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Die Erwartungshaltung an so eine
Preisträgerrede ist, wie es sich im Vorfeld herausstellte, gemischt.
Einerseits erwartet man von mir jetzt mit Fug und Recht ein multimediales
Feuerwerk, didaktisch vorzüglich aufbereitet, andererseits hofft man
natürlich auch, daß der oder die Preisgekrönten den anwesenden
Honoratioren ihren Dank zum Ausdruck bringen, vorzugsweise dadurch, daß
sie sich kurz fassen. |
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Meine Dankbarkeitsgefühle
übersteigen im Moment noch mein Mitteilungsbedürfnis - wes das Herz
voll ist, geht zwar der Mund über, aber ich werde mich, für meine,
vielen ja bekannten Verhältnisse, kurz fassen, indem ich nur ein Thema
anschneide: |
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Was motiviert heutzutage eigentlich einen
Hochschullehrer,
gute Lehre zu machen? |
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Im Bezug auf Schullehrer ist die Süddeutsche dieser Frage vor einigen Monaten
ausführlichst nachgegangen; eine ganze Seite in der Wochenendbeilage hat
sich damit beschäftigt |
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Das Ergebnis der Analyse war:
Nichts! |
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Im real existierendem Schulwesen, so
die Meinung des Authors, gibt es keinen guten Grund für einen Lehrer, sich
anzustrengen. Ich sagte spontan zu meiner Frau: Ich wüßte schon
einen guten Grund: Sie werden dafür
bezahlt - vom mir, dem Steuerzahler, und das nicht mal schlecht.
Mein erster Grund ist also |
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1. Ich werde dafür bezahlt -
von Ihnen, und das nicht mal schlecht. |
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Ich weiß natürlich,
daß diese schwäbisch-pietistisch angehauchte Grundhaltung des
"I lass' mer nex schenka" nicht mehr zeitgemäß ist, und
ich will auch gar nicht behaupten, daß sie ausreicht. |
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Also zum zweiten Grund. |
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Auch dazu eine einleitende
Geschichte. 1992 war ich auf einer Konferenz auf Hawaii - keine Angst, Frau
Ministerin, die Japaner haben alles bezahlt. Und siehe da, fast alle Amis und
Europäer, die so 1975 - 85 in der großen Schlacht ums Silizium
mitgemacht und gegen die Japaner verloren haben, waren auch auf Kosten der
Japaner da - und viele waren inzwischen Professoren. I |
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Ich sagte spontan zu einem
amerikanischen Kollegen: "Ich habe das Gefühl, daß wir hier
alle versammelt wurden, damit die Sieger sich im Anblick der Besiegten sonnen
können". Der Kollege sah das genauso und wollte wissen, was wir noch
tun können. Die Antwort war: Unsere Studierende so gut auszubilden, wie
wir das nur können - im eigenen Interesse und im Interesse unserer Kinder.
Punkt 2 also: |
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2. Wir
können es uns nicht leisten, zurückzufallen; wir müssen Zeit
und Aufwand in die unsere Nachfolgegenerationen stecken, heute mehr denn
je. |
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Der dritte Grund ist in meinem
Vorleben bedingt. Zwar bin ich lange genug an vorderster industrieller Front
der Forschung und Entwicklung mitmarschiert, aber es war nie genug Zeit, um das
was man tat, auch gründlich zu durchdringen, wirklich zu verstehen, und
sogar noch etwas über den Tellerrand zu schauen. Außerdem gibt es in
der Wirtschaft jenseits des wissenschaftlichen Tellerchenrandes für das
Management sowieso nur noch die wirtschaftlichen Fleischtöpfe oder
Bettelsuppen, je nach Lage. An der Uni ist das glücklicherweise noch anders. |
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Nun ist die mit Abstand beste
Strategie, sich ein Teilgebiet der Materialwissenschaft oder ihrer Grundlagen
anzueignen, darüber eine Vorlesung zu halten. Der dritte Grund also: |
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Wo kommt nun das Internet ins Spiel?
Eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten läßt. |
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Meine Motivation, Lehrmaterialien zu
generieren und ins Netz zu stellen, hat sich im Laufe der Zeit geändert.
Zunächst war da nur der Entschluß, von nun an alles, aber auch
restlos alles, gleich mit dem PC zu machen, weil es einfach unlauter ist, in
der Welt herumzureisen, allen das Informationszeitalter zu predigen, von neu
einzustellenden Mitarbeitern als Selbstverständlichkeit zu verlangen,
daß sie den Umgang mit Soft- und Hardware beherrschen - während man
selbst mit Bleistift auf Papier schreibt. |
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Hat man nun erst mal seine Notizen
im Rechner, liegt der Gedanke nicht fern, das Zeugs dann auch gleich ins Netz
zu legen - es sollte ja, so wurde einem gesagt, ganz einfach sein - hahaha.
