Rede zum Sommerfest 96 der Technischen Fakultät

Anlaß: Die Technische Fakultät hat sich entschlossen, zweimal im Jahr, beim Winter- bzw. Sommerfest, die Absolventen des zurückliegenden Zeitraums feierlich zu verabschieden sowie die Preise des Fördervereins zu verleihen. Die Feste sollen herausgehoben werden durch Festvorträge erstrangiger Redner. Beim Sommerfest 96 (dem ersten Fest dieser Art) war dies Prof. Warnecke, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, beim Winterfest Prof. Rüschmann, der anläßlich der Ernennung zum Honorarprofessor seine Antrittsvorlesung hielt. Beim zurückliegenden Sommerfest 97 war Dr. Tyll Necker, Vizepräsident des BDI, der Festredner.

Der Dekan hält beim Winterfest eine kleine Rede zu einem Detailthema und eine große, eher programmatische Rede, zum Sommerfest.

Nachfolgend die Rede zum Sommerfest 96. Das Thema war:

Wo steht die Technischen Fakultät?

Vorbemerkungen:

- Der Bericht des Dekans ist ein persönlicher Bericht; er muß nicht und wird nicht die Durchschnittsmeinung der Fakultät widerspiegeln.

- Vor 6 Jahren und 7 Tagen hat Hr. Müller-Wille - den ich hier herzlich begrüßen darf - als damaliger Rektor die Gründungssatzung der CAU für die Technische Fakultät unterschrieben; und vor 4 Jahren und 7 Monaten trafen die ersten beiden Professoren ein - die Fakultät bestand aus 4 Personen!

- Heute überreichen wir die ersten Diplome, und ich will nicht verschweigen, daß der heutige Tag mich mit Stolz erfüllt; Stolz darauf, daß wir alle zusammen - Professoren, wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal - es geschafft haben, in Rekordzeit drei komplette Studiengänge einzurichten und - in der kürzest möglichen Zeitspanne - die ersten Absolventen zu produzieren, der Anlaß der heutigen Feier.

- Ich lege Wert darauf festzuhalten, daß dieser Erfolg nicht deshalb möglich war, weil wir unserem ersten Jahrgang einen Bonus eingeräumt hätten. Jawohl, wir haben interne Diskussionen darüber geführt, sind aber immer zum Schluß gekommen, daß wir uns an den Studierenden und an unserer Universität versündigen, wenn wir nicht von Anfang an die selben Maßstäbe anlegen, die an den besten deutschen Fakultäten - ich denke an z.B. an Aachen, Karlsruhe oder Stuttgart - eingeführt sind. Unsere Studierende, soweit sie heute heute hier sind, können ihnen nachher bestätigen, daß das Studium an der Technischen Fakultät der CAU kein Zuckerschlecken war oder ist, und niemand etwas geschenkt wurde - auch dem ersten Jahrgang nicht.

- Wer aber an andere hohe Maßstäbe anlegt, muß sich gefallen lassen, gefragt zu werden, ob er selbst diesen Maßstäben genügt. Die Frage ist also, welche Ziele haben wir uns gesetzt, und wie weit wurden diese Ziele erreicht? Eine seriöse Antwort auf die letzte Frage kann ich selbst nicht geben - das müssen andere tun. Ich möchte aber in der gebotenen Kürze auf unsere Zielsetzungen und die dabei gemachten Erfahrungen und Beobachtungen eingehen.

- Der Verantwortungs- und Aufgabenbereich einer Universität wird üblicherweise strukturiert in:

1. Lehre

2. Forschung und

3. Sicherung des wissenschaftlichen Nach-

wuchses.

- Beim Aufbau einer nagelneuen Technischen Fakultät in Zeiten, die mit Schlagworten wie "Strukturkrise" mit Bezug auf die deutsche Wirtschaft, und Buchtiteln wie "Im Kern verrottet?" mit Bezug auf deutsche Universitäten charakterisiert sind, kann man mit Fug und Recht noch zwei weitere Aufgabenstellungen hinzufügen, nämlich:

4. Neue und effiziente interne Organisations und Verwaltungsstrukturen schaffen und

5. Kooperationen, insbesondere mit der einschlägigen Wirtschaft, pflegen.

- Ich denke, wir mußten auch diese Aufgaben akzeptieren, und ich werde dazu Stellung nehmen.

