Rede zum Sommerfest 97 der Technischen Fakultät

Anlaß: Die Technische Fakultät hat sich entschlossen, zweimal im Jahr, beim Winter bzw. Sommerfest, die Absolventen des zurückliegenden Zeitraums feierlich zu verabschieden sowie die Preise des Fördervereins zu verleihen. Die Feste sollen herausgehoben werden durch Festvorträge erstrangiger Redner. Beim Sommerfest 96 (dem ersten Fest dieser Art) war dies Prof. Warnecke, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und der Vorsitzende des VDI, beim Winterfest 1997, Prof. Rüschmann, der anläßlich der Ernennung zum Honorarprofessor seine Antrittsvorlesung hielt. Beim jetzigen Sommerfest 97 hält Dr. Tyll Necker, Vizepräsident des BDI, die Festrede.

Der Dekan hält beim Winterfest eine kleine Rede zu einem Detailthema und eine große, eher programmatische Rede zum Sommerfest.

Nachfolgend die Rede zum Sommerfest 97. Das Thema ist:

Technische Fakultät - Quo vadis?

Begrüßungen

Ich begrüße als Gäste bei unserem Sommerfest:

Herrn Prorektor Prof. Demuth, mit dem mich nicht nur die unvermeidliche Beziehung zwischen Rektorat und Dekanat verbindet, sondern auch ein gemeinsames Projekt zur Nutzung von Multimedia in der Lehre
Herrn Dr. Tyll Necker, unseren Festredner.
Die Prorektoren und Kollegen aus den Fachhochschulen
Meinen Dekanskollegen aus Lübeck, Herrn Prof. Dr. Pöppl,
Herrn Dr. Murmann, den Vorsitzenden unseres Fördervereins
Die Gäste aus den Ministerien
die Mitarbeiter der zentralen Verwaltung, die uns heute die Ehre geben, meine Kollegen aus der CAU und aus der TF, Ihre Frauen soweit sie der Einladung gefolgt sind, und natürlich unserer Mitarbeiter und ganz besonders herzlich unsere Studierenden.
Last, but not least: Die noch verbliebenen wenigen Mitglieder unseres wissenschaftlichen Beirats: Ich sehe Herrn Dr. Dittrich, der extra aus dem Schwabenland angereist ist, den schon begrüßten Kollegen Pöppl, Herrn Prof. Press aus der CAU und inbesondere Herrn Prof. Wagner, den Vorsitzenden unseres wissenschaftlichen Beirats.
Herr Wagner, sie haben die TF über einen langen Zeitraum begleitet. Sie waren Mitglied in der Gründungskommission und danach der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats. Die Technische Fakultät ist also ein wenig auch ihr Kind. Den besten Dank, den das inzwischen großgeworden Kind Ihnen abstatten kann, liegt wohl darin, daß es wohlgeraten ist. Ich hoffe, Sie sind mit dem Ergebnis zufrieden.

Technische Fakultät - Wohin geht der Weg?

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr habe ich ausführlich dargelegt, was die Technische Fakultät in den kurzen Jahren ihrer Existenz erreicht hat. Es war nicht eben wenig, und im zurückliegenden Jahr haben wir noch etwas zugelegt. Ich könnte jetzt etwas erzählen über:
Neue Professoren und ihre Arbeitsgebiete.
Abgänger - wo sind sie geblieben, was machen sie?
Große Drittmittelprojekte.
Besondere Aktionen und Weiterentwicklungen im Managementbereich, z.B die meines Wissens erstmals durchgeführte Evaluation einer Uni-Werkstatt durch einen Unternehmensberater.
Die Anpflanzung der Bäume entlang der Werftstraße fast ohne Kosten, weil einerseits unter Umgehung, und andererseits trotzdem in Kooperation mit dem Landesbauamt - eine Aktion über die ich leicht einen abendfüllenden Vortrag halten könnte.
Ich könnte auch etwas sagen zur Nutzung neuer Medien in der Lehre, wo es nur recht und billig ist, daß die Technische Fakultät hier vorangeht,
Aber ich will heute mal an morgen denken und meine Ansichten zur Zukunft der Technischen Fakultät in einem Teilbereich, oder, wie man heute sagen muß, meine

Vision zur Struktur der Technischen Fakultät

zum besten geben.

