Rede zum Winterfest 97 der Technischen Fakultät

Anlaß: Die Technische Fakultät hat sich entschlossen, zweimal im Jahr, beim Winter- bzw. Sommerfest, die Absolventen des zurückliegenden Zeitraums feierlich zu verabschieden sowie die Preise des Fördervereins zu verleihen. Die Feste sollen herausgehoben werden durch Festvorträge erstrangiger Redner. Beim Sommerfest 96 (dem ersten Fest dieser Art) war dies Prof. Warnecke, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, beim Winterfest Prof. Rüschmann, der anläßlich der Ernennung zum Honorarprofessor seine Antrittsvorlesung hielt. Beim Sommerfest 1997 war Dr. Tyll Necker, Vizepräsident des BDI der Festredner.

Der Dekan hält beim Winterfest eine kleine Rede zu einem Detailthema und eine große, eher programmatische Rede zum Sommerfest.

Nachfolgend die Rede zum Winterfest 97. Das Thema war:

Die Universität und ihre Ehemaligen

Begrüßungen

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist mit ein besonderes Vergnügen, sie nicht, wie angekündigt im Aquarium, sondern im großen Hörsaal der Technischen Fakultät begrüßen zu dürfen. Ein Vergnügen deshalb, weil die Idee, ein Winterfest abzuhalten, auf soviel Resonanz gestoßen ist, daß das Aquarium mit seinen 80 Plätzen zu klein war.

Ich begrüße von den erfreulich vielen externen Gästen ganz besonders den Überraschungsgast Frau Ministerin Moser, Herrn Staatssekretär Dr. Swatek aus dem Kultusministerium und den Vorsitzenden unseres Fördervereins, Herrn Dr. Murmann.

Von den Insidern möchte ich zunächst Herrn Prof. Demuth, den Prorektor der Universität begrüßen, und hoffe, daß er mir verzeiht, daß er hier kein Grußwort sprechen darf bzw. muß.

Es freut mich besonders, daß Herr Prof. Grieser, Altrektor der Universität und besonderer Förderer der medizinischen Informatik, uns heute die Ehre seiner Anwesenheit gibt.

Damit komme ich zu einem Anlaß des heutigen Festes, und ich begrüße ganz herzlich unserern neuen Kollegen, Herrn Prof. Rüschmann, dem auf Vorschlag der Technischen Fakultät die Honorarprofessur der Christian-Albrechts-Universität verliehen wurde, und den wir heute feiern wollen.

An dieser Stelle darf ich vielleicht kurz einflechten, daß das Wort "Honorar" nicht etwa dafür steht, daß der Kollege Rüschmann jetzt für seine Tätigkeit bei uns honoriert wird - ganz im Gegenteil! Denn Honorar steht hier für Ehre, es handelt sich um eine Ehrenprofessur auf Grund von erworbenen Verdiensten um die Universität, und zwar Verdiensten in Forschung und Lehre. Und als Honorarprofessor bekommt Herr Kollege Rüschmann jetzt nicht mal mehr die paar Mark, die die bisherigen Lehraufträge versüßen sollten, sondern er hat jetzt eine formale Lehrverpflichtung, d.h. er muß umsonst Vorlesungen anbieten und halten. Mein Kollege Langmaack wird die Verdienste, die Hr. Rüschmann sich um die Technische Fakultät erworben hat noch ausführlich würdigen; ich will deshalb an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

Lassen sie mich nun zwei Personengruppen gezielt ansprechen, die auch Verdienstvolles geleistet haben und die wir heute würdigen wollen - die Absolventen der Studiengänge und die Preisträger des Preises des Fördervereins der Technischen Fakultät für die besten Vordiplome. Es tut mir ganz besonders gut, daß ich hier nicht nur die uns vertrauten Gesichter der Absolventen und Studierenden sehe, sondern auch in erfreulicher Anzahl Eltern und Familienangehörigen, die ja nicht nur mich und meine Kollegen letztendlich bezahlen, sondern die doch auch in den allermeisten Fällen intensiv mitgelitten und gehofft haben, und die heute mit besonderem Stolz auf ihre Tochter - es ist mal wieder nur eine - und ihre Söhne blicken dürfen.

Ich begrüße - last, not least - meine Kollegen aus der Technischen Fakultät, die Mitarbeiter und insbesondere unsere Studierenden sowie die anwesenden Familienangehörigen.