- Im folgenden möchte ich zu den benannten 5 Punkten den heutigen Stand wiedergeben, bestehende Probleme aufzeigen und einige Gedanken zum Umfeld und zur Lage der Technischen Fakultät äußern, die meine persönliche Erfahrung widerspiegeln

Zuerst zur Lehre!

- Es gibt für mich wenig Zweifel: Die herkömmlicheIngenieursausbildung ist nicht mehr zeitgemäß! Die Anforderungen der Wirtschaft, formuliert in dedizierten Schriften des VDI, ZVEI und anderen Verbänden, die Eckdaten und Rahmenordnungen der Kultusministerkonferenzen und -Ministerien sowie die Vorbildungen und Erwartungshaltungen der Studienanfänger und -Anfängerinnen lassen sich nicht mehr auch nur näherungsweise mit herkömmlichen Studiengängen in Einklang bringen. Ob diese Entwicklung gut ist, bleibt eine müßige Frage, denn wir können uns die Rahmenbedingungen und die Studienanfänger nicht aussuchen - wohl aber die Studienanfänger sich uns, die Universitäten.

- Schon die Gründungskommission hat diesem Gedanken Rechnung getragen und innovative Ansätze in die Studiengänge eingebracht; wir haben diese Ansätze weiterentwickelt, auch wenn wir dabei hin und wieder ernste Bedenken bezüglich der Gesamtqualität der Ausbildung hatten und haben. Als herausragende Merkmale unserer Lehre möchte ich zunächst die den meisten von Ihnen vertrauten Schlagworte mit Bezug auf die Ingenieursstudiengänge aufzählen:

Das sog. Kieler Modell, d.h. ein weitgehend gemeinsames Grundstudium aller Ingenieure mit den Grundlagen in Mathematik, Physik und der hier gelehrten Ing.-Fächer wurde eingerichtet und wird, so wie die interne Diskussion läuft, zukünftig noch erweitert.

Die Betonung der nichttechnischen Wahlpflichtfächer in unseren Studiengängen entspricht schon immer den Forderungen der Verbände, auch hier wollen wir zukünftig noch mehr tun

Unsere Prüfungsordnungen bieten Anreize zum zügigen Studieren, wie beispielsweise den "Freischuß" (vermutlich bei uns zum ersten Mal bei Ingenieuren eingeführt).

Individuelle Hilfestellung durch Mentoren, direkte Beratung, unbürokratische Regelung spezieller Fälle wird angeboten oder durchgeführt.

Ein Frauenpraktikum in der zentralen Werkstatt der TF wurde als eine als frauenfördernde Maßnahme, eingeführt um Berührungsängste bei Abiturientinnen abzubauen.

- Soweit der Überbau. Wie sah das in der Praxis aus? Als ich in Kiel drei Wochen vor Beginn der Vorlesungszeit ankam, hatte ich eine Vorlesung zu halten, die ich in diese Form noch nie gehalten habe - mein Vorsprung vor den Studierenden betrug also drei Wochen. Zwischenzeitlich mußte ich mir zwei weitere neue Vorlesungen erarbeiten, zur Zeit halte ich die vierte neue Vorlesung, und mein Vorsprung ist auf bestenfalls drei Tage geschmolzen. Vielen Kollegen ging und geht es ähnlich. In einer Art Bilanz kann ich feststellen:

Ca. 60 verschiedene Vorlesungen, viele davon auch für die Dozenten neu, wurden erarbeitet und gehalten

10 Praktika an neuestem Gerät mit ca. 130 neuen Versuchen wurden eingerichtet und laufen.

Im Rahmen des nichttechnischen Wahlpflichtfachs wurden über Lehraufträge eigene, speziell für Ingenieure - und Ingenieurinnen - geeignete Veranstaltungen durchgeführt, z.Z. beispielsweise die Veranstaltungen: Internationales Management, Rationelle Energienutzung oder das über den Förderverein finanzierte Existenzgründungsseminar der IHK.

- Daß dabei alle mögliche Krisen und Katastrophen auftraten, und immer wieder improvisiert werden mußte, versteht sich von selbst. Daß auch die Studierenden dies gelegentlich - aber nicht immer - merkten, ließ sich nicht vermeiden - aber trotz allen Schwierigkeiten feiern wir heute die ersten Abschlüsse!