Allgemeine Bemerkungen

Es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, daß der feste Glaube an die große Zukunft des Technologiestandortes Deutschland mit einem stark steigenden Bedarf an Akademikern im allgemeinen und Ingenieuren im besonderen, genau in dem Moment umkippte, als die Technische Fakultät real wurde und den Lehrbetrieb aufnahm. Der Aufbau der Fakultät, obwohl von Universität und Land nachhaltig unterstützt - wenn auch mit zunehmenden Schmerzen - wird immer mehr zum Hindernislauf. Die allgemeine Strukturkrise in Deutschland reduziert sich für uns auf die schlichte Tatsache, daß Deutschland kein Hochtechnologieland mehr ist (falls es je eines war), und an den boomenden, durch Hochtechnologie getriebenen Weltmärkten viel zu wenig partizipiert. Die damit verbundenen Konsequenzen treffen die junge Fakultät, die ja per Definition im Hochtechnologie Bereich operiert, gleich dreifach:
1. Das liebe Geld fehlt, denn das Steueraufkommen sinkt und die Sozialkosten steigen. Der Haushalt im gesamten Bildungssektor ist real rückläufig - das trifft alle Fakultäten der CAU und damit auch uns.
2. Die Studierenden fehlen. Denn die unbefriedigende Arbeitsmarktlage im Hochtechnologiebereich, also für Absolventen naturwissenschaftlich-technischer Fächer, verbunden mit der allgemeinen Technologiefeindlichkeit in Deutschland, führte zu einer katastrophalen Änderung des Studierverhaltens unserer Kinder. Diese Katastrophe trifft zwar zunächst nur die naturwissenschaftlich-technischen Fakultäten (und auch die Fachhochschulen); später aber uns alle - denn entweder haben wir in wenigen Jahren zu wenig Technik oder zu wenig technische Intelligenz in unserem Lande. Einige wenige Zahlen dazu: Im WS 96/97 hatte die TF insgesamt 130 Studienanfänger gegenüber 114 AnfängerInnen (ich hoffe, sie hören, daß ich ein großes I ausspreche, also Anfängerinnen und Anfänger meine), in der Soziologie, 140 in der Politologie und 354 in Volks- und Betriebswirtschaft. Nun will ich damit überhaupt nicht gegen ein Studium dieser Fächer votieren - aber ich beneide sie doch darum, daß sie nicht wie wir, ihre Existenzberechtigung im Bereich der Lehre gegenüber der Politik immer wieder neu begründen müssen.
Meine Damen und Herren, Ihnen muß ich das nicht sagen, aber sagen sie es bitte weiter: Wenn wir jetzt Studienplätze in naturwissenschaftlich-technischen Fächern abbauen, um ein paar Mark zu sparen oder um damit Beauftragte für Schwulen und Lesben oder Flüchtlinge etablieren zu können, wenn wir das tun, dann haben wir unsere Zukunft abgeschrieben. Dann werden wir bald keinen Flüchtingsbeauftragten mehr brauchen, weil wir selber die Flüchtlinge sein werden - die Absetzbewegung der technischen Intelligenz ins Ausland hat nämlich bereits begonnen!
3. Die Forschungskooperation mit regionalen Firmen leidet unter der Strukturkrise. Viele für uns attraktive Firmen gibt es nicht mehr; der Rest steckt in der Dauerkrise. Schleswig-Holstein war zwar nie besonders reich mit Hochtechnologie-Firmen gesegnet, aber in den letzten Jahren fallen im Zeichen der Strukturkrise und der globalen Märkte potentielle Kooperationspartner doch eher weg, als daß neue dazukommen. Für meinen eigenen Forschungsbereich war, um nur ein Beispiel zu geben, die Schließung der Solarik in Wedel ein harter Schlag.
Daß wir uns trotz dieser Massierung von Hindernissen nicht schlecht geschlagen haben, bescheinigt uns, und ich teile dies mit Befriedigung mit, auch die ministerielle Arbeitsgruppe zum Thema Hochschulreform. Aber die Krise dauert an, wie geht es weiter? Nun haben Krisen häufig eine Konsequenz, die nicht immer positiv sein muß, die aber positiv sein kann: Sie erzwingen Änderungen des Status Quo.
Inzwischen herrscht auch allgemeiner Konsens auf fast allen Ebenen: Beim Bundespräsident, bei den Verbänden (VDE und VDI), bei der Wirtschaft - Herr Necker wird uns gleich mehr dazu sagen - bei den Politikern und bei vielen hochschulnahen offiziellen Organisationen - ich nenne den Wissenschaftsrat, die Hochschulrektorenkonferenz (hat immer noch keinen Interent Anschluß), die CHE Stiftung - daß es so nicht weitergehen kann und daß eine weitreichende Hochschulreform nötig ist.
Von einer gesellschaftliche Gruppe hört man aber öffentlich nicht viel zum Thema, nämlich von den Professoren, und damit von den Hochschulen selbst.
Trotzdem: Allgemeiner Konsens außerhalb der Hochschulen scheint zu sein: Wir brauchen eine Hochschulreform, der Status Quo muß geändert werden. Es stellt sich also die Frage:

