6.4 Zusammenfassung / Merkpunkte zu Kapitel 6: Kinetik

Kinetik bedeutet hier: Lehre vom Weg ins Gleichgewicht durch Bewegung (von Atomen) mit "Nettoeffekt" und "Bewegung" im TD GG ohne "Nettoeffekt"
Leerstellen Diffusion Diffusionsprung
Weg Nichtgleichgewicht Þ Gleichgewicht: Es muss sich netto "was" ändern!
Bei Festkörpern / Kristallen: Atome müssen diffundieren
Zu betrachtender Elementarprozess: "Sprung" eines Teilchens (=Atom).
Atome "springen" aber auch im Gleichgewicht! Was zählt ist nur der Nettoeffekt (im Gleichgewicht=0)
Analogie: Girokonto. Kein Nettoeffekt falls Zufluß=Abfluß
 
Sprünge erfolgen immer über Energiebarrieren (besser: Enthalpiebarrieren).  
r  =  n · p(DE)
n=Anlauffrequenz;
p(DE) Wahrscheinlichkeit zur
Überwindung der Energiebarriere DE
Ansatz für Sprungrate r=Zahl Sprünge eines Teilchens pro Sekunde:  
 
Für p(DE) gilt immer der Boltzmannfaktor:
p(DE)  =  exp –   DE
kT
 
Extrem wichtige Gleichung; wird sehr häufiig auftauchen!
p(DE) für Atome in einem Kristall ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in den Vibrationen um die Ruhelage (mit "statistischen" Amplituden) die Energie DE steckt.  
 
Damit Gesamtsprungrate R von N Teilchen über Barriere E.
R  =  N · r  =  A · exp – E
kT
Vorfaktor A enthält die Anlauffrequenz n und evtl. noch andere ("unwichtige") Faktoren
   
Gleichgewicht zwischen zwei E-Niveaus 1 und 2 bedingt
R1-2=R2-1
Gleichgewicht über Energiebarrieren
N1
N2
=exp – E1E2
kT 
Damit Zentralformel für die "Besetzung" von E-Niveaus im TD GG
Entscheidend ist nur E1E2; DE bestimmt nur, wie lange es dauert, bis GG eingestellt ist.  
 
Verallgemeinert und mit leichter Näherung (Ni << N0) erhält man eine Zentralformel der Materialwissenschaft:
Ni  =  N 0 · exp – Ei
kT 
Verteilung klassischer Teilchen im TD GG auf gegebene Energieniveaus Ei mit Grundniveau E0=0 eV für alleSysteme.
Diese Art der Verteilung von Teilchen auf verschiedene E-Niveaus heißt Boltzmannverteilung oder Boltzmannstatistik.  
Bedeutung Boltzmannstatistik: Nie mehr Abzählen und Kombinatorik für Entropieteil der freien Energie / Enthalpie!.  
     
Anwendung auf atomare Fehlstellen (AF) im TD GG:  
NAF  = N0 · exp –  EF
kT 
Teilchen (i.d.R.=Atome) habe zwei E-Niveaus: Grundniveau E0 auf Gitterplatz, und "angeregtes" Niveau EF (=Bildungsenergie) bei Bildung einer AF  
         
Fremdatome (FA) springen entweder als Zwischengitteratome ("i") direkt, oder als substitutionelle FA indirekt über Leerstellen ("V"). Was für substitutionelle oder interstitielle FA gilt, muss aber automatisch auch für die "normalen" Gitteratome gelten; man spricht dann von "Selbstdiffusion".  
ri(ein i) = n · exp   SM, i
k
  · exp –  EM,i
kT 
 =  Di · exp – EM,i
kT 

rV(alle V)  = DV · exp  –  EM, V
kT 
  · exp –  EF,V
kT 

Typische Wanderungsenergien
» 0,5 eV für die Zwischengitteratome
» 1 eV für Leerstellen.
Die zu überwindende Energiebarriere heißt EM= Wanderungsenergie (oder Migrationsenergie) des betrachteten Teilchens; die jeweiligen Sprungraten r sind damit gegeben.  
Der Vorfaktor D enthält im wesentlichen die Anlauffrequenz n und die "Wanderungsentropie" SM. Der Term exp-(SM/k) ist aber » 1
In rV für alle Atome steckt auch die Konzentration der Leerstellen, da die Wahrscheinlicheit des Sprungs eines Gitteratoms das Produkt der Sprungwahrscheinlichkeit und der Wahrscheinlichkeit, eine Leerstelle als Nachbar zu haben, ist. (Es springen immer genau so viele Atome wie Leerstellen).  
       
Wichtig ist die Diffusionsstrom(dichte) jDiff=Zahl der Teilchen, die pro Sekunde durch die Einheitsfläche A springen.
Teilchenstrom
[jDiff]=s–1 · cm–2  
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Partialstrom (nur links Þ rechts oder rechts Þ links) und Nettostrom=Differenz der Partialströme.  
Nettoströme können =0 sein trotz großer Partialströme!  
 
Die beiden empirisch gefundenen Fickschen Diffusiongesetze beschreiben:
j(r)=– D · Ñc(r)

c
t
 = D · æ
ç
è
2c
x2
 +   2c
y2
 +   2c
z2 
ö
÷
ø
 = D · Dc
 
1. Den Nettodiffusionstrom als Konsequenz eines Konzentrationsgradientens Ñc(r)  
2. Die zeitliche Änderung der Konzentration in einem Volumenelement bei r aus der Bilanz des Zu- und Abflusses; sie ist proportional zur 2. Ableitung der Konzentration.  
In beiden Gleichungen taucht dieselbe Proportionalitätskonstante auf, sie heißt Diffusionskoeffizient.  
Die vermeintlich simplen Differentialgleichungen haben i.d.R. komplizierte Lösungen, die typischerweise statistische Funktionen enthalten.  
   
Berechnet man den Diffusionsstrom atomar, erhält man eine Beziehung zwischen dem phänomenologisch definierten Diffusionskoeffizienten D und den atomaren Größen Gitterkonstante a und Sprungrate r (und eine Begründung der empirischen Fickschen Gesetze).  
Diffusion atomar
     
jx = –  a2 · r
6 
 ·   c(x + dx)  –  c(x)
dx
 = –   a2 · r
6
  ·  dc(x)
dx

D  :=  a2 · r
6
 
 
"Random Walk"=Schrittweise Bewegung mit gleicher Wahrscheinlichkeit für jede Schrittmöglichkeit.  
Random Walk
Zentralfrage: Wie groß ist mittlerer Abstand <R2=R zwischen Startpunkt und Endpunkt nach N Schritten mit Schrittweite a  
Schwere Frage, einfache Antwort:
(i=1,2,3 für ein-, zwei- oder dreidimensionalen RW).
   
<R2i, N (i-dim)>  = R2  =  i · N · a2
 
 
Mit N=r · t, der Sprungrate r aus den alten Beziehungen sowie der Verknüpfung von r mit dem Diffusionskoeffizienten D, erhält man für die Diffusionlänge L, dem mittleren Abstand vom Startpunkt als Funktion der Zeit, eine fundamentale Beziehung, die wir noch oft brauchen werden:
L(t) =  æ
è
<RN2(t) > ö
ø
1/2  =  a 
a0
 ·   æ
è
6 · D · t ö
ø
1/2
                       
L(t)           »     æ
è
D · t ö
ø
1/2
Schrittweite a und Gitterkonstante a0 sind nicht immer identisch, aber i.d.R. nicht sehr verschieden.  
Die Näherungsformel ist praktisch immer gut genug.  

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© H. Föll (MaWi 1 Skript)