Weihnachtsrede 1997

Liebe Weihnachtspersonen - ich versuche mal diese Form der Anrede, weil der Senat soeben eine verschärfte Form der Frauenförderung erlassen hat, und damit die Anrede "Liebe Weihnachtsmänner und Christkinder" unzulässig ist. Die übliche Anrede "Liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen " ist sachlich falsch, weil ich ja gar nicht am Weihnachtsfest gearbeitet habe, und Mitarbeiter an einer Nullmenge - um das mal wissenschaftlich auszudrücken - damit logisch gar nicht existieren können. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Also, neuer Versuch, liebe natürliche Personen im Sinne des Beamtengesetzes, des BAT, der Frauenförderrichtlinien sowie des Landesbesoldungsamts:

Der Kollege Jäger, der als Organisator des diesjährigen Weihnachtsfestes auserwählt werden durfte, hat mich gebeten, ein kurzes Grußwort zu sprechen. Dies tue ich natürlich 1. gern, 2. jetzt und 3. vielleicht auch kurz.

Dabei fällt mir ein Witz ein, den unser geschätzter Wirtschaftminister drauf hat, und der allen, die ihn kennen, im Laufe vieler Grußadressen ans Herz gewachsen ist: Er berichtet von dem Grußadressler, der nach einer knappen Stunde des Grußadressierens sich mit den Worten entschuldigt, er hätte leider keine Uhr dabei gehabt, worauf ihm aus dem Publikum eine Stimme entgegenrief: "aber hinter ihnen hängt ein Kalender!".

Hinter mir hängt kein Kalender, hinter mir stehen die Mitarbeiter, was zwanglos erklärt, warum ich sie oft nicht sehen kann.

Ich meine damit natürlich nur die etwas erfahreren Mitarbeiter, die die Sitten und Gebräuche des Dekanats und des Dekans genau kennen. Die neuen sind da am Anfang noch verunsichert und stehen dann nicht hinter mir, sondern in der Gegend rum - das hat natürlich Folgen.

In diesem Sinne darf ich jetzt den allseits bekannten Dr. Tillmann, der bei diversen Aktivitäten für und mit Schulen und auch bei der Organisation dieser Weihnachtsfeier mitgewirkt wurde, zum offiziellen Aktivisten des Dekanats ernennen, mit dem damit verbundenen Recht, immer wenn der Dekan mal wieder eine geniale Idee hat, unter den ersten zu sein, die dann die Arbeit machen dürfen.

Was ist im Jahr 1997 alles geschehen? Dieses und jenes, machmal auch was scheenes, wie die Sachsen sagen. Zentral war natürlich die - fast hätte ich gesagt feindliche - Übernahme der Frau Brandenburg durch die allgemeine Materialanalytik - ich kürz das mal, um Grußzeit zu sparen so ab - , also jedenfalls wollte der Kollege Seegebrecht sie gar nicht gerne loswerden, wir verstehen inzwischen auch warum. Inbesondere meine schwer geprüften Mitarbeiter - jetzt benutze ich schon wieder dieses falsche Wort - also nochmal: insbesondere meine schwer geprüften Alleinarbeiter, die außer ihrem eigentlichen Job nicht nur große Teile der Lehre ihres Profs alleine bestreiten - übrigens so gut, daß ich auf allgemeinen Wunsch der Studierenden erwäge, sie demnächst auch noch die Vorlesungen halten zu lassen- sondern auch noch unter meinen wechselnden Hobbies leiden - ich sage nur: H. Föll lernt html: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie seine Mitarbeiter und die Rechnerbetriebsgruppe - also meine schwer geprüften Alleinarbeiter, sie lebten richtig auf, nachdem das Sekretariat nicht mehr leersteht, sondern von Frau Brandenburg tatkräftig eingerichtet und mit Leben erfüllt wird.

