5.1.2 Voltaterra Construction and Consequences

Da Versetzungslinien beliebig gekrümmt sein können, und darüberhinaus auch Burgersvektoren vorkommen werden, die viel "kleiner" sind als Translationsvektoren des Gitters (z.B. b=a/6[112]), ist eine allgemeinere Definition der Versetzung sinnvoll und notwendig.
Voltaterra hat schon 1907 eine kontinuumsmechanische Definition gegeben, deren Übertragung auf ein (damals noch unbekanntes) Kristallgitter sofort zum allg. Begriff der Versetzung führt.
Abbildung: Voltaterras 6 Grundverformungen - 3 davon entsprechen der Stufen bzw. Schraubenversetzung
Allgemeine Definition einer Versetzung nach Voltaterra
Der folgende Abschnitt ist im englischen Skript ausführlicher!
1. (Fiktiver) Schnitt in den Kristall; Die Schnittlinie entspricht dem Linienvektor t der zu bildenden Versetzung
Schnitt imKristall
2. Verschieben der beiden Schnittebenen um einen Translationsvektor des Gitters=± Burgersvektor b (Vorzeichen je nach Konvention)
StufenversetzungSchraubenversetzung
3. Falls nötig, Material entnehmen oder einfüllen
Stufenversetzung Stufenversetzung
4. Kristall wieder herstellen durch "Verschweißen" der Schnittflächen
Da der Verschiebungsvektor ein Translationsvektor des Gitters war, passen die Schnittflächen überall außer entlang der Schnittlinie perfekt zusammen. Es ist ein eindimensionaler Defekt entstanden - die Versetzung mit Linienvektor=Schnittlinie; Burgersvektor=Verschiebungsvektor.
Aus der Voltaterra-Definition werden weitere Eigenschaften von Versetzungen unmittelbar klar. Die nachfolgende Liste ergänzt, ersetzt oder präzisiert die bereits festgestellten Eigenschaften 1. - 4.
5. Der Burgersvektor ist für eine gegeben Versetzung überall gleich (dies gilt nicht für den Linienvektor), da es nur eine Verschiebung der Schnittflächen relativ zueinander gibt.
6. Stufen- und Schraubenversetzung (mit einem Winkel(t, b)=90° bzw. 0° zwischen dem Linienvektor t und Burgersvektor b der Versetzung) sind Grenzfälle der allgemeinen gemischten Vesetzung, mit Winkel(t, b)=beliebig.
7. Abbildung: Atomistische Darstellung einer gemischten Versetzung
Eine gemischte Versetzung
Die rote Kreise symbolisieren Atome unterhalb der Gleitebene, die blauen Kreise Atome oberhalb der Gleitebene. Im oberen Teil des Bildes liegt eine Stufenversetzung vor (Linienvektor t ist senkrecht zum Burgersvektor b), im unteren Teil eine Schraubenversetzung (t ist paralell zu b) . Dazwischen gibt es einen kontinuierlichen Übergang vom Stufen- zum Schraubencharakter der Versetzung.
In der Animation ist die Versetzungsbewegung dieser Versetzung zu sehen. Sie läuft aus dem Kristall heraus, d.h. die vorhandene Gleitstufe wird verschwinden.
8. Der Burgersvektor muß unabhängig vom genauen Verlauf des Burgersumlaufs sein.
1. beliebiger Umlauf 2. beliebiger Umlauf Zwei beliebige Burgersumläufe um eine Stufenversetzung. Die farbliche Markierung soll das "Abzählen" der Schritte Hoch und Runter (Orange und Rot) sowie Rechts und Links (Dunkelgrün und Hellgrün) unterstützen.
9. Eine Versetzung kann nicht im Inneren eines perfekten Kristalls enden, sonden nur
  • an der Oberfläche,
  • an einer inneren Grenzfläche (Korn- oder Phasengrenze), oder
  • an einem Versetzungsknoten.
10. Verformung erfolgt durch Bewegung der Versetzung in der Schnittebene=Gleiten in der Gleitebene, da ein "Weiterschneiden" gleichbedeutend mit einer Bewegung der Versetzung ist.
11. Die Gleitebene wird damit aufgespanntdurch Burgers- und Linienvektor.
12. Der Betrag von b, (b) ist ein Maß für die "Stärke", d.h. die elastischen Verzerrungen um eine Versetzung.
Die letzte sehr wichtige Konsequenz aus der Definition der Versetzung ist:
13. An einem Versetzungsknoten ist die Summe der Burgersvektoren=0, vorausgesetzt, alle t-Vektoren zeigen zum Knoten oder vom Knoten weg.
Die Begründung (der "Beweis") für 13.kann auf zwei Arten gegeben werden: mit Burgers- Umlauf und mit der Voltaterra-Definition - womit auch die Äquivalenz beider Beschreibungen demonstriert wird.
Sbi= 0 an einem Versetzungsknoten aus Burgers-Umlauf:

Hieraus folgt die Konsequenz: b1=b2 + b3, oder, bei Umnormierung auf: "Alle t-Vektoren zeigen auf Knoten."

Sbi= 0 im Knoten.

Gilt Sbi= 0 an einem Versetzungsknoten aus der Voltaterra-Definition

 
Einige Folgerungen aus den zuvor genannten Punkten:
hierzu: siehe auch englisches Skript
Gleitebene eines Stufenversetzungsringes=Gleitzylinder
Reine Schraubenversetzungen sind auf allen Ebenen gleitfähig
Für eindeutige Vorzeichenfestlegung fehlt noch eine Konvention für das Vorzeichen des Linienvektors t sowie die Festlegung des Umlaufsinns des Burgersumlaufs relativ zur Richtung des Linienvektors. Einfache Regeln, die zu einer konsistenten Vorzeichengebung führen sind:
Wahl der Vorzeichen der Linienvektoren so, daß was in irgendeinen Referenzknoten hineinfließt auch wieder herausfließt: t1=t2 + t3.
Bei allen anderen Knoten ist dann diese Bedingung automatisch erfüllt, aber Sb ist ungleich Null.
Burgersumlauf nach Festlegung der Linienrichtung nach "rechter Hand Regel".
Burgersumlauf ist geschlossen um Versetzung; Schließungsfehler im Referenzkristall "Finish to Start" ist Burgersvektor b.
Exercise 5.1
Sign of Burgers- and Line Vectors
Es bleiben aber einige Fragen offen; dies läßt sich aus dem obigen Bild begründen:
Gibt es auch 4er, 5er, ... -Knoten?
Sind die Winkel in einem Knoten beliebig?
Was bestimmt mögliche Versetzungsreaktionen, z.B. die Bildung einer neuen Versetzung durch "Wandern" eines Knotens?

 
Zur Klärung müssen wir die Energie einer Versetzung und die Wechselwirkung zwischen Versetzungen wissen.
Nochmal zu den Vorzeichen: Es ist sehr tückisch, man muß aufpassen und besonders immer auf die Linienrichtung achten.
Regel: Vorzeichenwechsel beit heißt Vorzeichenwechsel bei b
Beispiel: Versetzungsring
Burgersvektoren an den herausgegriffenen Punkten offensichtlich entgegengesetzt; aber b überall gleich nach Voltaterra!??
Lösung: Vorzeichenwechsel bei t an den herausgegriffenen Punkten!

Zum Index Zurueck Weiter