- Was mich mit besonderer Befriedigung erfüllt, ist, daß es gelungen ist, trotz der sich schon länger abzeichnenden schweren Zeiten, einen neuen Studiengang einzurichten, nämlich die Technomathematik. Zwar ist dies formal ein Studiengang der Mathematisch - Naturwissenschaftlichen Fakultät, doch ich glaube man darf schon sagen, daß die notwendigen Ressourcen überwiegend von der Technischen Fakultät gestellt werden - hier ist ein besonders gutes Beispiel für die Kooperation zwischen Fakultäten und für die Überwindung von tradierten Bereichsgrenzen.

- Wie ist das nun mit den Anfängerzahlen? Es ist wahr, wir haben zur Zeit nur etwa halb so viel Anfänger in den neuen Studiengängen, als bei Gründung der Fakultät erwartet wurden. Damit geht es uns vergleichsweise besser, als vielen berühmten Fakultäten und Universitäten, die zum Teil bei einem Drittel ihrer Kapazität oder noch darunter liegen.

- Man mag das als ein vorübergehendes Problem sehen, das verursacht wird durch die schlechte Arbeitsmarktlage und die derzeitige demographische Situation. Sollte mehr dahinter stecken, nämlich eine allgemeine Abkehr der Jugend und unserer Gesellschaft von den Naturwissenschaften und der Technik, wird die große Krise erst noch kommen, aber sie wird uns dann alle treffen, nicht nur die technische Welt.

- Was tun wir, um die Nachfrage nach unserern Studiengängen anzukurbeln, d.h. um mehr Abiturienten über unsere Studienangebote zu informieren und, so wäre zu hoffen, positiv zu beeindrucken. Eine ganze Menge, aber vielleicht noch nicht genug. Nur zwei Bemerkungen:

- Erstens: Wir haben, nach langen und frustierenden Anfängen, endlich den Kontakt zu den regionalen Gymnasien gefunden. Wir haben jetzt regelmäßig Schulklassen zu Besuch bei uns, und wir haben Kontakt zu den Lehrerinnen und Lehrern. Ich erwarte damit eine generelle Verbesserung der Anfängerzahlen, aber noch keine Trendwende.

- Zweitens: Wir betreiben ein bißchen "Public Relations" - wenn auch in bescheidenem Stil. Nicht nur nutzen wir jede Gelegenheit, uns in den Medien zu präsentieren und sowas wie eine "Corporate Identity" zu erzeugen, sondern wir versuchen auch, die neuen Medien aktiv zu nutzen. Wer will, kann gegen eine kleine Gebühr ein Video über die TF mitnehmen; wer einen Internet-Zugang hat findet unter "http://www.techfak.uni-kiel.de" eine ganze Menge an Informationen sogar umsonst.

- Mein Fazit: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen noch ein gutes Stück weitergehen. In punkto Studiengänge muß immer wieder gefragt werden, ob ihr Produkt, nämlich der frisch diplomierte Ingenieur, im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig ist - nur das kann der Maßstab sein. Die Frage ist einfach zu stellen, die richtige Antworten aber weiß niemand, denn wir alle können nicht in die Zukunft schauen. Ich denke, wir müssen die bei uns vorhandenen innovativen Ansätze ausbauen und pflegen und uns dabei vielleicht auch langsam lösen von den spezifisch deutschen Paradigmen der Ingenieursstudiengänge. Denn nicht nur Karlsruhe, Aachen oder Stuttgart können als Vorbilder dienen, sondern im Zeiche des globalen Wettbewerbs eben auch Stanford, das MIT oder Carnegie-Mellon, um nur einige amerikanische Beispiele zu nennen. Weiterhin wird es wichtig werden, die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik - die schließlich ein Produkt der Elektrotechnik, der Informatik und der Materialwissenschaft ist - auch in der Lehre zu benutzen, ein weites und noch kaum beackertes Feld.

Nun zum 2. Punkt, zur Forschung

- Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Die Forschung im neuen Teil der Technischen Fakultät war und ist behindert durch: 1. Vorrang der Lehre in der Aufbau-Situation; 2. Zeitraubender und noch lange nicht abgeschlossener Aufbau der Labors und 3. Fehlen eines erfahrenen Mitarbeiterstabs in den meisten Lehrstühlen. Es wird Jahre dauern, bis vor allem in den mehr experimentell ausgerichteten Lehrstühlen Forschungsnormalität eingezogen ist. Trotzdem denke ich, ist die Bilanz vorzeigbar. Den besten Indikator geben vielleicht die eingeworbenen Drittmittel ab. Ohne die Informatik und Technomathematik die zusammen fast 10 Mio eingeworben haben, also nur bezogen auf den völlig neuen Teil der Fakultät, sind seit 1992 folgende Zahlen zu nennen.