Aber irgendwann geht's dann, und man entdeckt die Möglichkeiten des Neuen
Mediums Internet, Script oder Lehrbuch werden zum Hyperscript. |
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Der springende Punkt dabei ist
natürlich der Hypersprung, das
Anklicken eines markierten Begriffs, in Form des Quersprungs zu anderen Seiten, des Rücksprungs zu Basismaterial, des Hochsprungs zu fortgeschrittenen Themen oder des
Weitsprungs zu den Seiten anderer
Institutionen irgendwo in der Welt. Das ist zwar nützlich, aber noch etwas
trocken, da diese Gymnastik letztlich doch innerhalb der engeren Lernthematik
stattfindet. |
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Saftiger wird's dann zum Beispiel mit
Seitensprüngen; mal etwas Abwechslung,
raus aus dem Alltagstrott. |
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Im Stichwortverzeichnis tauchen
Einträge auf deren Beziehung zur Materialwissenschaft zwar auf den ersten
Blick nicht ersichtlich aber trotzdem vorhanden ist, wie zum Beispiel:
Finnegans Wake, Pamela Anderson, Siegfried und Gott. |
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Rösselsprünge kommen vor - man landet auf ganz anders
gefärbten Feldern. Wer im Hyperscript suchet, wird findet - zum Beispiel
mehrere Gedichte. |
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Nehmen wir noch Hammelsprünge - selbst der Schleswig-Holsteinische
Landtag taucht mal auf, wenn auch nur als schlechtes Beipiel, Quantensprünge - im sinngemäßen oder
volkstümlichen Sinne - und entsteht allmählich ein komplex vernetztes
Gebilde, das möglicherweise den Studierenden besser auf die Sprünge
hilft als herkömmliche Lehrbücher, möglicherweise aber auch nur
auf einen Sprung in der Schüssel des
multimedial tätigen Springinsfelds
hindeutet. |
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Der springende Punkt ist jetzt, daß das vernetzte
Ganze langsam mehr wird als die Summe seiner Teile. Lernen vom Display oder vom
dem Papier ist nicht mehr gehupft wie gesprungen, sondern das Hyperscript wird etwas anderes
als ein virtuelles Buch, etwas besseres, wäre zu hoffen - es wird eine
"Database", ein persönliches Referenzsystem, eine bessere
Annäherung an die komplexe Realität; es wird ein Topos (Denk- und
Ausdrucksschema), der mit zunehmendem Vernetzungsgrad gleichzeitig komplexer
und einfacher, hermetischer und offener wird, und darüber hinaus beginnt
ein Eigenleben zu führen, denn was vielleicht das wichtigste ist: Es gibt
auch noch die Zeitsprünge - der Inhalt
kann kontinuierlich verändert, ergänzt und damit verbessert werden.
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Damit also der 4. Punkt: |
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4. Die Nutzung der neuen Medien
ermöglicht eine neue Qualität des Zugangs zum Lernmaterial - beim
Autor und beim User. |
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Hyperscripte zu erstellen wirkt
bewußtseinserweiternd - die Welt wird gleichzeitig komplexer und
übersichtlicher. Im Klartext: Hyperscripte zu generieren macht schon
wieder großen Spaß! |
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Ein letzter Punkt muß noch
angesprochen werden: Nicht der Professor oder die Professorin macht Lehre,
sondern die Lehreinheit, das heißt der damit beauftragte Lehrkörper
oder die Lehrkörperin und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wenn das
Bodenpersonal nicht mitzieht, wird der Meister keine großen Sprünge
machen, sondern eher bei den Studierenden ganz schnell über die Klinge
springen. |
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Ich möchte an dieser Stelle
ganz besonders meinen Mitarbeitern danken, die sich durchweg nicht nur stark in
der Lehre engagieren, sondern die multimedialen Mätzchen ihres Meisters
mitmachen; ja ihm sogar den rechten Umgang mit Hard- und Software beibringen,
obwohl das bei den Profs kein Zuckerschlecken ist. Zur Motivation gehört
also auch |
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5. Die motivierte Mannschaft
und die Unterstützung durch Sympathisanten in Fakultät, Uni und
Ministerium. |
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Sie werden sich jetzt vielleicht
fragen, wo hier eigentlich die Studierenden bleiben? |
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In Punkt
2 tauchten sie auf; ich sagte sowas wie "Wir müssen unsere
Studierende so gut ausbilden, wie wir das nur können". Aber das war
es dann auch schon. |
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Nun gut. Nach 11 Jahren
Lehrerfahrung neige ich der Meinung von Richard Feyman zu, der nicht nur einer
der bekanntesten Physiker in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts war,
sondern ein gefeierter Didaktiker. Sinngemäß sagte er: |
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"Ich habe keine blasse
Ahnung wie man Kindern und Jugendlichen am besten Lesen, Schreiben, Rechnen,
Quan-tenmechanik oder Halbleitertechnologie beibringt. Und übrigens
weiß das auch sonst niemand - auch wenn das gelegentlich behauptet wird
oder sogar ein angeblich perfektes System implementiert wird!" |
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Die soeben veröffentlichte Pisa
Studie scheint Herrn Feynman recht zu geben. Ich weiß es auch nicht. Was
ich aber zu wissen glaube ist, daß auch der Studi mehr Spaß an der
Sache hat, und dann vielleicht leichter, oder gerner, oder erstmals
überhaupt was lernt, wenn es erkennbar auch seinem Professor Spaß
macht. |
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© H. Föll