Übrigens nicht nur von Frau Brandenburg, sondern auch von Frau Rönnebeck, die bei uns diplomiert. Ich sage das, weil es schon auffällig wird, wie groß der Frauenanteil bei der Materialwissenschaft ist. Gerade eben gelang es wieder, eine Elektrotechnikerin zur Materialwissenschaft zu konvertieren. Das liegt bestimmt an den unermüdlichen Fördermaßnahmen des Dekans - ich erinnere nur an den allseits bekannten Förderantrag "Frauen ins Netz!". Jedenfalls haben wir die Quote bald erfüllt, wir erwägen schon, die lange Satzkonstruktion bei Stellenausschreibungen, die festlegt, daß Schwerbehinderte und Frauen bei gleicher Eignung zu bevorzugen sind usw., auch im Sinne der Rationalisierung und Kosteneinsparung, durch den schlichten Satz zu ersetzen: "Bevorzugte Frauen werden schwer behindert".

Jetzt rede ich schon wieder zu viel, und falle grußtechnisch zurück, aber wie heißt es so richtig: Je eher man in Verzug gerät, desto mehr Zeit hat man um aufzuholen.

Wen wollte ich denn noch begrüßen? Ah ja, die Frau Bratumyl, die im zurückliegenden Jahr ein denkwürdiges Fest begann, bei dem, um es am Rande zu erwähnen, sich wieder mal die natürliche Überlegenheit der Kombination Haustechnik und Dekan herausstellte - jedenfalls beim schnellen Laufen im Kreis herum, also beim Kreislauf. Für manche kam dies überraschend, sie sollten aber zur Kenntnis nehmen, daß sachgemäßer Umgang mit Alkohol den Kreislauf fördert! Dies wurde soeben durch eine groß angelegte Studie wissenschaftlich bewiesen, obwohl das eigentlich, dank des erwähnten Selbstversuchs von Herrn Bruse und mir, gar nicht mehr nötig war.

Bleiben wir mal noch kurz bei der Frau Bratumyl. Sie wurde im zurückliegenden Jahr in neue Formen des Chaos eingeführt; wir danken den Beteiligten aus den Ministerien und dem Rektorat, die uns 1,5 Millionen mal fast gaben, mal wirklich wegnahmen, mal offiziell zurückgaben, aber eigentlich doch nicht, oder vielleicht erst später, und dann auch nur einen Teil, das Geld mal gar nicht mehr hatten, oder nicht so recht wußten. Immer wieder gab es Momente, bei denen man sagen konnte: Die Geisteskraft der Dekanatsbuchhaltung verblaßte vor ihrem Adrenalingehalt.

Ich grüße Frau Jungo, insbesondere weil sie da ist, sie wäre uns nämlich durch finstere Machenschaften des Arbeitsamts fast versehentlich abhanden kam. Sie hat daraus die Konsequenz gezogen, und sich als zweites Standbein der Kreislauftherapie verschrieben, sie therapiert, soweit ich das weiß, auf Rezept mit besonders guten Tröpfchen aus der Schweiz.

Ich grüße Frau Mumm, die uns auch durch finstere Machenschaften fast abhanden gekommen wäre, weil Mutterschaftsurlaub in Teilzeit nicht vorgesehen war.

Hier war die psychologische Kompetenz des Dekans gefragt. Eine Fernbehandlung des Problemverursachers durch ein schriftliches Therapeutikum hat dann auch Wunder gewirkt, obwohl der Moralist in mir, das sogenannte Über-Ich, schwerste Bedenken hatte. Der Herr Paul übrigens auch, deswegen der Hinweis, aus der Materialwissenschaft kommend: Das Über-Ich ist alkohollöslich!

Ich bin noch nicht fertig mit Grüßen! Neulich habe ich dazu einen schönen Spruch von mir gehört: Grußwörter ohne Grüße sind wie PCs ohne Windows - eigentlich wäre es allen lieber, aber man ist dann doch so daran gewöhnt, daß man es beibehält. Sie sehen wohin es führt, wenn man den Dekan zum Hacker macht, Herr Firnau!

Aber jetzt ist die Werkstatt dran, die im Lichte ihres Gutachtens strahlt, und damit, hochfrequenztechnisch gesehen, wie eine rundum strahlende Antenne ohne Verluste dasteht. Obwohl der Herr Burmeister sich zunächst gedacht hat, daß wohl eher das Vorgehen der Fakultätsleitung Spielraum für Verbesserungen ließ, sieht er das jetzt anders und wird künftig ohne Gewissensbisse die Rechnungen erhöhen.