Ca. 10 Mio eingeworben Mittel, für

rund 45 Projekte, mit der Herkunft

35% DFG, 35% BMBF, 6% EU, 8% Technologiestiftung und 16% Sonstige, darunter auch Firmen aus der Region.

- Nach der zwar noch nicht abgeschlossenen, aber doch schon fortgeschrittenen Aufbauphase, kann man jetzt eine Zeit der Ausweitung der Forschungsaktivitäten konstatieren, die Zahl der Forschungsanträge und der angedachten Kooperationen steigt, das erste Graduiertenkolleg (in der Technomathematik) ist angedacht.

- Mein Fazit: Grundsätzlich sind wir auf dem richtigen Weg; es gilt nun, die großen Chancen zielgerichtet zu nutzen, die sich durch die enge organisatorische Kopplung der vier Fachbereiche Elektrotechnik, Informatik, Materialwissenschaft und Technomathematik innerhalb der Technische Fakultät bieten

- Leider ist aber auch die technische Fakultät nicht völlig immun gegen eine Krankheit der universitären Forschung, nämlich den zumindest latent immer vorhandenen Partikularismus, gekoppelt mit Bereichs- Gruppen- und Anspruchsdenken. Hier gilt es weiterhin, Forschungskontakte und dynamische Forschungsverbünde zu fördern, die schnell und effizient Resultate erbringen können, damit abgeschirmte, sich selbst genügende Institute und statische Bereiche erst gar nicht entstehen können.

Zur Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses,

dem dritten Punkt auf meiner Liste, kann im Moment noch nicht allzuviel gesagt werden; dies ist eine langfristige Aufgabe. Immerhin werden in den nächsten 2 Monaten die ersten Doktoranden in den neuen Ing.-Fächern fertig, des weiteren gibt es einige Habilitierende, auch schon in den Ingenieursfächern der Fakultät. Denkt man nicht nur an den deutschen wissenschaftlichen Nachwuchs, sondern auch an den anderer Länder, kann ich doch mit Freude vermerken, daß wir zur Zeit ca. 10 Gäste aus dem Ausland haben (6 davon hier; üerwiegend aus dem mittleren Osten), die hier in der Regel promovieren oder habilitieren wollen.

- Mein Fazit: Zu früh um viel zu sagen. Was ich persönlich für sehr wichtig erachte ist, daß unser wissenschaftlicher Nachwuchs ausreichend Gelegenheit erhält, sich in den besten Labors des Auslands - ob Universität oder Firmen ist dabei egal - umzuschauen und zu qualifizieren.

Zum 4. Punkt: Neue und effiziente interne Organisations- und Verwaltungsstrukturen

- Wer den staatlichen Betrieb nicht kennt, wird Mühe haben nachzuvollziehen, daß im Aufbau der Management- und Verwaltungsstrukturen der größte Zeit- und Arbeitsaufwand seiten des Dekanats erforderlich war. Ich möchte diesen Bereich nur anektdotisch streifen, sonst wird die Zeit bei weitem nicht reichen.

- Ich glaube, wir dürfen sagen, daß die Technische Fakultät inzwischen Vorbildcharakter in diesem Bereich hat. Ich schließe das aus der rapide wachsenden Zahl an Anfragen und Einladungen zu allen möglichen Veranstaltungen die zum Generalthema "Modernes Mangement in staatlichen Betrieben" abgehalten werden, und aus der allgemeinen Tendenz auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltungen, Strukturen und Verfahrensweisen einzuführen, die wir schon haben.

- Was haben wir? Ich nenne einige Stichworte: Einen de facto Globalhaushalt im Sachmittelbereich, eine interne Mittelverwaltung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und Systematiken, z.B. Kostenstellen mit definierten Kostenarten und Kostenträgern, eine Systematik zur Mittelvergabe, die sich nach Bedarf und Leistung der organisatorischen Einheiten bemißt, Ansätze zum Projektmanagement im Forschungsbereich, und damit auch Ansätze zu einem Controllingsystem für Forschung und Lehre.

- Vertreter der Wirtschaft mögen sich jetzt angucken und fragen: Was ist denn daran neu? Die Antwort, zumindest für den Bereich der Hochschulen ist schlicht: Alles.

