Proof-of-Concept-Projekt: “VASCUGRAFT: Strain-stiffening vascular graft with outstanding compliance“
Antragstellerin: Prof. Dr. Christine Selhuber-Unkel
Vorausgehender ERC-Starting Grant: CELLINSPIRED
Fördersumme: 150.000 Euro
Voraussichtlicher Projektstart: Oktober 2020
www.tf.uni-kiel.de/matwis/bnano/en

ERC-Proof-of-Concept-Projekt: „BEAMOLED: Beam-forming OLED with nanostructured fluorescence layer”
Antragstellerin: Prof. Dr. Martina Gerken
Vorausgehender ERC-Starting Grant: PhotoSmart
Fördersumme: 150.000 Euro
Voraussichtlicher Projektstart: Oktober 2020
www.isp.tf.uni-kiel.de/de/isp-2

Weitere Informationen:

Über den Forschungssschwerpunkt KiNSIS:

Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt »Nanowissenschaften und Oberflächenforschung« (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen andere, nämlich quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Life Sciences zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen. Mehr Informationen auf www.kinsis.uni-kiel.de

Portrait Selhuber-Unkel
© privat

Christine Selhuber-Unkel, Professorin für Biokompatible Nanomaterialien, erhält ebenfalls einen Proof-of-Concept-Grant des Europäischen Forschungsrates um das Anwendungspotential neuer Materialien für die Gefäßchirurgie zu testen.

 

Portrait Gerken
© privat

Martina Gerken, Professorin für Integrierte Systeme und Photonik, hat einen ERC-Proof-of-Concept-Grant eingeworben, um Organische Leuchtdioden (OLEDs) für Biosensoren auf den Markt zu bringen.

 

Kontakt

Prof. Dr. Martina Gerken
Integrierte Systeme und Photonik
Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik
0431/880 6250
mge@tf.uni-kiel.de

Prof. Dr. Christine Selhuber-Unkel
Biokompatible Nanomaterialien
Institut für Materialwissenschaften
0431/880-6198
cse@tf.uni-kiel.de

Julia Siekmann
Referentin für Wissenschaftskommunikation, Forschungsschwerpunkt Kiel Nano Surface and Interface Sciences (KiNSIS)