Technische Fakultät - Quo vadis?

Wie üblich, nutzt und generiert die öffentliche Diskussion Schlagworte, die - im Gegensatz zu 1968 - diesmal weniger aus dem soziologisch-politologischem Repertoire stammen, sondern hauptsächlich aus dem betriebswirtschaftlichem Wörterbuch kommen, mit Einsprengseln aus dem Angelsächsischem. Ich greife mal die zwei vielleicht wichtigsten Themenkreise heraus:
1. Unter dem Generalschlagwort "Finanzautonomie" subsummieren sich Begriffe wie "Globalhaushalt", "zielgerichtete und leistungsgerechte Ressourcenzuweisung", "Wettbewerb", "Kostenrechnung", "Controlling" usw. usf. - gemeint ist aber immer auch "weniger Geld" als bisher.
2. Unter dem Begriff "Studienreform" finden sich dann Schlagworte - für manche auch Reizworte - wie "Bachelor- und Master-Diplome", "credit point system", "Evaluation der Lehre" (als Dauerveranstaltung), "soziale Kompetenz der Ingenieure", - gemeint ist aber immer, daß in kürzerer Zeit sehr viel breiteres Wissen in die Köpfe soll - und das noch mit mehr Lustgewinn, zumindest auf studentischer Seite.
Andere Themenkreise wären charakterisiert durch Schlagworte wie Technologietransfer, oder der Beziehung zwischen Universität und Fachhochschule.
Ich möchte hier zum ersten Themenkreis Stellung beziehen und dazu einige Bemerkungen aus der Praxis machen. Zum zweiten Thema wird uns dann sicher Herr Necker mehr sagen, ich bin gespannt auf seinen Beitrag.

Die Technische Fakultät und der Globalhaushalt

Mit Interesse lesen wir, daß der Stifterverband DM 600.000.- auswirft, um - ich zitiere aus der Süddeutschen vom 3./4. Mai 97 - "sechs reformbereiten Hochschulen ... zu helfen, Wege zu beschreiten, welche die Politik bisher blockiert". Dabei geht es um - ich zitiere - "effiziente Leitungsstrukturen, leistungsbezogene Mittelvergabe, ein modernes Controlling und ein kaufmännisches Rechnungswesen statt der Kameralistik".
Mit noch viel größerem Interesse, bedingt durch die viel größere Summe von DM 16,8 Mio um die es geht, lesen wir in den Physikalischen Blättern vom April 97, daß ein - ich zitiere: "für deutsche Universitäten atemberaubendes Reformprojekt" - so Minister Trotha - in Heidelberg gestartet wird; nämlich ein Projekt mit dem Titel "Dezentrale Ressourcenverwaltung". Die Institute bekommen einen Globalhaushalt und - ich zitiere: "Die vorhandenen Kostenarten und Kostenstellenrechnung wird zu einer Kostenträgerrechnung weiterentwickelt und um ein betriebswirtschaftliches Rechnungswesen sowie ein Controlling ergänzt. Ziel ist der Aufbau eines Dienstleistungs- und Ressourcenmarkts, auf dem die inneruniversitären Einrichtungen wie Werkstätten, Druckereien, Rechenzentrum etc. ihre Dienstleistungen abrechnen und gegen Entgelt zur Verfügung stellen".
Ein Projekt mit 5 Jahren Laufzeit!
Für 16,8 Mio DM!
Ich darf dazu - nicht ohne Stolz - verkünden, daß wir Norddeutschen den Schwaben hier weit voraus sind.
 