- Wie kam es zu dieser Vorreiterrolle der Technische Fakultät? Im Grunde, weil Rektorat und Ministerien uns haben gewähren lassen. Dafür möchte ich mich bedanken, obwohl ich auch den leisen Verdacht hege, daß, weil alles so schnell ging, schlicht nicht jeder amtliche Bedenkenträger mitbekommen hat was bei uns läuft und nur deshalb auch keinen Ärger gemacht hat.

- Aber Spaß beiseite: Es ist noch ein weiter Weg zurückzulegen, auch im Innenverhältnis. Ich kann nur hoffen, daß die Ministerien und der Landtag nicht den Mut verlieren und auf dem Weg zu einer größeren Selbstständigkeit (und Verantwortlichkeit) der ihnen unterstellten Bereiche nicht auf halbem Wege stehen bleiben.

- Als größtes Problem, soviel sei mir erlaubt zu sagen, sehe ich den Gesamtbereich des Personalmangagements. Ein sinnvoller Einsatz der Ressource Personal wird zunehmend schwieriger; die Freiräume die eine Universität braucht um bei den Mitarbeitern Kreativität und Innovationskraft freizusetzen, sind immer weniger vorhanden. Denn gerade im technischen Bereich der Forschung, aber nicht nur dort, entsteht Fortschritt im Wechselspiel zwischen der Fachkompetenz, der Erfahrung und der Verantwortung des Professors, und der Arbeitskraft, dem Elan, der Unbekümmertheit und der Innovationskraft der Jugend. Umso bedenklicher ist es, wenn aus dynamischen Forschungsgruppen, die sich mit Inbrunst in ihre Thematiken verbeißen sollen und wollen, voll bürokratisierte "Dienststellen" werden, weil die zwar gutgemeinten in der Forschungspraxis aber oft kontraproduktiven Zwänge der Mitbestimmungsgesetze, Kapazitätsverordnungen, Rahmenordnungen und Eckdaten, Frauenförderrichtlinien, tarifrechtlichen Vorschriften, etc. etc., dies erzwingen. Wenn z.B. für wissenschaftliches Personal feste Arbeitszeiten bindend vorgeschrieben sind, darf man sich nicht wundern, wenn selbst Doktoranden sich dann als "Diensttuende" im "Wissenschaftsvollzug" fühlen - diese Wortschöpfung stammt nicht von mir - und dann z.B. auch den ihnen formal zustehenden Weiterbildungsurlaub einklagen.

- Hier wollte ich jetzt eigentlich ein bißchen über das staatliche Bauen lästern. Da wir aber nur deshalb in dem gestern fertig gewordenen großen Hörsaal der Technischen Fakultät sitzen können, weil sich Mitarbeiter des Landesbauamtes für uns eingesetzt haben, will ich mich dafür an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

- Mein Fazit: Es wird noch ein langer und mühseliger Weg, bis die Technische Fakulät - von der Universität ganz zu schweigen - ein professionelles Management und Controllingsystem im Finanzbereich aufweisen kann. Aber: Wir werden es schaffen! Wesentlich pessimistischer sehe ich die Situation im Personalbereich. Ich will dazu nicht groß selbst lamentieren, sondern verweise auf die zahlreichen einschlägigen Äußerungen der Landesmutter, mit dem einzigen Zusatz, daß die im universitären Bereich besonders wichtige Kreativität und Innovationskraft von den bekannten Problemen noch stärker betroffen sind als beipielsweise die Arbeitseffizienz eines statistischen Landesamts .

Der letzte Punkt: Die Kooperationen, insbesondere mit der einschlägigen Wirtschaft (man kann auch Technologie-Transfer sagen).

- Besonders hervorzuheben ist zunächst die Kooperation mit dem ISiT und der GKSS; das Forschungszentrum Geesthacht

- Während die enge Beziehung zum ISiT einerseits von Anfang an fest eingeplant war, andererseits bei der bekannten Lage des ISITs nur mühsam in die Gänge kommt, hat sich die Beziehung zur GKSS zwar erst nach Arbeitsaufnahme der Fakultät entwickelt, ist dafür aber heute schon sehr weit fortgeschritten. Nicht nur haben wir bereits eine gemeinsame Professur besetzt, sondern eine weitere ist fest geplant - und ich hoffe sehr, daß sie nicht dem Sparstift zum Opfer fallen muß. Enge Kooperationen sind auch bei der gemeinsamen Nutzung von Analysegroßgeräte vorgesehen; selbst eine gemeinsame Sommerschule ist in Vorbereitung.

- Auch die Kooperationen innerhalb der CAU sind im Anwachsen begriffen.