Auch an der Universität hat sich einiges getan. Hervorzuheben ist insbesondere, daß mit dem soeben verabschiedeten Bewirtschaftungsmodell des Rektorats, viele Professoren, insbesondere die Betriebswirtschaftler, das das von Goethe formulierte Motto des echten Wissenschaftlers, das da lautet: "Dem Guten, Schönen Wahren", leicht verändert haben. Es heißt jetzt: Dem Guten, Schönen, Baren.

Mit Barem wurde auch ein weiteres Novum im zuückliegenden Jahr eingerichtet, der allseits beliebte Faculty Club. Er wird von Teilen der Professorenschaft eifrig benutzt, aber auch, wie wir neulich herausfanden, vom Putzgeschwader für die Arbeitspausen. So wurde doch, wenn auch in überraschender Art, die Demokratie aufs gelungenste wieder hergestellt: Die Benutzer des Faculty Clubs liegen im Mittel ungefähr in der Mitte der Dienstgrade, die Gleichberechtigung hat im Mittel gesiegt.

Der Herr Paul. Ich grüße ihn nicht, denn das erschreckt ihn. Er ist nämlich gewohnt, daß dem morgendliche Gruß eine geniale Idee folgt, die der Dekan auf dem Fahrrad hatte, und zu der er die Fußarbeit machen darf. In letzter Zeit fährt er auch wieder mehr Fahrrad, da ihn die automobile Technik letztlich doch eher enttäuscht hat. Den Ihm beim letzten Mal verliehenen kleinen Richtungsweiser der Fakultät am Gängelband benutzt er eifrig, häufig zur Verblüffung der Vortragenden. Leider kann ich ihm dieses Jahr nichts mehr verleihen, außer der Gewißheit, daß nur noch 6 Monate durchzuhalten sind bis zum neuen Dekan. Dann beginnt sozusagen eine neuer Lebesabschnitt: Neuer Dekan und neues Auto. Mal sehen, wo als erstes eine Reparatur fällig wird.

Ich komme zum Höhepunkt meiner Grußadresse, der Würdigung der Bäume, die, zur Verblüffung aller, teilweise gepflanzt, teilweise geschreddert sind. Obwohl ich eigentlich keinem Verein angehören möchte, der mich als Mitglied haben will, darf ich doch zunächst in meiner Eigenschaft als 2. Vorsitzender des Fördervereins die hochziehende und niedermachende Rolle unseres Baumwarts, Herrn Dr. No würdigen! Er hat dem Förderverein Kosten in ungeahnter Höhe einerseits erspart, andererseits aber irgendwie doch das ganze Geld ausgeben.

Herr Noack, in Anerkennung ihrer Verdienste um die Begrünung der Fakultät überreiche ich Ihnen den grünen Zweig der Fakultät, geschmückt mit Symbolen der Materialwissenschaft, in der Hoffnung daß daraus kein absterbender Ast werden wird. Damit verbunden ist die offizielle Ernennung zum Geheimen Baumrat.

Ich darf die Urkunde, die vom dem zu allem fähigen Team des Dekanats erstellt wurde, verlesen:

(Spaßversion)

Wenn man nicht alles selber macht! Gottseidank habe ich die Tippfehler noch korrigiert, ich lese nochmals vor:

(Seriöse Version)

Herr Noack! Mögen - in solchen Fällen sagt man immer "Mögen" - Mögen die Bäume bis in den Himmel wachsen, und die Büsche wenigstens wieder bis zum Zaun.

Es bleibt mir noch, mich bei den Organisatorinnen und Organisatoren der Weihnachtsfeier zu bedanken, dies um so herzlicher, da es mir wiederum gelungen ist, mich selbst um die Arbeit zu drücken.

Ich würde jetzt gerne mein Glas erheben, um Ihnen alle frohe Festtage und ein erfolgreiches neues Jahr zu wünschen, aber - Herr Bruse!: Ich trinke nicht mehr! - aber auch nicht weniger!

Zum Wohl und ein frohes Fest!

© H. Föll