Wir haben das alles schon
 
Unsere Werkstatt, beispielsweise, rechnet ihre Dienstleistungen nicht nur schon immer betriebswirtschaftlich ab, sondern läßt soeben - übrigens mit massiver Unterstützung des Fördervereins - von einem Unternehmensberater überprüfen, wie wirtschaftlich sie das wirklich macht. Und all die anderen in den Artikeln erwähnten schönen Dinge - Kostenstellen, Kostenarten und Kostenträgerrechnung, Ansätze eines Controllingsystems - haben und benutzen wir.
Wo also liegt das Problem? Warum brauchen die Heidelberger 16,8 Mio DM um das zu tun was wir schon haben? Warum tun sie es nicht einfach?
Hochmut kommt vor dem Fall. Und man sollte die Schwaben nicht unterschätzen; sie wissen wahrscheinlich um was es wirklich geht.
Denn, meine Damen und Herren, es geht nicht um die vordergründig immer betonte technische Seite des Globalhaushalts, also um eine andere Art der Buchführung, also um die Mittelverwaltung. Es geht nicht wirklich um die mit den Schlagwörtern "Kostenstellen", "Kostenrechnung" usw. mögliche Erfassung des "wer hat - im Detail - wann wozu wieviel Geld ausgeben", obwohl das, fast schämt man sich dies zuzugeben, für die Hochschulen noch weitgehend Neuland ist. Es geht vielmehr um die drei anderen wesentlichen Komponenten der Finanzautonomie, nämlich um die
Mittelzuweisung oder Mittelverteilung, um das
Controlling und um die Einbeziehung des Personalhaushalts, d.h. um
Personalmanagement anstelle von Personalverwaltung.
In diesen drei Begriffen steckt die Brisanz des Themas Finanzautonomie oder Globalhaushalt, und in diesen Bereichen wird die Technische Fakultät hinter die Schwaben zurückfallen, wenn sich nicht auf breiter Front - in der Regierung, im Ministerium, in der CAU und insbesondere in den Köpfen aller Betroffenen jetzt bald die Dinge bewegen.
Lassen Sie mich dies kurz erläutern. Stichwort Mittelzuweisung. Die Frage ist ganz einfach: Wer weist Mittel zu, z.B. innerhalb der Technischen Fakultät, nach welchen Kriterien, und mit welchen Kompetenzen. Ein Gremium, so weit herrscht relative Einigkeit, kann das nicht tun. Denn hier ist Verantwortung gefragt, und Verantwortung, soweit eine allgemeine Erkenntnis, auch aus der Gremienuniversität, Verantwortung muß personifiziert sein.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der oder die Verantwortliche in einer Fakultät der Dekan oder die Dekanin; beide müssen sich an Grundsätze halten, die der Fakultätskonvent vorgibt. Bei uns funktioniert das sogar leidlich, aber wie stabil dieses System sein wird, in Anbetracht von Randbedingungen wie z.B., daß der Dekan keinerlei personalrechtliche Weisungsbefugnisse hat, in der Regel alle zwei Jahre wechselt, und, obwohl der deutsche Professor wie wir alle wissen recht omnipotent oder gottähnlich ist, er doch nicht immer über das betriebswirtschaftliche und Management-Instrumentarium verfügt, das er bräuchte um seiner eigenen Verwaltung gewachsen zu sein. Also wie gut das über längere Zeiträume funktionieren wird, kann sich jeder leicht vorstellen, der selbst mal für Mittel und Mitarbeiter Verantwortung zu tragen hatte.