- Als Fazit möchte ich nur den derzeitigen Schwachpunkt aus meiner Sicht ansprechen, nämlich die Beziehung zur Wirtschaft. Wir haben zwar eine Reihe von Forschungsprojekten mit Unternehmen - ich selbst beschäftige einen vollständig von einer Münchner Firma - nicht der bekannten großen sondern einer sehr kleinen - bezahlten Doktoranden - aber die Kontakte zur regionalen Wirtschaft sind noch ausbaufähig. Nicht daß wir keine Projekte hätten, und nicht, daß sich dies nicht im üblichen Rahmen bewegen würde. Ich denke aber, in er heutigen Lage der Technikindustrie und der Universitäten, könnten und sollten es mehr sein. Hier müssen wir sicher etwas tun, und hier, denke ich, kann auch der Förderverein sehr hilfreich sein.

Zusammenfassung und Überleitung

- Meine Damen und Herren: Dem einen oder der anderen mag es aufgefallen sein: Ich habe mich beim Jammern ziemlich zurückgehalten. Daß die Erwartungen, die wir als Neuberufene hatten und auf der Basis der Landesplanung auch haben durften, oft nicht mehr erfüllbar waren - ich sage nur: Neubau der Fakultät auf dem Campus - ist zwar betrüblich und macht es uns nicht leichter, ich glaube aber aber auch, daß in diesen Zeiten nicht nur die Nichtmehr- oder Nochbeschäftigten der Technologiebranche zurückstecken müssen, sondern zumindest auch die technischen Bereiche der Hochschulen. Auch wir müssen nach neuen Lösungen suchen, unsere Effizienz und Effektivität verbessern und uns unsere Daseinsberechtigung immer wieder neu verdienen - wie jeder Bereich in jeder Firma auch.

- Ich sagte eingangs, ich sei stolz darauf, heute nach nur 41/2 Jahren den ersten Absolventen ihre Diplome überreichen zu dürfen; ich sage es jetzt, und mit der Nebenbemerkung, daß wir nicht so üppig auf Rosen gebettet waren wie das einmal geplant war, nochmals. Ich denke, mit diesen ersten Diplomen, die ich jetzt überreiche möchte, haben wir unsere Daseinsberehtigung zunächst einmal verdient und ich bin zuversichtlich, daß uns das auch weiterhin gelingen wird.

Überreichung der Diplome

- Ich rufe auf in alphabetischer Reihenfolge:

Hrn. Dipl.-Ing. Sönke Carstens-Behrens

Hr. Carstens-Behrens hat am Lehrstuhl für Netzwerk- und Systemtheorie diplomiert, das Thema seiner Diplomarbeit lautete: "Adaptive Geräuschreduktion für gestörte Systeme durch Filterung im Spektralbereich"

Hrn. Dipl.-Ing. Bodo Rebetge

Hr. Rebetge hat am Lehrstuhl für Netzwerk- und Systemtheorie diplomiert, das Thema seiner Diplomarbeit, die in Kooperation mit Linotype-Hell angefertigt wurde, lautete: "Algorithmen zum Unscharfmaskieren in Bildern - Entwicklung, Simulation und Vergleich von Qualität und Aufwand"

Hrn. Dipl.-Ing. Jens Rüdiger

Hr. Jens Rüdiger hat am Lehrstuhl für Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik diplomiert, das Thema seiner Diplomarbeit lautete: "Entwicklung und Implementierung eines MOS Tabellenmodells".

- Ich gratuliere den frisch gebackenen Diplom-Ingenieuren, den ersten mit Universitätsabschluß im Land Schleswig-Holstein und in der 331-jährigen Geschichte der CAU!

- Meine Herren, sie haben bewiesen, daß man selbst unter erschwerten Umständen und ohne Abstriche an Qualität, sogar unterhalb der Regelstudienzeit seinen Dipl.-Ing. machen kann! Ich glaube, ich sage nicht zu viel, wenn ich sie als Vorbilder für ihre und für folgende Generationen bezeichne! Ich wünsche Ihnen für ihre berufliche Zukunft alles Gute und viel Erfolg, letzteres ganz eigennützig, denn von Männern und Frauen wie ihnen, mit der fundierten Ausbildung die sie von uns Älteren haben und mit der hoffentlich noch vorhandenen Kreativität und Unbekümmertheit ihrer Jugend, wird es abhängen, ob Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen kann.


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H. Föll, erstellt am 16.05.97

© H. Föll