Die Universität und ihre Ehemaligen

Meine Damen und Herren, unter den Talaren war nicht nur der Muff aus tausend Jahren, dem keiner nachtrauert, sondern doch auch ein bißchen gute Tradition und universitärer Geist, die letztlich auch dazu beitrugen, eine, wie man neudeutsch sagt, Corporate Identity zu schaffen; die Identifikation mit der Institution Universität. Das ist zwar nicht alles mit den Talaren abgelegt worden, aber irgend etwas ist uns denn doch im Bereich der Identifikation mit Wesen und Geist der eigenen Universität abhanden gekommen. Als Mitläufer der 68er Revolution - ich war damals im 3. Semester - darf ich das vielleicht so direkt sagen, ohne gleich in den Verdacht zu kommen, ein unbelehrbarer Reaktionär zu sein. Wer die mit Recht so viel gerühmte Auslandserfahrung auch mal in diesem Bereich gesammelt hat - also der Identifikation mit der Alma Mater, wie das etwa in Amerika läuft - und die zugehörigen Rituale beobachtet hat, der weiß, daß uns in Deutschand hier etwas schwer Faßbares verlorenging, ein nicht leicht greifbares Lebensgefühl, und eben auch teilweise die Ausstrahlung der Universität auf die Gesellschaft; die Folgen dieses schleichenden Verlustes, so meine ich, hat durchaus auch negative Folgen.

Und mit negativen Folgen meine ich nicht mal primär das uns fast vollständig fehlende System der Alumnis - furchtbares Wort - also die Ehemaligen, die in Amerika in einem hier unvorstellbaren Ausmaß Geld in Ihre Universitäten pumpen; auch nicht das "good old boy" Netzwerk der Angelsachsen, das den Absolventen auf der Stellensuche hilft - sondern was mir zu fehlen scheint, ist die Rückkopplung der Erfahrungen und Interessen unserer Ehemaligen auf die Universität selbst, sozusagen die Reflektion der erwähnten Ausstrahlung an der Gesellschaft zurück auf die Universität.

Meine Damen und Herrn: Unter den alles umfassenden Schlagwörtern: Globalisierung und Informationszeitalter erleben wir zur Zeit einen Wandel unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, der weitgehende Änderungen unserer Lebesformen erzwingt und noch erzwingen wird. Sie lesen jeden Tag in der Zeitung, daß es so nicht weitergehen kann. Aber wie soll es denn weitergehen? Hier sind die Visionäre, die Vordenker, die Zukunftsbewältiger, kurz die Forscher und damit die Universitäten gefragt. Aber haben sie auf diese Frage eigentlich Antworten aus diesem Kreis gehört? Ich benutze bewußt den Plural, denn es gibt nicht nur eine, sondern viele, auch konkurrierende Antworten, die aber alle, so sie denn aus ernstgemeinter Wissenschaft kommen, intellektuellen und nicht ideologischen oder pseudowissenschaftlichen Ansprüchen genügen müssen. Wo sind nicht nur ein paar Solisten, sondern wo ist der Chor der Forscher und Universitäten zu den drängenden Problemen der heutigen Zeit? Und zu diesen Problemen zähle ich auch die Problematik des Bildungsbereichs selbst! Ich hoffe, es wird mir nicht als Nestbeschmutzung ausgelegt, wenn ich konstatiere, daß mir persönlich hier Substanz zu fehlen scheint, ich empfinde hier einen Mangel an universitärer Präsenz in den Köpfen und Foren der Meinungsbildner unserer Gesellschaft. Und eine der Ursachsen dieses Mangels, keineswegs die einzige, so denke ich jedenfalls, ist die unbefriedigende Verbindung der Universität mit ihren Ehemaligen, und damit die fehlende schnelle und intensive Ankopplung der Universität an die Probleme und Chancen unserer sich wandelnden Gesellschaftsform.

Nach diesen großen Worten über das bedeutend Allgemeine jetzt wieder zurück auf den Boden der Tatsachen, auf das hier und heute Machbare.

Ich weiß, ein Winterfest begründet noch keine Tradition, und zu einer stärkeren Verknüpfung zwischen Universität und der Gesellschaft über die Ehemaligen bedarf es mehr als einen offiziellen Händedruck bei der Urkundenüberreichung, es bedarf vor allem der Zeit, viel Zeit. Heute kann es nur um den Versuch gehen, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Mit dem heute erstmals stattfindenden Winterfest, und dem - ich darf das gleich ankündigen - am 6. Juni stattfindenden Sommerfest, versucht die Technische Fakultät jedenfalls, eine Weiche so zu stellen, daß der Zug in die richtige Richtung abgehen kann.

Eine zweite Weiche wurde bereits vor zwei Jahren gestellt: Der damals gegründete Förderverein der Technischen Fakultät soll nicht nur der Fakultät unmittelbar nützen, sondern auch und insbesondere die Verbindung zu den Ehemaligen aufrecht erhalten. Aus diesem Grund versucht der Verein frühzeitig in Kontakt mit den Studierenden zu kommen, und dazu, aber auch um Leistung zu belohnen, hat er Preise gestiftet. Im Rahmen des Winterfestes werden die Preise für die besten Vordiplome verliehen; dem Sommerfest bleibt die Preisverleihung für die besten Diplome vorbehalten.

Hr. Dr. Stier, einer der Vorstandsmitglieder des Fördervereins und nebenher auch im Kultusministerium tätig, wird die Preisverleihung vornehmen.


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H. Föll, erstellt am 16.05.97

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