Wenn man weiter fragt, nach welchen Kriterien das Ministerium die Mittel unter seine Hochschulen verteilt, oder wie Parlament und Regierung in ihrer unbestrittenen Gesamtverantwortung für das Bildungssystem dieser Verantwortung dann gerecht werden können, wird sowohl die Dimension der Thematik Mittelzuweisung klar, als auch, daß eine Fakultät hier schnell an die Grenzen ihrer eigenen Gestaltungsmöglichkeiten stößt. Was hier von uns verlangt wird, ist nicht mehr und nicht weniger, als daß das Kollegialprinzip der deutschen Hochschule umgestoßen oder zumindest eingeschränkt wird. Dies fällt nicht leicht, und dies sollte man auch nicht leichtfertig tun.
Nun zum Controlling. Versteht man Controlling nicht als Kontrolle sondern als das englisches Fachwort für "Steuern und Regeln", heißt Controlling nichts anderes, als eine laufende Bewertung des momentanen Ist-Standes relativ zum Ziel vorzunehmen, und aus eventuellen Abweichungen Maßnahmen finanzieller, personeller und organisatorischer Art abzuleiten.
Ein Problem für eine Fakultät - oder Universität - liegt in der verbindlichen und halbwegs quantifizierbaren Zielvorgabe. Zu sagen, wir wollen gute Forschung und Lehre, reicht nicht, denn was heißt "Gut" denn konkret? Auch hier, wie bei der Mittelvergabe, sind verantwortliche Entscheidungsträger notwendig. Aber es können nicht dieselben sein wie bei der Mittelvergabe. Denn mit eingebunden in die Thematik ist jetzt auch die Bewertung der Entscheidungsträger die Mittel vergeben - Rektorat, Dekanat, geschäftsführende Direktoren, Professoren - und gegebenfalls auch Konsequenzen für diesen Personenkreis. Hier wird nicht nur das Kollegialprinzip durchlöchert, hier muß eine Hierarchie aufgebaut werden. Und dazu müssen wir uns auf die Meta-Ebene begeben, wir brauchen eine Instanz außerhalb des Systems.
Das Ministerium kann das nicht sein, jedenfalls so lange nicht, als es selbst noch in den Fesseln der Kameralistik und des Dienstrechtes hängt. Ob eine Art externer Aufsichtsrat, wie in Bayern derzeit im Gespräch, der Weisheit letzter Schluß sein wird, bleibt abzuwarten. Daß diese Thematik weit über die Selbststrukturierungsmöglichkeiten einer einzelnen Fakultät hinausgeht, ist klar.
Obwohl wir auch beim Thema Controlling weiter sind als andere, steht auch wir noch ganz am Anfang. Was wir haben, und was für eine Fakultät schon viel ist, sind die notwendigen Grunddaten - in Form von standardisierten Berichten und in der Datenbasis der Mittelverwaltung. Was wir wissen, und was nicht jeder weiß, ist, daß ein noch so gutes Zahlenwerk mit Schlüsselzahlen und Vergleichsdaten, die notwendigen Schlußfolgerungen der Verantwortlichen nicht ersetzt. In anderen Worten: Management by Computer - also du sagst mir deine Leistungsdaten - Zahl der Abschlüsse, mittlere Studiendauer, eingeworbene Drittmittel usw. - und der Computer sagt dir nach einer festen Formel, wieviel Geld und Stellen du bekommst - also diese automatisierte Form der Entscheidung, die ja nichts anderes ist als die Anonymisierung der Verantwortung, wird nicht funktionieren. Schlüsselzahlen sind als Basis jedes Controllingsystems sicherlich unabdingbar, aber Schlüsselzahlen sind Entscheidungshilfen für die Verantwortlichen, sie dürfen die Entscheidungen nicht ersetzen.
Es bleibt noch das Thema Personalmanagement. Obwohl der Personalhaushalt bei 80% des Gesamthaushalts liegt, ist er im Bewußtsein der meisten Universitätsmitglieder nicht vorhanden - er ist sowas wie eine gottgegebene Größe, in der nur eine einzige Entscheidung möglich ist: Jemand wird gelegentlich eingestellt. Punkt. Danach läuft alles automatisch, im Extremfall bis zum Ausscheiden nach der Pensionierung. Leistungsgerechte Bezahlung, Personalumsetzungen, Neuorganisationen, neue Aufgaben für vorhandenes Personal - von Personalabbau ganz zu schweigen - ist im vorhandenen System nicht, oder nur mit gigantischem Aufwand zu machen.
Ansonsten will ich nicht allzusehr über den öffentlichen Dienst herziehen - das tut schon unsere Ministerpräsidentin zur Genüge - sondern nur anfügen, daß wenn sie die Auswüchse nicht ändern kann, werden auch die Schwaben damit Mühe haben werden.
Hinderlich ist insbesondere, daß in der großen CAU alles zentralistisch laufen muß. Damit fallen besondere Umstände in Teilbereichen unter den Tisch, z.B. bei Arbeitszeitregelungen oder bei besonderen Beschäftigungsverhältnissen. Außerdem gibt es keine richtigen Vorgesetzen, da der eigentliche Disziplinarvorgesetze - falls überhaupt eindeutig bekannt - meist von seiner Funktion gar nichts weiß.
Hinderlich ist insbesondere, daß in der großen CAU alles zentralistisch laufen muß. Damit fallen besondere Umstände in Teilbereichen unter den Tisch, z.B. bei Arbeitszeitregelungen oder bei besonderen Beschäftigungsverhältnissen. Außerdem gibt es keine richtigen Vorgesetzen, da der eigentliche Disziplinarvorgesetze - falls überhaupt eindeutig bekannt - meist von seiner Funktion gar nichts weiß.
Sie sehen, meine Damen und Herren, hinter dem Schlagwort "Globalhaushalt" oder "Finanzautonomie" verbirgt sich erheblich mehr als nur öde kaufmännische Buchungstechniken. Es geht hier an die Wurzeln des Selbstverständnisses der Universität - sei es die der heutigen pseudodemokratische Gremienuniversität, oder die der Kollegialuniversität alter Prägung.
Einfache Lösungen ohne Risiken gibt es bei dieser Thematik nicht. Und Risikofreudigkeit ist nicht gerade eine herausragende Eigenschaft der heutigen Hochschule. Deshalb auch das Schweigen der Betroffenen, der großen Mehrheit der Universitätsmitglieder. Die Verunsicherung ist groß, und daß man Finanzautonomie mit all ihren Unwägbarkeiten auch noch durch ein kräftig gekürztes Budget bezahlen muß, steigert auch nicht gerade das Vertrauen in die Vorteile einer Eigenbewirtschaftung.
Man darf dabei vor allem eines nicht vergessen: Selbst die schönsten Szenarien, die alle aufgeführten Probleme lösen könnten, werden scheitern, wenn sie nicht auf Akzeptanz bei der Mehrzahl der Universitätsangehörigen stoßen - den Professoren, Mitarbeitern und Studierenden! Und diese Akzeptanz gibt es nicht umsonst, sie kostet etwas, nämlich viel Zeit, Kraft und Überzeugungsarbeit. Und dazu gehört auch die Bereitschaft der Ministerien, Landesbauämter usw., sich selbst auch in das kalte Wasser zu begeben, in das sie uns gerne werfen würden.
In Summe: Die Technische Fakultät - obwohl zur Zeit weit vor den Heidelberger Schwaben - kommt an das Ende ihrer eigenen Möglichkeiten auf dem Weg in die Finanzautonomie. Im Prinzip hängt unser gesamtes System an einem seidenen Faden. Nicht nur ist es schon rein formal nur durch eine Fußnote im Haushaltsgesetz abgesichert, sondern es kann jederzeit auf dem derzeitigen Stand einfrieren oder sich sogar rückwärts entwickeln wenn der Weg in die Autonomie nicht von allen beschritten wird.
Unterstellt man, daß die Heidelberger hier weiterdenken und weiterwollen, besteht also Handlungsbedarf, um unseren Vorsprung zu halten.
Was ist zu tun? Dazu jetzt die angekündigte Vision:
 

Vision zum Fakultätsmanagement

Wenn ich wirklich wüßte, wie man die angedeuteten Probleme lösen könnte, würde ich mich natürlich als Unternehmsberater selbständig machen und viel Geld verdienen. Ich bin aber persönlich überzeugt davon, daß der Weg in die Finanzautonomie in die richtige Richtung führt, um die Strukturkrise auch in der Universität überwinden zu können. Daß wir dabei selbst unsere Strukturen ändern müssen, versteht sich von selbst. Um hier den Bundespräsidenten zu zitieren: "Strukturen dürfen nicht in einer unseligen Gemengelage aus gewachsenen Apparaten, verfestigtem Dienstrecht und mentalen Vorbehalten alternativlos versteinern" Und er hat die Hochschulen gemeint, denn das war aus seiner Rede vor den Teilnehmern der Hochschulrektorenkonferenz im Juli 96. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Was ich mir nun aber vorstellen und wünschen würde, wären weitere Schritte in Richtung Autonomie, zum Beispiel:
Eine vollständiger und abgesicherter Globalhaushalt, das heißt einen - innerhalb gewisser Regeln - frei disponierbaren Haushalt mit einbezogenem Personalhaushalt und mit einem Minimum an Planungssicherheit für die nächsten Jahre.
Eine Bemessungsgrundlage dieses Haushalts auf der Basis von Zielvereinbarungen mit Rektorat und Ministerium, und unter Berücksichtigung der Aufbausituation der Technischen Fakultät mit ihren aus der Strukturkrise resultierenden besonderen Problemen.
Eine - um mal ganz progressiv zu werden - Abkopplung vom Landesbauamt, mit der Möglichkeit Baumaßnahmen auch selbst durchführen zu können; um z.B. ein eigenes Wohnheim oder Gästehaus bauen und betreiben zu können.
Eine Grundsatzentscheidung innerhalb der Fakultät, mit dem Konsens eine klare Verantwortungsstruktur bei den angesprochenen Thematiken Mittelverwaltung, Mittelzuweisung, Controlling und Personalmanagement aufzubauen, brauchbare Richtlinien vorzugeben, und die damit verbundenen Konsequenzen zu akzeptieren. Das ist vielleicht sogar die schwierigste Forderung.
Auf dieser Basis dann einen Modellversuch zum Personalmanagement, mit den Komponenten: Teilweise Entkopplung im Personalbereich von der CAU, einen eigenen Personalrat mit eigenen Zielvereinbarungen, z.B. zum Thema flexible Arbeitszeit - es fällt schwer das zu glauben, aber wissenschaftliche Angestellte haben hier nach dem Willen des Personalrats feste Arbeitszeiten - oder zur Art und Rolle der Vorgesetzten, zur Mitarbeiterförderung und zur leistungsgerechten Bezahlung. Ich weiß, was im öffentlichen Personalrecht alles nicht geht. Aber ich würde doch mal gerne versuchen, das bißchen was geht, in voller Breite und Tiefe auszunützen.
Und damit im Ergebnis: Eine Fakultät, die ihren Studierenden nicht mehr Wasser predigt und selbst Wein trinkt, nämlich Leistungsbereitschaft, Flexibilität, Risikofreude, Eigenverantwortung, Teamfähigkeit usw, fordert, aber den eigenen Bereich, geschützt durch Kameralistik, Beamtenrecht, BAT, Mitbestimmungrecht, Datenschutz, Dienstweg, usw. davon ausklammern kann oder sogar muß.
Ich bin versucht jetzt Amen zu sagen, verkneife mir das aber
Stattdessen sage ich Heureka - auch ein Fremdwort - für unsere Absolventen. Zu deutsch: Ich hab´s erreicht, nämlich das Diplom. Seit unserem Winterfest im Februar haben 15 Informatiker und 2 Elektrotechniker die Hürde genommen, und ihr Diplom geschafft. Nur 7 davon sind heute noch hier - das ist zwar einerseits bedauerlich, zeigt aber erfreulicherweise doch, daß die Absolventen nicht lange hier herumhängen weil sie keine Stellen finden.
Bevor ich aber die Frischdiplomierten zu mir bitte, möchte ich doch erwähnen, daß die Technische Fakultät im zurückliegenden Jahr auch Doktoren produziert hat, und zwar insbesondere die ersten Dr.-Ing.; Doktoren der Ingenieurwissenschaften. Erfolgreich promoviert haben seit dem letzten Sommerfest 4 Elektrotechniker, 7 Informatiker, und 2 Materialwissenschaftler.
Doch jetzt möchte ich die sieben - fast hätte ich Schwaben gesagt - Absolventen feierlich verabschieden:
Herrn Dipl.-Informatiker Ingo Ahrns
Herrn Dipl.-Informatiker Reimer Karlsen
Herrn Dipl.-Informatiker Christion Krauss
Herrn Dipl.-Elektrotechniker Hauke Rieken
Herrn Dipl.-Informatiker Dirk Scholz
Herrn Dipl.-Elektrotechniker Dirk Sievers-Kresin
Herrn Dipl.-Informatiker Mathias Waack
Meine Herren - wieder mal ist keine Dame dabei - meine Herren, sie werden jetzt ins Berufsleben treten. Sie erwarten von mir jetzt, daß ich Ihnen eine Art Konfirmationsspruch mitgebe, so in der Art: Üb´ immer Treu und Redlichkeit. Nun gut. Ich gebe Ihnen sogar zwei Sprüche mit, beide zum Thema Verantwortung.
Der erste stammt von Frau Prof. Dr.-Ing. Gregory, einer Amerikanerin, die neulich Bedenkenswertes zum deutschen Bildungssystem und der Übernahme von Verantwortung gesagt hat, nämlich: "Die wichtigste Voraussetzung für die Bereitschaft, Verantwortung für eine Gemeinschaft zu übernehmen, ist in diesem Lande auf ein gefährlich niedriges Niveau abgesunken, nämlich der Stolz. Es gibt wenige Deutsche, die stolz darauf sind deutsch zu sein. Es gibt auch wenige Professoren und noch weniger Studierende, die auf ihre Hochschule stolz sind". Zählen sie sich nicht zu diesen Kleinmütigen. Seien sie stolz auf ihre Leistung, und seien sie stolz auf ihre Universität und Fakultät. Sie müssen sich hinter niemand verstecken und sie können hocherhobenen Hauptes jedem anderen Hochschulabsolventen aus jedem Land dieser Erde in die Augen sehen.
Nach diesem ersten guten Ratschlag, der mehr im bedeutend allgemeinen lag, jetzt mein persönlicher Rat zum innovativem Verhalten in Alltagsgeschäft. Denken sie immer daran, wenn sie in ihrer Firma, und insbesondere in großen Bürokratien beim Verfolgen ihrer Ziele gebremst werden: Es ist meistens viel einfacher um Entschuldigung, als um Erlaubnis zu bitten. Ordnen sie sich nicht in die Phalanx der Bedenkenträger, der Regulierungswütigen, der Dienstwegfanatiker und der Mutlosen ein. Dann werden Sie sich um ihre Zukunft keine Sorgen machen müssen, und wir uns nicht um die Zukunft unseres Landes.
Nun zu unserem Festvortrag: Herr Necker, in unseren Internetseiten steht zum Thema Sommerfest: Die Feste sollen herausgehoben werden durch Festvorträge erstrangiger Redner. Viel erstrangiger geht es zu dem Thema, zu dem Sie uns vortragen werden, nicht. Ich darf Sie kurz vorstellen:
Sie haben Volkswirtschaft und Philiosophie studiert, und waren danach bei den HAKO Werken, bevor sie in den Vorstand berufen und Mitgesellschafter wurden, der Vertriebsleiter.
Man kennt Sie aber durch Ihre ehrenamtliche Tätigkeiten:
Sie waren zunächst Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, 1982 - 85 dann Schatzmeister und Vizepräsident des Bundesverband der Deutschen Industrie, des BDI, 1987 - 1990 Präsident des BDI,
danach, bis 1992 Vizepräsident und 92 - 94 wieder Präsiden des BDI
Und Sie sind immer noch Geschäftsführer und Gesellschafter der HAKO-Werke. 
Herr Dr. Necker, ich darf Sie um die Festrede bitten..

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© H. Föll